Wie die “Karawane der Menschlichkeit” Hoffnung in Flüchtlingslager bringt

Die „Karawane der Menschlichkeit“ ist seit vier Jahren unterwegs, um Flüchtlingen an den Grenzen Europas Hoffnung zu spenden. Nicht nur mit Geld, Schuhen und Stiften, sondern auch mit Clowns oder Maltherapeutinnen. Morgen Samstag sind sie ab 19.30 Uhr mit einem Bildvortrag in Lustenau im W*ORT zu Gast.
Von Miriam Jaeneke
neue-redaktion@neue.at
“Ich habe echt viele krasse Geschichten erlebt“, sagt Pascal Violo. Der 44-jährige Fotograf und Vortragende aus dem Südburgenland war schon in indischen Slums unterwegs. Daher war er einiges gewöhnt. Was kann also noch deutlich brutaler sein? Das Schicksal der Kinder, Frauen und Männer in den Lagern an Europas Grenzen ist es. Das der vielen Flüchtlinge, die sich von Europa so viel erhofft haben und sich nun in einem Zwischenzustand befinden. Nicht mehr in der Heimat und meist ohne Mittel, sich aus dem Zwischenzustand zu befreien. Im Schlamm, mit Glück unter Plastikplanen der Organisationen, die versuchen, ein Stück Menschlichkeit zu retten. Es gibt keine Abwechslung, keine Schulen, nur Krankheiten und die vielen anderen, denen es nicht besser geht. Die Perspektivlosigkeit ist wohl das schwerwiegendste Problem. Im provisorischen Zelt lässt es sich hausen, wenn man weiß, dass das feste Dach über dem Kopf schon wartet. Aber ohne das?

Manchmal kommt es noch schlimmer, auch wenn man denkt, dass das nicht möglich ist. Wenn eine Flutkatastrophe hereinbricht zum Beispiel. Oder wenn ein Brand entsteht, der das gesamte Flüchtlingslager verwüstet. Wie in Moria im Jahr 2020. Pascal Violo sah die Bilder, wie viele andere auch. Sie erschütterten ihn, wie viele andere auch. Violo sagt: „Wütend und traurig sein ist menschlich, hilft aber nur bedingt. Was hingegen auf jeden Fall hilft, ist ins Tun zu kommen. Das hilft nicht nur mir, sondern auch den Flüchtlingen.“
Spontane Initiative
Spontan gründete Violo den Verein „Karawane der Menschlichkeit“. Es stellte sich heraus, dass er damit nicht nur etwas für sich und die Flüchtlinge tun konnte, sondern auch für viele andere Menschen. Ein paar Freunden sagte er, dass er sein Auto volllädt, um nach Griechenland ins niedergebrannte Flüchtlingslager Moria auf Lesbos zu fahren. Mit fünf Schlafsäcken und seinem Ersparten wollte er los. Bald meldeten sich Menschen mit Sachspenden, das Auto war schnell voll. Violo fragte Freunde mit VW-Bussen, ob er die Busse leihen durfte, so viel hatte sich angesammelt. Schließlich fragte ihn jemand, ob er nicht seinen LKW leihen wolle.

Türkei .
Innerhalb von drei Wochen und nur über Mundpropaganda waren rund 50.000 Euro an Spendengeldern zusammengekommen. Violo war im positiven Sinne fassungslos. Es ist ein Phänomen, das sich seither schon öfter wiederholt hat. „Die Menschen bei uns möchten gerne helfen, wissen aber einfach oft nicht, wie. Wenn sie dann jemanden kennen, dem sie zutrauen, ihr Geld oder ihre Kleidung verlässlich an Kind, Mann und Frau zu bringen, sind sie gerne bereit zu geben.“
Diese Erfahrung macht Violo auch immer wieder bei seinen Vortragsreisen. Das halbe Jahr ist er für die „Karawane der Menschlichkeit“ unterwegs. Das andere halbe als Fotograf beispielsweise in Tibet und dann hauptsächlich in Deutschland, um die Bilder, die dabei entstanden sind, zu zeigen.
Berührende Vorträge
Inzwischen hält er auch Vorträge über seine Arbeit rund um die Geflüchteten. Zusammen mit Bruno Maul tritt er auch im W*ORT in Lustenau auf. Die beiden kennen sich lange, Maul ist ebenfalls Fotograf. Zusammen haben sie bewegende Bilder geschaffen und festgehalten, was viele nicht wahrhaben wollen. Kinder, die auf sich allein gestellt sind, teils ohne ihre Familie. Menschen, die nicht wissen, wohin, und oft auch fast nicht mehr, wofür. Violo klagt nicht. Stattdessen sucht er nach Hoffnungsschimmern.

