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Telefonseelsorge: Leitungen laufen im Sommer heiß

22.08.2024 • 09:36 Uhr
Interview mit Mitarbeitern der Telefonseelsorge Dornbirn
Im Sommer verzeichnet die Telefonseelsorge die meisten Anrufe. Stiplovsek

Die Hitze macht auch der Psyche zu schaffen. Bei der Telefonseelsorge (TS) ist im Sommer Hochbetrieb. Insgesamt gibt es heuer bisher einen leichten Rückgang der Anrufe.

Von den Jahreszeiten ist der Sommer mit 4700 Anrufen die Zeit mit den meisten Anfragen, gefolgt vom Winter (4500), Herbst (4300) und dem Frühjahr (4200). „Diese Zahlen aus dem Jahr 2023 entsprechen prozentuell und hochgerechnet auch der Verteilung auf die Jahreszeiten 2024“, berichtet Sepp Gröfler, Leiter der Telefonseelsorge in Vorarlberg. „Insgesamt haben wir heuer bisher etwas weniger Anrufe, nämlich minus zwei Prozent, als im letzten Jahr.“

Mit 520 Anrufen seien bisher im Jahr 2024 auch akut krisenhafte Anrufe um etwa fünf Prozent zurückgegangen. „Dazu zählen Gespräche über Suizidgefahr, Gewalterfahrungen, Panikattacken und andere psychische Ausnahmezustände, sowie die Einschaltung des Familienkrisendienstes. Hier können wir für Kinder und Jugendliche, die außerhalb der Bürozeiten in Krisensituationen geraten, Sozialarbeiter vor Ort schicken. Dieses Team versucht dann sehr rasch, eine gute Lösung zu finden“, erläutert Gröfler.

Telefonseelsorge: Leitungen laufen im Sommer heiß
Sepp Gröfler, Leiter der Telefonseelsorge Vorarlberg. Hartinger

Im Sommer ist Hochsaison

„Trotz des leichten Rückgangs an Anrufen bewegen wir uns aber immer noch auf einem sehr hohen Niveau“, betont der TS-Leiter. Und im Sommer ist ohnehin Hochsaison. Derzeit klingelt das Telefon 50 bis 60 Mal täglich. Ein Grund dafür ist, dass gewohnte Ansprechpartner und Entlastungsangebote wie Psychotherapeuten, Ärzte oder Selbsthilfegruppen Sommerpause machen. Oft wird dann auf die Telefonseelsorge verwiesen, um diese Zeit zu überbrücken. Hinzu kommt, dass die Hitze vielen Menschen zu schaffen macht und die Sommerferien insbesondere Paaren und Familien zusätzliche Schwierigkeiten bereiten.

Einsamkeit immer ein Thema

Dabei, so Gröfler, ist die Einsamkeit ein Thema, das sich durch das ganze Jahr zieht und immer Saison hat. „Im Sommer ist es die Ausgelassenheit der Umgebung und die Leichtigkeit, mit der die Mitmenschen durchs Leben gehen, die einem die eigene Einsamkeit besonders bewusst macht.“ Die Urlaubszeit sei auch immer die Zeit der „Konflikte auf Paarebene“. So nah sei man sich das ganze Jahr über nicht und „wenn ein Paar nicht gut darauf vorbereitet ist, holen einen die Konflikte, denen man sich das ganze Jahr über nicht gestellt hat, ein. Das birgt Sprengstoff für die Beziehung“, so Gröfler. „Zudem wird auch die familiäre Belastung mangels Kinderbetreuung immer größer. Berufliche Chancen als Frau wollen aufrechterhalten werden, die Teuerung und damit verbundene finanzielle Zwänge erhöhen zusätzlich den Druck. Allem gerecht zu werden ist schwierig, und als erstes bleibt dann die Frau und ihre Bedürfnisse auf der Strecke. Wir ermutigen die Betroffenen, die Anbieter von Kinderbetreuung zu kontaktieren, um den Bedarf sichtbar zu machen.“

Telefonseelsorge: Leitungen laufen im Sommer heiß
Die Telefonseelsorge ist das ganze Jahr über rund um die Uhr unter der Nummer 142 kostenlos erreichbar. hartinger

Heuer sei bisher auch insgesamt auffällig oft das Thema Alkohol und Sucht im Gespräch gewesen. „Vor allem bei Sorge um Angehörige.“ Rückhalt bei der Telefonseelsorge suchen auch Menschen, die sich um suizidgefährdete Personen sorgen. Jugendliche teilen häufig ihre psychischen Belastungen mit der TS. „Ihre Depressionen, Panikattacken, Psychosen belasten ihre Familien, Freunde und Arbeitgeber. Hier kann ein Anruf bei uns wie ein Ventil sein, um den Druck zu verringern.“

Aggressionen nehmen zu

Zugenommen haben nach den bisherigen Auswertungen 2024 auch Aggressionen und Unzufriedenheit. „Immer häufiger sind wir mit Anrufen konfrontiert, bei denen die Anrufer ihren Frust abladen möchten. Hier müssen wir manchmal klare Grenzen ziehen, wenn die Angriffe zu persönlich werden. Manchmal übernehmen wir aber auch eine Blitzableiter-Funktion“, sagt Sepp Gröfler.

Zu jeder Zeit erreichbar

Die Auflistung der Anrufgründe zeigt ganz klar: Die Telefonseelsorge ist breit aufgestellt und eine wichtige Anlaufstelle bei Problemsituationen. Sie fungiert als Pannendienst für die Seele – und das rund um die Uhr, das ganze Jahr über. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind jederzeit per Telefon unter der Nummer 142 kostenlos erreichbar. Zudem gibt es Kontaktmöglichkeiten per E-Mail und Chat.