Von Tracht und Tanz: Bregenzer Städtetracht

Über Landesgrenzen und Kulturen hinweg steht der Bregenzer Trachtenverein für ein gelebtes Miteinander und verbindet mit Tanz und Musik nicht nur Vergangenheit und Gegenwart.
Von Christine Moosmann-Hämmerle
neue-redaktion@neue.at
Im kommenden Jahr feiert der Trachtenverein Bregenz sein 80-jähriges Bestehen. Im Rahmen einer Tanzgruppe, einer Musikgruppe und einer Kindergruppe werden traditionelle Volkstänze sowie -musik gelebt und die Bregenzer Städtetracht bewahrt. Die Bregenzer Trachtengruppe wird von einem Dreierteam geleitet, derzeit bilden Erika Gobbi, Carmen Vallazza und Gunnar Vogel das Obteam. Ihnen ist es ein Anliegen, dass das Brauchtum weiterhin gepflegt und präsentiert wird, und dass es auch für zukünftige Generationen erhalten bleibt.

Die Patriziertracht von Bregenz
Die historische Bregenzer Städtetracht entwickelte sich vom Mittelalter bis in die Biedermeierzeit um 1810 und wurde seither kaum mehr verändert. Sie gilt als die Patriziertracht der gehobenen Kaufleute. Das wertvollste Teil und zugleich Herzstück der Frauentracht ist der meist goldene Kopfschmuck: die Radhaube. Sie wird auch Bodensee-Radhaube genannt und ist in unterschiedlichen Ausführungen im ganzen Bodenseeraum verbreitet. 2010 wurde die Herstellung der Radhaube in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. In Handarbeit werden aus vergoldeten oder versilberten Metallfäden kunstvolle Ornamente auf einem Drahtgestell angebracht. „Die Herstellung der Haube ist deshalb so aufwendig, weil die Haube von beiden Seiten eingesehen werden kann. Wie bei einer Klöppelarbeit muss sie von beiden Seiten in der gleichen Qualität gemacht werden“, erklärt Carmen Vallazza.

Radhaube als Herzstück der Frauentracht
Die Hauben entwickelten sich seit dem 17. Jahrhundert. Ursprünglich hatten sie das markante Rad noch nicht, es kam erst über die Jahre dazu. Speziell bei der Städtetracht wurde es immer größer, denn es war ein Zeichen von Wohlstand. Die Ornamente der Haube stellen unterschiedliche Motive dar. Früher war es üblich, dass innerhalb einer Familie alle Hauben das gleiche Muster trugen. Zu finden sind vor allem florale und tierische Ornamente wie Rosen, Tulpen oder Schmetterlinge. Etwa 400 Arbeitsstunden stecken in der Anfertigung einer Radhaube. Etwa vierzig Jahre lang galt das Wissen um die Herstellung der Radhaube hierzulande als verloren.

Michael Selb von der Trachtengruppe Feldkirch ist es zu verdanken, dass diese kunstvolle Kopfbedeckung wieder in Vorarlberg angefertigt wird. In jahrelanger Arbeit und Recherche eignete er sich das Kunsthandwerk wieder an. Es gibt außerdem einige wenige Haubenmacherinnen im süddeutschen Raum, in Italien und der Schweiz. „Besonders wertvoll für uns ist, dass dieses Kunsthandwerk auch wieder in Vorarlberg ist“, meint Carmen Vallazza.
Männertracht mit Gehrock und Zylinder
Bei der historischen Bregenzer Männertracht sind Gehrock und Zylinder die markantesten Details. Die Stoffe der Kleidungsstücke sind bei Frauen und Männern in gedeckten Farben gehalten, und oftmals mit einem kleinen Muster versehen. „Eine Tracht ist keine Uniform. Trachten sollen zueinander passen, aber die individuellen Vorlieben sollen ausgedrückt werden“, erklärt Gunnar Vogel.

Die historische Tracht wird bei Auftritten mit der Volkstanzgruppe oder zu kirchlichen Anlässen getragen, die bequemere Volkstracht zu Tanzveranstaltungen und Festen. Auch er fand über den Volkstanz den Weg zum Trachtenverein. Der Feldkircher sieht im Tanzen eine Möglichkeit, andere kennenzulernen und über die Generationen und Kulturen hinaus gemeinsam etwas zu unternehmen.
Tanz, Musik und gelebte Gemeinschaft
Für so manches Mitglied ist die Trachtengruppe wie eine Familie. In der Tanzgruppe sind alle willkommen, die Freude am Tanzen haben. Eine Tracht zu besitzen ist keine Voraussetzung. Für gemeinsame Auftritte wird diese vom Verein gestellt. Der Tanzleiter trägt gerne Tracht und meint: „Wenn man die Tracht trägt, löst das bei vielen Menschen ein freundliches Lächeln aus. Außerdem hat die Tracht den Vorteil, dass sie immer gut aussieht. Sie wirkt immer und das ist schön.“
Im Trachtenverein Bregenz wird nicht nur getanzt und musiziert, die Mitglieder nehmen an zahlreichen Veranstaltungen und Projekten teil. Jährliche Fixpunkte sind die Veranstaltung „Musik unter dem Martinsturm“ und die Eröffnungsfeier der Bregenzer Festspiele.

Internationale Begegnungen
Auch über die Landesgrenzen hinaus ist der Verein aktiv. Dieses Jahr führte eine Reise mit dem Vorarlberger Landestrachtenverband zum deutschen Trachtenfest in Wangen, das im Rahmen der Landesgartenschau stattfand. Dass Tradition auch mit zeitgenössischer Kunst harmonieren kann, zeigt eine Straßenparade des Trachtenvereins zusammen mit der italienischen Künstlerin Marinella Senatore.
Besonders bewegend war der Austausch mit einer Gruppe aus der ukrainischen Partnerstadt Jaremtsche im vergangenen Jahr. Der gemeinsame Tanzauftritt mit Kindern in ukrainischer Tracht war für viele Besucher ein Erlebnis, das sie zu Tränen rührte. Mit einer tschetschenischen Gruppe wurde vom Amt für Migration und Integration der Stadt Bregenz ein Integrationsabend veranstaltet, bei dem Tänze vorgeführt wurden. „Ich glaube, dass wir auch durch diesen Tanzauftritt einen wertvollen Beitrag zur Integration leisten konnten. Für dieses Miteinander. Das war etwas sehr Schönes“, erinnert sich Carmen Vallazza.