Einer sind die Clowns, Akrobaten und Maltherapeutinnen, die er seit einiger Zeit mitnimmt auf seinen Touren in den Libanon, in die Türkei oder nach Griechenland. Als die erste Anfrage kam, war er sich nicht sicher. Clowns? Die Menschen in den Lagern bräuchten doch viel eher Schuhe und etwas zu essen. Oder? Brauchen sie nicht das Lachen, das Tanzen, Malen und Singen, die Möglichkeit, ihre Tristesse für eine kurze Weile zu vergessen, mindestens genauso dringend? Die Einsätze mit den Lachkünstlern waren und sind ein voller Erfolg.
Um die zwölf Helferinnen und Helfer schart Violo pro Fahrt um sich. Es ist ein Auswahlprozess, der sich meistens selbst reguliert. Helfer springen ab, neue melden sich. Die Fahrtkosten und die Zeit müssen sie selber aufbringen. Vielleicht erstaunlich, aber dieses Modell funktioniert tatsächlich.

Positive Erlebnisse
Es gibt nämlich nicht nur die erschütternden Geschichten. Es gibt auch die, die so wunderbar sind, dass man sie erst mal nicht glauben mag. Zum Beispiel die im Libanon, wo kriegsgezeichnete Flüchtlinge sich selbst überlassen in Slums hausen, vielfach Kinder. Als Violo mit seinem Team ankam, erzählte jemand von einer Frau, die im Straßenstaub den Kindern Englisch und Mathematik beibringe. Die Helfer kamen hin und sprachen mit der Frau: Was sie denn am dringendsten bräuchte? Eine Schule, in der sie die Kinder unterrichten könnte, sagte sie. Violo suchte ein geeignetes Gebäude und weitere Lehrer. Binnen kurzer Zeit wurde nicht nur der Traum der Lehrerin wahr. Später kam ein zweites Schulgebäude hinzu. Die Karawane der Menschlichkeit zahlt die Miete fürs Gebäude und ist im Austausch mit den Erwachsenen vor Ort. Viele neue Projekte ergeben sich aus Gesprächen in den Flüchtlingsgebieten. Jeder Einsatz ist vollkommen anders, aber Organisation, Logistik und Abwicklung ähneln sich. In Äthiopien ging es um ein Geburtsspital, dort hatten sie hauptsächlich mit Frauen zu tun. An der EU-Außengrenze in Bosnien waren vorwiegend Männer, die Grenzpolizei ist dermaßen brutal, dass es für Frauen und Kinder zu gefährlich wäre. In Syrien wiederum trafen sie viele Kinder an, die allein unterwegs waren und ihre Familie, ihre Heimat und ihre Kindheit verloren hatten. Dennoch: Solange es Projekte wie die „Karawane der Menschlichkeit“ gibt, gibt es Grund zur Hoffnung. Das wird auch der Vortrag im W*ORT deutlich machen. Gabi Hampgson vom W*ORT ist einer der unglaublich vielen Kontakte, die Violo pflegt. Mit ihrem Verein „Tatendrang“ unterstützt sie die „Karawane“, gibt gesammelte Spenden an Violo weiter. Weil klar ist, dass er daraus ein Maximum an Leben kreieren wird.