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Bau-Amtsmissbrauch: Bürgermeister Tschann schuldig gesprochen

18.12.2024 • 19:47 Uhr
Bau-Amtsmissbrauch: Bürgermeister Tschann schuldig gesprochen
Tschann sieht sich selbst unschuldig. hartinger

Bludenzer Bürgermeister genehmigte dem nicht rechtskräftigen Urteil zufolge eine Wohnanlage ohne Bewilligungsvoraussetzungen. Geldstrafe und bedingte Haftstrafe für Tschann.

Wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt und des Vergehens der falschen Beurkundung im Amt wurde der unbescholtene, monatlich netto knapp 7000 Euro verdienende Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann am Mittwoch in einem Schöffenprozess am Landesgericht Feldkirch zu einer bedingten, nicht zu verbüßenden Haftstrafe von elf Monaten und einer unbedingten, dem Gericht zu bezahlenden Geldstrafe von 51.000 Euro (300 Tagessätze zu je 170 Euro) verurteilt. Das erstinstanzliche Urteil bedeutet keinen Amtsverlust, der erst ab einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten eingetreten wäre.

Das um 19.10 Uhr nach zehnstündiger Verhandlung verkündete Urteil des Schöffensenats unter dem Vorsitz von Richter Alexander Wehinger ist nicht rechtskräftig. Denn der von Georg Mandl verteidigte Angeklagte meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Strafberufung an. Staatsanwalt Richard Gschwenter meldete Strafberufung zum Nachteil des Angeklagten an. Zuerst wird über die Nichtigkeitsbeschwerde entschieden werden, am Obersten Gerichtshof. Der Strafrahmen belief sich auf sechs Monate bis fünf Jahre Gefängnis. Die verhängte kombinierte Strafe entspricht 16 Monaten Haft.

Amtsmissbrauch

Nach den gerichtlichen Feststellungen beging der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz mit dem von ihm unterschriebenen Baubescheid vom August 2021 für eine Wohnanlage eines Bludenzer Bauträgers in der Bludenzer Fohrenburgstraße einen Amtsmissbrauch. Demnach lagen die gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen für das umstrittene Bauprojekt gar nicht vor. Denn der Abstand der drei Gebäude umfassenden Anlage mit 23 Wohneinheiten zur Verkehrsfläche betrug nur 90 Zentimeter, und die Baunutzungszahl und damit die verbaute Fläche war mit 82 eine zu hohe.

Das bemängelte neben dem städtischen Gestaltungsfachbeirat, dem der Bürgermeister vorsaß, der städtische Amtssachverständige für Ortsbild- und Landschaftsschutz. Aber der Bürgermeister setzte sich in seinem Bewilligungsbescheid mit dem Amtsgutachten seines Mitarbeiters gar nicht auseinander.

Wahrheitswidrige Stellungnahme

Schuldig gesprochen wurde der 32-jährige Bürgermeister auch deshalb, weil er nach Ansicht der Richter 2022 der Bezirkshauptmannschaft Bludenz und dem Landesvolksanwalt eine von ihm unterschriebene wahrheitswidrige Stellungnahme der Stadt Bludenz zukommen ließ. Darin wurde behauptet, in einem Jour fixe der Bauabteilung habe der Amtssachverständige im Juni 2021 das Bauprojekt nicht mehr bemängelt. Das sei versehentlich nicht schriftlich festgehalten worden.

Der  Angeklagte habe den nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Baubescheid der öffentlichen Debatte wegen sehr wohl gelesen, meinte Richter Wehinger als Vorsitzender des Schöffensenats. Selbst wenn es so gewesen sein, sollte, dass er den Baubescheid nicht gelesen und nur unterschrieben haben sollte, würde dennoch ein Amtsmissbrauch vorliegen.

Der Schöffensenat ging auch davon aus, dass der Bürgermeister die von ihm unterschriebene Stellungnahme gegenüber der BH und dem Landesvolksanwalt gelesen hat.

Tschann sieht sich selbst als unschuldig

Der Angeklagte sagte, er sei nicht schuldig. Er habe den Baubescheid und die Stellungnahme an die BH und den Landesvolksanwalt nur unterschrieben, inhaltlich aber nicht überprüft. Er habe sich dabei auf seine Mitarbeiter verlassen, die den Baubescheid und die Stellungnahme verfasst hätten. Als Bürgermeister habe er keine Zeit dafür, die jährlich anfallenden 150 Baubescheide und die zahlreichen Stellungnahmen inhaltlich zu überprüfen.

Staatsanwalt Gschwenter sprach von Lügen und Vertuschungsversuchen des Angeklagten und von Nebelgranaten der Verteidigung. Der öffentliche Ankläger merkte an, der Landesvolksanwalt habe das Verfahren wegen des gesetzwidrigen Baubescheids wiederaufgenommen.