Kälte, Frost und Schnee: So geht es den Obstbauern

Die Kälte der vergangenen Tage hat, soweit absehbar, noch keine großen Schäden bei den Obstbäumen verursacht. Für Landwirte sind mehrere Standbeine aber von Vorteil.
Vermutlich kommt es uns Vorarlbergern deshalb so kalt vor, weil es kürzlich schon an die 30 Grad hatte – gefühlt war bereits Sommer. Tatsächlich sind aber noch nicht einmal die Eisheiligen vorbei. Eine alte Bauernregel besagt, dass es bis zu diesen gut und gerne noch einmal Schnee geben und kalt werden kann – dieser Fall ist heuer in Vorarlberg eingetreten. Für Hobbygärtner ist das sicherlich etwas lästig. Für Obstbauern aber kann es möglicherweise existenzbedrohend sein.
Peter Winder vom Winderhof in Dornbirn ist indes gut gelaunt und sieht’s gelassen. „Momentan ist noch nichts kaputt. Solange am Morgen der Himmel nicht blau ist, ist es über Nacht nicht klirrend kalt gewesen“, sagt er. Auch in den nächsten kalten Tagen soll es bewölkt sein, also keinen Nachtfrost geben. „Mit Nachtfrost wären die Zwetschken allerdings hin“, meint Winder. Beim Kernobst helfe Frostberegnung, sofern man entsprechend vorgesorgt habe. Es braucht dazu nämlich Sprinkleranlagen, deren Anschaffung durchaus ins Geld geht. Andere Obstsorten lassen sich etwas günstiger schützen: „Unsere Erdbeeren haben wir mit Vlies zugedeckt. Wir ziehen sie zwar im Tunnel, um sie vor zu viel Regen zu schützen. Aber die Strahlungskälte hält ein Tunnel nicht ab“, erklärt der Obstbauer.

Winder hat eine stets aktuelle Temperaturkarte von der Landwirtschaftskammer auf seinem Computer installiert, welche die Plus- oder Minusgrade im Land detailliert anzeigt. „Zwei Grad hatte es heute in der Früh in Lustenau und Schwarzach und so weiter. Wenn ich da draufschaue und der Wert ist okay, dann kann ich in Ruhe frühstücken.“
Risikofaktor Wetter
Da das Programm für die nächsten Nächte einen bewölkten Himmel voraussagt, ist Winder einigermaßen gelassen. „Wir Bauern müssen mit dem Wetter leben. Zu Beginn der Saison gibt es vielleicht Stürme, die unsere Folientunnel wegblasen oder zerstören können. Ist das überstanden, kommt vielleicht ein später Frost, der unsere Kulturen gefährdet. Dann steht die Hagelsaison an, bei der dasselbe passieren kann. Haben wir das alles überstanden, brauchen wir noch genügend Kundschaft, welche die Preise zu zahlen bereit ist, die wir nehmen müssen, um genug zu verdienen. Im Herbst atmen wir vielleicht tief durch und sagen: ,Wir haben Glück gehabt. Das war eine gute Saison.“

