Und ab geht die Rohrpost

Rohrpostanlagen behaupten sich auch im digitalen Zeitalter. Der Hohenemser Kleinbetrieb Onder Rohrpostanlagen verfügt über 50 Jahre Know how. Firmenbesitzer und Tüftler Marcel Onder gibt Einblick.
Seit 2006 leitet Marcel Onder den Kleinbetrieb „Onder Rohrpostanlagen“ in Hohenems, der sich auf Rohrpostanlagen spezialisiert hat und der einzige Anbieter dieser Technik „made in Vorarlberg“ ist. Die Erfolgsgeschichte begann bereits 1975, als Marcels Vater Gustav sich selbständig machte und den Betrieb gründete.

„Mein Vater erlitt 2003 eine Hirnblutung,“ erzählt Marcel Onder. „Wir hofften zunächst, dass er sich so weit erholt, dass er wieder ins Berufsleben einsteigen kann. Leider war das nicht mehr möglich. Deshalb haben wir 2006 die Umgründung auf meinen Namen durchgeführt, und ich habe die Firma weitergeführt.“ Zu diesem Zeitpunkt war der heute 41-Jährige noch Schüler an der HTL und stand kurz vor seiner Matura. „Es war natürlich eine große Verantwortung, aber ich wollte es unbedingt schaffen,“ erinnert er sich. Ursprünglich sah sein Plan aber anders aus: „Zuerst wollte ich studieren, dann auf einer Bohrinsel arbeiten und erst danach den Betrieb übernehmen. Als sich die Situation änderte, wusste ich aber gleich, dass ich den Betrieb sofort übernehme. Erfahrung hatte ich ja auch schon. In den Ferien habe ich immer im Betrieb mitgearbeitet. Heute bereue ich diese Entscheidung keine Sekunde.“

Hochmodern
Im Zeitalter der Digitalisierung wirken Rohrpostanlagen auf den ersten Blick wie ein Relikt aus alten Zeiten. „Tatsächlich gibt es immer noch Anwendungen, in denen klassische Rohrpost für Dokumente genutzt wird,“ führt Marcel Onder aus. „Das sind aber die Ausnahmen. Heutzutage handelt es sich um hochmoderne, computergesteuerte Anlagen. Moderne Systeme sind fast geräuschlos sowie erschütterungsarm und eignen sich daher speziell für sensible Transporte wie Blut- und Gewebeproben, Medikamente oder Laborproben.“ Neue Innovationen umfassen auch vollautomatische Be- und Entladung der Rohrpostbüchsen und Benachrichtigungen bei der Ankunft von Sendungen sowie eine lückenlose Dokumentation und individuelle Anpassungsmöglichkeiten an das Transportgut (unter anderem Geschwindigkeit). „Es gibt viele Bereiche, wo Rohrpostanlagen noch immer mit Abstand die beste Lösung sind“, weiss Marcel Onder.
Zur Person
Name: Marcel Onder
Geboren: 12. September 1983
Familienstand: Verheiratet, drei Kinder
Ausbildung: HTL-Maschinenbau
Beruf: Selbstständig
Hobbys: Fußball, Oldtimer restaurieren, Gartenarbeit
25.000 Transporte täglich
Ein gutes Beispiel für ein Einsatzgebiet der Rohrpostanlagen ist das Klinikum Innsbruck, das auch von Onder Rohrpost bereut wird: „Dort werden täglich bis zu 25.000 Proben zwischen Stationen und Labors transportiert. Ohne Rohrpost wäre das manuell kaum zu bewältigen – es wäre zeitaufwendig und teuer“, so der 41-jährige gebürtige Dornbirner. „Am LKH Feldkirch werden auch täglich 600 bis 800 Sendungen getätigt.“

