Reutte unter den Sternen

Der Planetenweg in Reutte in Tirol wurde kürzlich um vier Stationen erweitert. Unter anderem werden die astronomischen Leistungen von Anton Maria Schyrle gewürdigt.
Von Robert Seeberger
neue-redaktion@neue.at
Es ist beachtlich, was die Stadt Reutte in Tirol astronomisch zu bieten hat. Im Anschluss an einen Vortrag über den Mond machte mich eine Besucherin auf einen historisch bedeutenden, aber vielfach in Vergessenheit geratenen Mondforscher aus Tirol aufmerksam. Anton Maria Schyrle wurde 1604 in Reutte geboren. Sein Namenszusatz „de Rheita“ verrät, dass er aus Reutte stammt. Schyrles Bedeutung verschaffte Reutte zwei Nennungen auf dem Mond. Auf der Südhälfte des Mondes befindet sich das Rheita-Tal. Gerade jetzt, am vierten und fünften Tag nach Vollmond, ist es besonders gut zu beobachten. Zur Suche ist natürlich eine Mondkarte hilfreich. Rheita ist eines von nur elf auf dem Mond benannten Tälern. Es ist 500 Kilometer lang und bis zu 30 Kilometer breit. Man könnte es als Pseudotal bezeichnen, denn es ist nicht durch fließendes Wasser entstanden, sondern ist eine Aneinanderreihung von zirka zehn Kratern, die ineinander übergehen und so ein Tal bilden. Die Einschlagkrater sind vermutlich Gesteinsbrocken, die beim Rieseneinschlag, der das weiter südlich liegende Nektarmeer formte, herausgeschleudert wurden. Es ist das größte Tal auf der erdzugewandten Seite des Mondes. Im Norden anschließend liegt ein Krater mit 70 Kilometern Durchmesser und 4000 Meter Tiefe. Vom ebenfalls nach Reutte benannten Krater Rheita erhebt sich in der Mitte ein schöner Zentralberg. Diese Formationen entstehen, wenn beim Einschlag das Gestein flüssig wird, hoch blubbert und dann zu einem Berg erstarrt.

Anton Maria Schyrle
Die Doppelnennung von Rheita auf dem Mond würdigt die Bedeutung von Schyrle als einen der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit. Er studierte Mathematik, Astronomie und Optik zwischen 1623 und 1626 in Ingolstadt. Er schliff selbst Linsen und ordnete sie zu neuartigen Teleskopen an. Schyrle trat 1627 dem Kapuzinerorden bei und erhielt dabei den Namenszusatz „de Rheita“. Das Fernrohr wurde erstmals um 1609/1610 von Galilei zur Beobachtung von Himmelsobjekten eingesetzt und brachte herausragende neue Erkenntnisse. Sein Fernrohr bestand aus einer Konkav- und einer Konvexlinse. Schyrle war ein Pionier der Fernrohrkonstruktion und setzte dabei bis zu vier konvexe Linsen ein. In seinem Hauptwerk „Oculus Enoch et Eliae“ stellte er 1645 sein binokulares Teleskop, ein Vorläufer moderner Ferngläser, vor. Die heute in der Optik üblichen Begriffe Objektiv und Okular gehen auf Schyrle zurück. Er stellte Fernrohre fast serienmäßig her. Das Fernrohr mit drei Konvexlinsen lieferte ein aufrecht stehendes Bild. Es fand in England und Frankreich weite Verbreitung. Schyrles verbessertes Teleskop bestätigte das damals neue Weltbild, das von der Kirche noch nicht akzeptiert wurde. Er verbrachte daher seine letzten Lebensjahre in Ravenna, wohin er vom Papst verbannt wurde.

Der Planetenweg
Im Museum „Grünes Haus“ in Reute ist unter anderem das Originalwerk von Schyrle ausgestellt. Vor dem Museum startet der Planetenweg im Maßstab eins zu 2,55 Milliarden. Vor zwei Wochen wurden vier neue Zwischenstationen über Zeitmessung, Sternbilder, Raketen und über Schyrle eröffnet.
Die Station über Raketen widmet sich dem Raketenpionier Wernher von Braun, der am 2. Mai 1945 von amerikanischen Truppen in der Südtiroler Siedlung in Reutte (der Planetenweg führt direkt daran vorbei) in Gewahrsam genommen wurde. In Amerika setze er seine Karriere als Raketenentwickler für die Raumfahrt fort. Reutte kam ab 2002 in den Fokus von Meteoritensuchern. Denn am 6. April 2002 stürzten Gesteinsbrocken im bayrisch tirolerischen Grenzgebiet vom Himmel. Einer davon wurde auf dem Gemeindegebiet von Reutte gefunden.