Er findet, man brauche starke Nerven als Landwirt. Vieles habe man selbst nicht in der Hand. „Das kann man nur mit Humor nehmen“, folgert er. Außerdem ist Winder mit seinem Team breit aufgestellt. Es wird Spargel angebaut – der etwas wetterunabhängiger ist, da er unter der Erde wächst –, dazu Erdbeeren, Zwetschken und allerlei Beeren. Im Herbst gibt es Kürbisse und für den Hofladen in kleinerer Auflage Gemüse der Saison. „Außerdem vermieten wir eines der Gebäude an Studenten, das ist ein sicheres Zubrot.“
In Vorarlberg, sagt Winder, sei es für seine Art des Anbaus eigentlich zu niederschlagsreich. „Man wettert immer gegen die Weidewirtschaft. Aber Vieh zu haben und Grünfutter anzubauen ist tatsächlich bei diesem Klima noch das Beste, was man tun kann. Für Beeren ist es zu nass, das ist nicht ideal. Wir haben zum Beispiel im Vergleich zu Ravensburg den doppelten Niederschlag. Aber dafür haben wir die beste Kundschaft“, ergänzt der Landwirt und meint das fast gar nicht im Scherz.
Glück gehabt
Ausfälle müsse man eben einkalkulieren. Wenn von zehn Kulturen in einer Saison zwei nicht funktionieren, könne man das ausgleichen. „Hundert Prozent Ertrag gibt es nicht.“ In puncto Schnee und Frost habe man heuer noch einmal Glück gehabt. „Ich denke, wenn wir diese Kältephase rumhaben, wird es in dieser Saison nicht mehr wirklich kalt werden.“ Das größte Problem heuer sei es gewesen, den schweren Schnee von den Erdbeertunneldächern wegzubekommen, bevor sie Schaden nehmen. „Die Natur kann man nicht kalkulieren – zum Glück“, sagt Bauer Winder.

Ortswechsel: Das sonnige Dorf Fraxern ist für seine Kirschen bekannt. Wie geht es den Kirschbäumen mit dem Wintereinbruch? Bertram Nachbaur vom Peterhof erzählt, dass er auf der Kirschbaumplantage auf 1000 Metern Seehöhe fünf Proben gezogen habe. Kein Fruchtansatz war beschädigt. Um eine solche Probe zu begutachten, pflückt man eine befruchtete Blüte und schaut sich das kleine Früchtchen im Innern an: Ist es noch grün oder schon braun? „Im Moment schützt der Schnee die Blüten. Der Schaden ist noch nicht so groß. Laut Wetterstation war es in der vorletzten Nacht bis zu minus 3,2 Grad kalt und letzte Nacht minus 2,1 Grad, es wurde also schon wieder wärmer. Bilanz kann man eigentlich erst ziehen, wenn die Kältewelle vorbei ist.“ Schäden können bereits ab minus 2 Grad entstehen, wobei mehrere Faktoren eine Rolle spielen.
Generell seien die Kirschbäume empfindlicher als Apfelbäume. „Auf 1000 Metern wird es bei so einem Kälteeinbruch zwar kälter als im Tal. Aber dafür kommt die Blüte hier oben später. Manchmal sind die Kirschblüten im Tal großteils erfroren, während sie hier noch gar nicht so weit sind“, erzählt Nachbaur. „Jens Blum vom Wiesenhof in Höchst hat genügend Grundwasser und kann Frostberegnung einsetzen. Das schützt die Blüten. Hier am Berg gibt es nicht das Grundwasser, um das zu machen. Wir können einfach nur hoffen.“
Im Herbst atmen wir vielleicht durch und sagen: Glück gehabt.”
Peter Winder
Auf dem Peterhof geht man daher ebenfalls verschiedene Wege. Es gibt Ziegen, Hühner, Schweine, Bienen, Urlaub auf dem Bauernhof und die „modernsten Anlage im Land, um Cider, Fruchtsäfte und Edelbrände herzustellen. Gerade haben wir Holderblütenlimo gemacht. Wir haben auch eine Lohnabfüllerei“, so Nachbaur. Das Obst bekomme man aus dem ganzen Land.
Flexibel in Sachen Frost können übrigens oft Gärtnereien reagieren. Dominik Lumaßegger vom Mahlerhof in Höchst sagt: „Wir haben die meisten Kulturen im Gewächshaus oder mit Vlies abgedeckt. Für Tomaten und Gurken ist es draußen noch viel zu kalt.“ Nach wie vor gelte die Regel: Vor den Eisheiligen – heuer bis zum 15. Mai– sollte man keine Pflanzen ins Freie stellen, zumindest nicht jene aus südlichen Regionen, wie Oleander und Zitronen- oder Olivenbäume. Auch wenn es im April teilweise schon sehr warm war sollte man sich nicht täuschen lassen: Ein Kälteeinbruch ist noch bis in den Mai hinein möglich.