Komplettanbieter
Der Hohenemser Betrieb bietet alles von der Planung über Montage und dem Service. Wobei Onder bei größeren Projekten mit Partnerfirmen zusammenarbeitet. Als eine seiner Stärken bezeichnet der Firmenbesitzer die Kleinheit des Betriebs. „Wir können flexibel auf unsere Kunden eingehen.“ Zudem schätzt er den persönlichen Kontakt. „Ich bin zufrieden mit der aktuellen Größe des Betriebs. So kann ich meinen Kunden einen persönlichen Service bieten und bin immer erreichbar. Das ist mir wichtiger als Wachstum um jeden Preis.“
Rohrpost
Funktion
Fördergut wird mit Förderbüchsen in einer Rohrleitung duch strömende Luft von A nach B bewegt. Rohrpostanlagen werden zum spontanen Transport eingesetzt und ergänzen andere betriebliche Förderanlagen.
Technische Daten:
- Geschwindigkeit: bis zu 40 Studenkilometer
- Durchmesser Rohrleitung: standartmässig 90 bis 160 Millimeter
- Transportgewicht: standartmässig bis acht Kilogramm (mit Umbau bis 20 Kilogramm
- Rohrmaterial: PVC-Kunststoff, Edelstahl oder PC/ABS halogenfreie Fahrrohre
Großer Kundenkreis
Neben Krankenhäusern setzt auch die Lebensmittelindustrie auf die qualitativ hochwertige Technik von Onder. Auch Banken, Speditionen, Möbelhäuser, Juweliere und die größten Industriebetriebe in Vorarlberg zählen zu seinen Kunden. So auch der Beschlägehersteller Blum. „Dort gibt es eine Anlage mit 70 Stationen, mit mehreren Kilometern Rohrleitungen.“

Groß- und Kleinanlagen
Seine Angebotspalette ist groß. Neben den vollautomatischen computergesteuerten Großanlagen bietet sein Unternehmen auch Kleinstanlagen an, auch für Privatpersonen. „Wir haben Rohrpostanlagen für größere Anwesen installiert, um Zeitungen oder Post vom Eingang direkt ins Haus zu transportieren“, so der dreifache Familienvater.

Im nahen Grenzbereich aktiv
Als Einzugsgebiet gibt Marcel Onder an: „Standardmäßig zählt alles dazu, was in gut drei Autostunden erreichbar ist. „Das macht für mich Sinn, da Service und Instandhaltung zu unseren Stärken gehören.“ Neben Vorarlberg ist Onder Rohrpost auch im grenznahen Bereich in Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein tätig.

Gute Auftragslage
Mit der Auftragslage ist der Firmenbesitzer zufrieden. „Dass die Wirtschaft derzeit schwächelt, merke ich schon. Aber es gibt viele andere Anwendungsgebiete für die Rohrpost. In den letzten Jahren haben die Aufträge jedenfalls zugenommen. Da spielt auch zum Teil die Coronazeit, als es hieß, Abstand halten, mit.“
Ein Tüftler
Getränke per Rohrpost vom Keller in den Garten: Marcel Onder ist ein Tüftler und Bastler und hat sich in seinem Eigenheim eine spezielle Rohrpost eingerichtet. Aus einem großen Kühlschrank im Keller kann er sich über eine App per Handy die kühlen Drinks direkt in den Garten liefern lassen. „Die Getränke werden von einem Roboter aus dem Kühlschrank geholt und in die Rohrpostanlage eingespeist, die dann bei mir im Freien landen“, so Onder, der die Anlage komplett in Eigenregie konstruiert hat. „Alle, die das gesehen haben, wollen so eine Anlage auch bei sich zu Hause. Ich habe das System für eventuelle spätere Aufträge für Spitäler und Apotheken konstruiert.“ Seine Getränke-Anlage sei ein Testlauf.
„Noch ist das Ganze aber sehr kostspielig. Ich bin aber dran, alles für weniger Geld anbieten zu können“, so Onder, der sich die Konstruktion patentieren lässt und zukünftig auch vermarkten will.