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ÖVP: Historischer Verlust, aber Nummer eins

13.10.2024 • 22:38 Uhr
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Markus Wallner triumphierte bei der Wahlparty im Kornmesser Bregenz. Philipp Steurer

Noch am frühen Nachmittag herrschte gespannte Ruhe in der ÖVP-Zentrale. Mit der ersten Hochrechnung wich die Anspannung dem Jubel – trotz teilweise großer Verluste.

Der politische Erdrutsch, der nach der Nationalratswahl vor zwei Wochen für Vorarlberg erwartet wurde, blieb aus. Allerdings haben sich die Kräfteverhältnisse deutlich verschoben. Die ÖVP konnte laut dem vorläufigen Endergebnis von Sonntag ihren ersten Platz klar verteidigen, fuhr jedoch das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein. Die Volkspartei verlor rund fünf Prozentpunkte im Vergleich zur letzten Wahl, konnte sich aber mit 38,3 Prozent einen komfortablen Vorsprung von über zehn Prozentpunkten vor der FPÖ sichern, die auf 28 Prozent kam. In einer Zeit, in der regierende Parteien europaweit mit hohen Verlusten kämpfen, ist dieses Ergebnis für die Vorarlberger ÖVP ein unerwarteter Erfolg.

ÖVP
Erleichterung nach der ersten Hochrechnung: Klubobmann Roland Frühstück, Landtagspräsident Harald Sonderegger und Landesstatthalterin Barbara Schöbi-Fink. NEUE

Am frühen Nachmittag war die Stimmung in der ÖVP-Landesgeschäftsstelle in der Römerstraße in Bregenz noch von Anspannung geprägt. Rund ein Dutzend Parteifreunde und Mitarbeiter saßen vor ihren Handys und verfolgten den Livestream auf einer kleinen Beamer-Leinwand. Zunächst sorgten Meldungen über erdrutschartige Verluste in kleineren Gemeinden für spürbare Unruhe. Doch als die Ergebnisse aus den größeren Kommunen eintrafen, hellte sich die Stimmung merklich auf. Dort konnte die ÖVP die Verluste begrenzen und so ihre Führungsposition sichern. Kurz vor 14 Uhr erschienen dann die ersten prominenten Parteimitglieder in der Geschäftsstelle, darunter Landestatthalterin Barbara Schöbi-Fink, Landtagspräsident Harald Sonderegger, Klubobmann Roland Frühstück und Cenk Dogan, Stadtrat in Bludenz und Landeslisten-Zweiter. Mit der Verkündung der ersten Hochrechnung nach 14 Uhr wich die Nervosität schließlich endgültig der Erleichterung. Binnen Minuten verwandelte sich die angespannte Atmosphäre in feierlichen Jubel: Man umarmte sich, klopfte sich gegenseitig auf die Schultern und öffnete die ersten Bierflaschen. „Dieses Ergebnis nehmen wir gerne, wenn es so bleibt“, sagte ÖVP-Landesgeschäftsführer Dietmar Wetz. Frühstück, der die Zwischenergebnisse aller Parteien eifrig auf einem Zettel festhielt, erklärte den Erfolg der ÖVP mit der „ausgezeichneten Wählermobilisierung“.

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steurer

Wirtschaftsbunddirektor Christoph Thoma, der gemeinsam mit den Landesräten Marco Tittler und Christian Gantner etwas später in der Geschäftsstelle eintraf, fügte hinzu: „Wir sind gelaufen wie die Wilden.“

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Nachdem er von Parteikollegen im Landhaus beklatscht wurde, machte sich Wallner erhobenen Hauptes auf den Weg zur Wahlparty. Steurer

„Ich sehe im Ergebnis einen klaren Regierungsauftrag. Man kann darin aber auch klare Veränderungswünsche ablesen.“

Markus Wallner

Landeshauptmann Markus Wallner sprach später von einem „klaren Regierungsauftrag“ und betonte, dass seine Partei die Erwartungen deutlich übertroffen habe. „Unterm Strich überwiegt die Freude“, sagte Wallner zu den Verlusten von fast fünf Prozentpunkten. Er wertete das Ergebnis als ein Zeichen des „hohen Vertrauens in meine Person“, wofür er sich sehr dankbar zeigte. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass die Wahl auch „klare Veränderungswünsche“ in Bereichen wie Wohnen, Bürokratie und Zuwanderung zum Ausdruck gebracht habe, die in die anstehenden Koalitionsgespräche einfließen müssten. Erste Gespräche mit den Parteivorsitzenden sind für Dienstag angesetzt, und Wallner hofft auf eine rasche Regierungsbildung, idealerweise noch vor der Konstituierung des Landtags in vier Wochen.

Wahl-Splitter

Ein zartes Plus. Die ÖVP hat in 95 Gemeinden Stimmen verloren, nur in Viktorsberg konnte die Partei um magere 0,4 Prozentpunkte zulegen.
Schwarze Hochburg. Hochburg der Volkspartei ist und bleibt die Großwalsertaler Gemeinde Fontanella mit ihren knapp 500 Einwohnern. Zwar verliert sie dort 5,6 Prozentpunkte, mit 82,2 Prozent bleibt Fontanella aber mit Abstand die „schwärzeste“ Gemeinde des Landes.

Wallners Heimat. Dass die ÖVP ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, spiegelt sich auch in der Heimatgemeinde von Landeshauptmann Markus Wallner wider. In Frastanz verlor die Volkspartei 2,3 Prozentpunkte. Mit 47,7 Prozent liegt die ÖVP dennoch klar vor der FPÖ mit 25,2 Prozent.

Wählerstrom. 71.000 Wählerinnen und Wähler haben am Sonntag ihr Kreuz bei der ÖVP gemacht. Laut der ORF-Wählerstromanalyse von Foresight konnte die ÖVP 52.000 oder 72 Prozent ihrer Wähler halten. 21 Prozent wechselten zur FPÖ. Jeweils 3000 Wähler wanderten von den Grünen, der SPÖ und den Neos zu den Schwarzen ab.

Dienstältester LH. Mit fast 13 Jahren Amtszeit ist Markus Wallner mittlerweile der dienstälteste Landeshauptmann Österreichs – und seit gestern steht fest, dass der 57-Jährige in die Verlängerung geht. In Vorarlberg hat der Frastanzer allerdings nur den bisher kürzesten Landeshauptmann Martin Purtscher mit knapp zehn Jahren überholt.