Politbeben in Dornbirn oder “rote Punkte im schwarzen Meer”

Das Dornbirner Rathaus unter einem roten Bürgermeister – eine Sensation, die möglicherweise keine so große Überraschung war, wenn man sich gewisse Vorzeichen betrachtet – ein Kommentar.
Vor fast genau einem Jahr feierte der Vorarlberger Hof sein 100-jähriges Bestehen. Das Traditionshaus im Zentrum von Dornbirn gilt als die Wiege der Vorarlberger Sozialdemokratie und wurde von den beiden Historikern Reinhard Mittersteiner und Werner Bundschuh als “roter Punkt im schwarzen Meer” beschrieben. Aktuell wird das historische Gebäude abgerissen und neu aufgebaut, kein Stein bleibt auf dem anderen. Mit diesen Worten könnte man auch das Politbeben in der größten Stadt Vorarlbergs beschreiben. Denn mit Markus Fäßler der sich in der Bürgermeister-Stichwahl gegen Julian Fässler von der Volkspartei deutlich durchsetzen konnte, regiert zum ersten Mal seit 1945 ein Sozialdemokrat in Dornbirn.
Eine politische Sensation, die – wenn man sich den Wahlkampf der beiden Kandidaten genauer betrachtet – eigentlich gar nicht so unerwartet kam. Offenbar war sich die Dornbirner Volkspartei ihrer Vormachtstellung zu sicher, der junge Nachfolger von Andrea Kaufmann präsentierte sich gewohnt souverän und im Wahlkampf als erfahrene Führungskraft. Das Amt des Bürgermeisters in einer Stadt wie Dornbirn bedürfe einer starken Persönlichkeit, die Management-Qualitäten wurden in den Fokus gerückt. Vielleicht orientierte sich der ehemalige JVP-Obmann und Ex-Landtagsabgeordnete zu stark am Stil von Andrea Kaufmann, die für ihre klar definierte, strikte, von der Opposition aber gerne als abgehoben kritisierte, Führungsphilosophie bekannt war.
Möglicherweise war genau dieser Ansatz der falsche. Denn offenbar möchten die Dornbirnerinnen und Dornbirner keine Führung, die sich zu weit von den Agenden des sogenannten kleinen Mannes entfernt und vom Rathausbalkon von oben herab auf den Marktplatz blickt.

Bürgermeister für alle – mit diesem Slogan punktete bereits Michael Ritsch in Bregenz und wies damit seinen Herausforderer Roland Frühstück schon im ersten Wahlgang in die Schranken. Diesen Dornbirner Bürgermeister für alle sehen die Wählerinnen und Wähler offensichtlich in Markus Fäßler – ein umgänglicher und bodenständiger Typ, aufgewachsen im Hatlerdorf. Einer, der es versteht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und ein offenes Ohr für die Probleme der Bewohner in der Messestadt hat. Egal, ob in Kehlegg, Mühlebach oder Haselstauden, in seiner Funktion als Stadtrat für Tiefbau oder Wasserwirtschaft, hat er das Fundament und den Unterbau von Dornbirn kennengelernt. Eigentlich undenkbar, aber der gelernte Schlosser hat es augenscheinlich geschafft, sogar jene von sich zu überzeugen, die im ersten Wahlgang der FPÖ einen 20-Prozent-Erfolg bescherten. Und damit der Dornbirner Volkspartei, die trotzdem die stimmenstärkste Fraktion bleibt, eine herbe Niederlage zugefügt.
In der NEUE-Stichwahlserie formulierte Julian Fässler die Antwort auf die Frage, ob er als Vizebürgermeister zur Verfügung stehen würde, mit klaren Worten: Er sei angetreten, um die Wahl zu gewinnen. Und nur wenige Stunden nach dem Ergebnis zeigte sich der Christdemokrat konsequent und verkündete seinen überraschenden Rückzug aus sämtlichen politischen Funktionen.
Nach Bregenz verliert die ÖVP nun auch Dornbirn und auch in Hard darf Martin Staudinger weiter im Rathaus regieren – man darf gespannt sein, wie Landeshauptmann und Parteiobmann Markus Wallner reagieren wird. Der Kurs des Kapitäns stimmt offenbar nicht mehr, dass sich der Kompass zumindest in Lustenau noch auf Patrick Wiedl ausgerichtet hat, dürfte nur ein geringer Trost sein. Und die Vorarlberger Volkspartei muss aufpassen, dass auf der politischen Landkarte keine weiteren “roten Punkte im schwarzen Meer” auftauchen.
(NEUE Vorarlberger Tageszeitung)