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Gummistiefel, Krisen, Nachfolger und Pläne

21.03.2025 • 19:07 Uhr
Gummistiefel, Krisen, Nachfolger und Pläne
Zwölf Jahre Bürgermeisterin der Stadt Dornbirn: Andrea Kaufmann. Hartinger

Andrea Kaufmann prägte Dornbirn über ein Jahrzehnt lang als Bürgermeisterin. Im Interview zieht sie Bilanz und spricht über bewegende Momente, Herausforderungen sowie die anstehende Stichwahl um ihre Nachfolge. Auch die ÖVP ist ein Thema.

Sie haben Dornbirn seit Mai 2013 als Bürgermeisterin geprägt. Was waren Ihre größten Erfolge?
Andrea Kaufmann: Es war mir immer wichtig, Dornbirn als lebenswerte Stadt weiterzuentwickeln und das Zusammenleben aller Generationen bestmöglich zu gestalten. Die Menschen leben gerne hier, und die Lebensqualität ist sehr hoch. Diese starke Identifikation mit unserer Stadt kommt nicht von selbst – wir haben da gemeinsam vieles richtig gemacht.

Gab es Projekte, die Sie gerne noch umgesetzt hätten?
Kaufmann: Der Badesee war eine Herzensangelegenheit, die ich sehr gerne realisiert hätte. Leider war der Standort aus geologischen Gründen nicht geeignet. Dennoch war es richtig, diese Idee aufzugreifen – vielleicht gelingt sie ja an einem anderen Ort. Auch die Markthalle, die nun passenderweise „Genusshalle“ genannt wird, wird weiterverfolgt und nimmt bereits konkrete Formen an. Die Planung ist schon weit fortgeschritten.

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Andrea Kaufmann schließt nun die Tür zum Bürgermeisterzimmer im Rathaus.
Klaus Hartinger

Was waren die größten Herausforderungen in Ihrer Amtszeit?
Kaufmann: Mehrere Krisen in kurzer Zeit – von der Pandemie über die Energiekrise bis hin zur Teuerung und geopolitischen Unsicherheiten – haben uns stark gefordert. Hinzu kamen 2020 eine Explosion in einer Schule und ein Brückeneinsturz – alles Beinahe-Katastrophen. Zum Glück blieb es bei Sachschäden, niemand wurde verletzt.

Sie waren die erste Bürgermeisterin in der Messestadt. Vor- oder Nachteil?
Kaufmann: Weder noch. Die Herausforderungen sind für alle gleich. Um an der Spitze einer Stadt mit über 2300 Mitarbeitenden zu stehen, braucht es Führungsstärke und gleichzeitig hohe Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit. Man ist nah an den Menschen – und für diese Aufgabe braucht es auch große Leidenschaft.

Zur Person

Name: Andrea Kaufmann
Geboren: 19. März 1969 in Dornbirn
Familienstand: Verheiratet, vier Kinder
Bürgermeisterin in Dornbirn: Seit 2013
Politische Stationen: Stadträtin in Dornbirn, Landesrätin, Bürgermeisterin in Dornbirn, Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes
Hobbys: Sport, Musik

Gibt es einen Moment aus Ihrer Amtszeit, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Kaufmann: Zwei Stunden nach meiner Angelobung musste ich bereits in Gummistiefel schlüpfen – wegen eines Hangrutsches. Das war ein sehr spezieller Moment und ein direkter, intensiver Einstieg in das Amt.

Wie haben sich die Anforderungen an eine Bürgermeisterin in den letzten Jahren verändert?
Kaufmann: Das Amt ist schneller und komplexer geworden. Auch die Erwartungen der Bevölkerung sind gestiegen. Durch die ständige Erreichbarkeit wird es zunehmend schwierig, Beruf und Privatleben zu trennen. Krisenmanagement ist heute fixer Bestandteil des Jobs. Eine Bürgermeisterin muss nicht nur gestalten, sondern auch in schwierigen Zeiten Orientierung geben und rasch Entscheidungen treffen. Trotzdem ist es eine der schönsten Aufgaben der Welt.

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Andrea Kaufmann im Gespräch mit der NEUE. Hartinger

Wann haben Sie sich entschieden, nicht mehr anzutreten – und was hat Sie dazu bewogen?
Kaufmann: Vor rund zwei Jahren habe ich begonnen, darüber nachzudenken. Verantwortung bedeutet auch, rechtzeitig für eine gute Nachfolge zu sorgen. Für mich ist Julian Fässler der absolute Wunschkandidat – und glücklicherweise hat er zugesagt. Er bringt alles mit, um Dornbirn gut in die Zukunft zu führen.

