Was Nika von Hip-Hop-Opas gelernt hat

Sophia Veronika Juen alias Nika hat in Berlin das Rap-Duo “Pete & Bas” getroffen. Die beiden Künstler sind Ende 70 und beweisen mit Humor und Energie, dass Alter keine Grenzen kennt.
Von Nika
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“Man ist nie zu alt, um Neues zu wagen und nochmal auf den Putz zu hauen!“, das ist die Message, die ich von meinem Konzertbesuch letzte Woche mitgenommen habe. Was dieses Konzert so besonders macht? Die Künstler auf der Bühne sind beide Ende 70 und haben im Club So36, 600 Menschen zum Feiern gebracht. „Pete & Bas“, so heißt das britische Rap-Duo, über das sogar schon bei Galileo berichtet wurde. Nach der Show trafen wir die beiden Hip-Hop-Opas im Backstage. Eine fette Zigarre rauchend, amüsierte sich Bas darüber, dass es in Berlin so viel mehr Graffitis als in London gibt.

Den eigenen Traum leben
Ich finde es inspirierend, zu sehen, wie sich Menschen, unabhängig von ihrem Alter, neu erfinden und versuchen ihren Traum zu leben. Doch der Weg dorthin kann kompliziert sein und ganz anders verlaufen als erwartet. Als ich nach Berlin zog, war mein Traum glasklar: ich wollte Schauspielerin werden. Aber wenn ich erzähle, dass ich mein Schauspielstudium nach einem Jahr abgebrochen habe, kommt verständlicherweise die Frage nach dem Warum. Waren es die anstrengenden körperlichen Trainings? Der Umstand, kaum Freizeit zu haben, da diese für das Auswendiglernen von Texten oder Proben draufging? Waren es die uralten Theaterstoffe, die Frauen überwiegend nur als das hilflose „Gretchen“ oder unglückliche Femme Fatal darstellten (und das obwohl Goethes Geliebte sein Leben damals vor den Franzosen gerettet hatte). Waren es die verrückten Arbeitszeiten oder mein merkwürdiger Theaterdozent? Oder die finanzielle Unsicherheit, die mit dem Leben als hauptberufliche Schauspielerin einhergeht? Schließlich war es wohl eine Mischung aus all diesen Punkten, die mir wortwörtlich auf die Nerven ging.
Unbeschreibliches Gefühl
Dabei fing eigentlich alles sehr gut an. Freitag Nachmittag, Saumarkttheater Feldkirch, die Kindertheatergruppe geleitet von Sabine, war für viele Jahre mein „Place to be“. Mein sicherer Hafen, wenn in der Realität mal wieder alles drunter und drüber ging. Dort, zwischen roten Samtsesseln und dem Scheinwerferlicht, das uns Kinder wie kleine Superstars beleuchtete, hatte ich das Gefühl, sicher und Teil von etwas Größerem zu sein. Egal, wie unordentlich und dramatisch die Welt da draußen auch war – im kleinen Theatersaal gab es klare Rollen und gleichzeitig die Freiheit, sich in Impro Sessions auszutoben. Man hatte mir Talent zugesprochen, und das erfüllte mich mit einer unbeschreiblichen Euphorie und Motivation.

Die Stars mit ihren glitzernden Outfits und ihrem scheinbar mühelosen Leben – sie verkörperten für mich eine Welt, die ebenso strahlend wie unerreichbar schien. Doch eben jene kleine Theaterbühne machte diese Welt für mich greifbarer. Für eine professionelle Musikkarriere, dachte ich damals, hatte ich einfach nicht das nötige Talent. Bis kurz vor meinem Umzug nach Berlin, spielte ich noch in der Jugendgruppe des Landestheaters in Bregenz, so viel Halt und Selbstbewusstsein gaben mir die wöchentlichen Schauspiel-Trainings. Bis ich schließlich nach meiner Matura am BG Bludenz an einer Schauspielschule in Kreuzberg angenommen wurde. Daraufhin folgten anstrengende und lehrreiche Monate: neues Land, neue Lebensweise und ein kräftezehrender Stundenplan hielten mich in Atem. Die Devise meines Schauspieldozenten lautete „Aufopferung für die Bühne“, und das war noch die „humanere“ Einstellung, wenn man bedenkt, was für ein Wind im Vergleich mit „Charakter brechen und wieder aufbauen“ an der staatlichen Ernst Busch Hochschule wehte. Psychisch ging es mir nach ein paar Monaten überhaupt nicht mehr gut. Ich hinterfragte alles, aber vor allem mich selbst. Ich sah es nicht mehr ein, mich für 2 Aufführungen pro Halbjahr vor max. 20 Leuten zu peinigen. Dafür war meine Liebe zum Theater schon zu abgekühlt. Da halfen auch Applaus und meine netten Kollegen nicht mehr weiter. Mit Anfang 20 musste ich also lernen, wie es ist, wenn dein Kindheitstraum wie eine Seifenblase platzt und sich herausstellt, dass man auf dem falschen Pfad unterwegs ist. Ich dachte immer, ich hätte DEN Plan – aber plötzlich fühlte ich mich so orientierungslos wie so viele Maturanten nach der Schule. Kein Plan, keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Also blieb mir nur übrig, einen Schritt nach dem anderen zu setzen.
Sophia Veronika Juen stammt aus Zwischenwasser und berichtet als Vorarlbergerin aus Berlin.