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Evangeliumkommentar: Gott ist kein Viehhändler

08.11.2025 • 10:00 Uhr
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Die Lateranbasilika in Rom – am Weihetag erinnert das Evangelium daran, dass Gottes Haus ein Ort der Begegnung ist, nicht des Handels. AFP

In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Jakob Geier, Kaplan im Seelsorgeraum Bludenz.

Heute ist der Weihetag der Lateranbasilika

Am 9. November feiert die katholische Kirche weltweit die Weihe der Lateranbasilika in Rom. Sie ist die älteste Papstbasilika und trägt den Titel „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises“. Geweiht wurde sie im Jahr 324 nach Christus unter Kaiser Konstantin. Der Gedenktag erinnert daran, dass Kirchen mehr sind als Bauwerke – sie sind Orte der Begegnung zwischen Gott und Mensch. Eine Botschaft, die auch im heutigen Evangelium zur Sprache kommt.

Sonntagsevangelium

Das Pas-chafest der Juden war nahe und Jesus zog nach Jerusalem hinauf. Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern; das Geld der Wechsler schüttete er aus, ihre Tische stieß er um und zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle! Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren. Da ergriffen die Juden das Wort und sagten zu ihm: Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst? Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten. Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten? Er aber meinte den Tempel seines Leibes. Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte. Johannes 2,13-22

Gott ist kein Viehhändler

„Wissen Sie, Herr Kaplan, mit Gott treibt man keinen Handel“, sagte eine betagte Frau zu mir, es war kurz vor ihrem Sterben. „Ich habe seit Kindertagen versucht, als guter und frommer Mensch mit Gott mein Leben zu meistern. Das ist mir nicht immer, aber doch über weite Strecken gelungen. Und jetzt geht’s dem Ende zu. Aber der Herrgott kennt mich – da muss ich nichts mehr aushandeln. Es ist, was es ist.“

Mich erinnert diese Begebenheit unwillkürlich an das Gesellschaftsspiel „Kuhhandel“, das wir als Kinder manchmal gespielt haben. Die Spielkarten waren Tiere, von denen es jeweils ein Quartett zu ergattern galt – und so musste man eben zu handeln beginnen: Ich gebe dir und du gibst mir. Da galt es manchmal unwillig einzustecken und dann gelang es ab und an, den wertlosen Gockel gegen eine prächtige Kuh einzutauschen. (Vor diesem Hintergrund war ich nicht immer glücklich, wenn sich auf unserem Bauernhof zu Hause der Viehhändler anmeldete …)

Auch bei Jesus hielten sich die Glücksgefühle in Grenzen, als er sah, was die Menschen im Jerusalemer Tempel an Handelsgeschäften veranstalteten. Es ist vermutlich eine der emotionalsten Bibelstellen, die uns von Jesus berichtet wird. Das wird vor allem verständlich, wenn man die Pointe am Ende des Evangeliums im Blick behält: denn es geht hier für Jesus wahrlich um Leben und Tod. Jesus sieht im Tempel ja ein Bild für sich selbst. Der Tempel ist der Ort der Beziehung des Menschen zu Gott, der Ort des Glaubens, der Ort, an dem sich Himmel und Erde berühren. Diese Beziehung, für die der Tempel steht, muss gepflegt werden wie ein zierliches Pflänzchen, wie eine Freundschaft, wie echte Liebe. Es handelt sich um einen heiligen Ort. Hier treibt man keinen Handel: Ich gebe dir und du gibst mir. Hier zählt nur das bedingungslose Vertrauen, die ehrliche Zuwendung.

In Jesus ist die Beziehung zwischen Gott uns Mensch unvergleichlich Wirklichkeit geworden: Er ist wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich, so wurde es auf einem Konzil im fünften Jahrhundert für uns Christen formuliert. Wer sich Gott anvertraut, wer ihn liebt, ihm vertraut, sich ihm zuwendet, der wird gerettet – ganz ohne Handel. Und dann gilt für unseren Glauben und für unser Leben, was die betagte Frau vor ihrem Sterben sagte und auch Erich Fried in seinem bekannten Gedicht formulierte: „Es ist lächerlich, sagt der Stolz. Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht. Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung. Es ist, was es ist, sagt die Liebe.“ Weniger nicht.