Ihr Nachfolger ist noch nicht bestimmt. Erstmals kommt es in Dornbirn zu einer Stichwahl um das Bürgermeisteramt zwischen Julian Fässler (ÖVP) und Markus Fäßler (SPÖ). Überraschend?
Kaufmann: Nein, bei sechs Kandidaten war das zu erwarten. Julian Fässler geht mit einem klaren Vorsprung in die Stichwahl – aber jede Stimme zählt. Ich hoffe, viele Dornbirnerinnen und Dornbirner nutzen die Chance, mitzuentscheiden. Es ist nicht egal, wer an der Spitze unserer Stadt steht.

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Was sind wichtige Voraussetzungen für das Amt?
Kaufmann: Viele glauben, der Bürgermeisterjob bestehe daraus, hie und da eine Veranstaltung zu eröffnen, ein paar Sitzungen zu leiten und Geburtstagsglückwünsche zu überbringen. Aber 80 bis 90 Prozent der Arbeit sind knallharte Führungsarbeit. Wir sind ein großes Unternehmen mit rund 2400 Mitarbeitern, verwalten mehrere Betriebe, dazu das Stadtspital. Diese Organisation muss auch weiterentwickelt werden – inhaltlich, finanziell, strukturell und in Kooperationen. Dafür braucht es Entscheidungsstärke und Erfahrung in der Mitarbeiterführung. Zudem ist auch Bürgernähe gefragt. Man muss mit den Menschen ins Gespräch kommen, über alle Generationen hinweg.

Die ÖVP musste bei der Bürgermeister- und Gemeindewahl in Dornbirn starke Verluste hinnehmen.
Kaufmann: Der Trend geht aktuell gegen Parteien mit klaren Mehrheiten – das beobachten wir überall. Trotzdem bleibt die Dornbirner Volkspartei die stärkste Kraft mit einem klaren Auftrag, die Stadt positiv weiterzuentwickeln.

Abgesehen von Bludenz verlor die ÖVP auch in den Städten Bregenz, Feldkirch und Hohenems. Hat sich das Wahlverhalten verändert?
Kaufmann: Ja, das hat es. Während es früher eine stabile Stammwählerschaft gab, dominieren heute Wechselwähler. Jede Wahl wird zu einem offenen Wettkampf. Regierungsparteien verlieren dabei oft an Zustimmung, während Oppositionsparteien Kritik üben können, ohne Verantwortung tragen zu müssen. Entscheidungen in Regierungsverantwortung sind oft umstritten, da volle Zustimmung selten möglich ist. Und: Persönlichkeiten zählen heute mehr als Parteizugehörigkeit – besonders auf Gemeindeebene.

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Das Rathaus Dornbirn. Hartinger

Seit November 2020 sind Sie auch Präsidentin des Vorarlberger Gemeindeverbandes. Auch dieses Amt, das Sie als erste Frau übernommen haben, geben Sie nun ab. Wie lautet Ihr Resümee?
Kaufmann: Es war eine spannende und intensive Zeit – vor allem auch durch meine zusätzliche Funktion im Österreichischen Gemeindebund und die Verhandlungen zum Finanzausgleich. Ich habe diese Aufgabe mit großem Engagement übernommen und hoffe, die Städte und Gemeinden gut vertreten zu haben.

Wie steht es um die Finanzlage der Gemeinden?
Kaufmann: Viele Gemeinden – auch die Stadt Dornbirn – stehen unter finanziellem Druck, weil ihre Einnahmen stark von der gesamtwirtschaftlichen Lage abhängen. Die Budgets sind heuer und wohl auch nächstes Jahr sehr knapp, Investitionen müssen daher gut überlegt sein. Solange Kredite Vermögenswerte wie Liegenschaften finanzieren, ist das vertretbar. Problematisch wird es aber, wenn der laufende Betrieb über Schulden gedeckt werden muss. Einige Gemeinden in Vorarlberg, vor allem kleinere, sind bereits in einer kritischen Lage – Dornbirn zum Glück noch nicht.

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2013 übernahm Andrea Kaufmann das Bürgermeisteramt von Wolfgang Rümmele. Archiv

Bleiben Sie auch in Zukunft politisch aktiv?
Kaufmann: Ich war immer ein politischer Mensch und werde es natürlich auch bleiben. Eine politische Funktion strebe ich aber nicht mehr an.

Wie sehen Ihre beruflichen Pläne aus?
Kaufmann: Bis Mitte Mai dieses Jahres bin ich noch im Vorarlberger Gemeindeverband aktiv. Danach gönne ich mir eine kurze Auszeit und freue mich auf mehr Zeit mit meiner Familie. Sie hat mich immer unterstützt, kam aber oft zu kurz. In Zukunft möchte ich meine Erfahrungen aus den letzten 30 Jahren sinnvoll weitergeben. Erste Ideen habe ich schon – Details sind aber noch offen.