Von Glanzleinen und Stickerei in der Juppenwerkstatt

In der Juppenwerkstatt in Lingenau fertigt Irmgard Schwärzler Bregenzerwälder Frauentrachten an und bewahrt die Tradition für künftige Generationen.
Von Christine Moosmann-Hämmerle
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Irmgard Schwärzler ist Juppennäherin. Seit 25 Jahren schneidert die gebürtige Langeneggerin das traditionelle Kleidungsstück aus dem Bregenzerwald und hat in ihrem Atelier bereits über 500 Juppen genäht. Begonnen hat alles mit einem einjährigen Kurs, in dem die gelernte Schneiderin das Anfertigen der Juppe erlernte. Bis dahin, erzählt sie, habe sie nicht so viel mit der Tracht zu tun gehabt. Nach dem Kurs schneiderte sie ihre erste Tracht selbst und richtete zu Hause eine Juppennäherei ein. „Eigentlich könnte ich schon in Pension sein, doch die Arbeit macht mir nach wie vor Freude. Und die Nachfrage ist groß. Derzeit bin ich das ganze Jahr ausgebucht“, erzählt die Schneiderin. Sie ist damit eine von nur fünf verbliebenen Juppennäherinnen im Bregenzerwald.

Seit 2021 sind die Herstellung und das Tragen der Frauentracht im nationalen Verzeichnis des immateriellen Unesco-Kulturerbes. Für eine vollständige Bregenzerwälder Frauentracht arbeiten mehrere Kunsthandwerkerinnen zusammen: Stickerinnen, Knüpferinnen, Schneiderinnen und Hutmacherinnen. Während die ursprüngliche braune Juppe aus Wollstoff bestand, wurde die schwarze Tracht traditionell aus Glanzleinen gefertigt. Das Glanzleinen wird nach wie vor in der Juppenwerkstatt Riefensberg hergestellt. Seit einigen Jahren werden Juppen auch aus Trevira angefertigt. Der Stoff glänzt weniger, ist weicher und bietet mehr Bewegungsfreiheit. Auch bleiben die Falten selbst bei längerem Sitzen intakt. Irmgard Schwärzler fertigt Juppen aus beiden Stoffen an.

Ein unverkennbares Merkmal der Juppe ist das blaue Saumband. Ergänzt wird die Juppe mit Seiden- oder Baumwollblusen. Die Motive der Stickerei auf Fürtuch und Band sind Blumen oder Blätter. Jede Frau kann sich das Muster für die Stickerei auf ihrer Tracht selbst aussuchen, was jede Tracht zum individuellen Einzelstück macht. Alle diese Kunsthandwerke werden von Frauen in verschiedenen Gemeinden des Bregenzerwaldes gefertigt. Schwarzenberg gilt als Hochburg der Trachtenstickerei. Etwa 300 Arbeitsstunden stecken allein in der Stickerei. Zur Juppe gehören außerdem Unterrock, Bluse und Schürze sowie die passende Kopfbedeckung.

Jede Juppe ein Unikat
Auch wenn die Juppen nach historischem Vorbild gefertigt werden, gibt es für die Näherinnen eine gewisse Gestaltungsfreiheit bei den Blusen. Sie werden je nach Geschmack und Jahreszeit aus wärmeren oder luftigeren Stoffen angefertigt. Wichtig ist dabei, dass sie farblich zu den Stickereien passen. „Die Juppe war früher auch schon der Mode unterworfen und man muss auch das Praktische im Blick behalten“, erklärt Irmgard Schwärzler. Die Tracht gehört für viele Bregenzerwälderinnen zum Leben und wird auch heutzutage zu zahlreichen Gelegenheiten getragen. Dazu gehören Ereignisse wie Hochzeiten, Geburtstage, Erstkommunion und andere kirchliche Feiertage. Manche junge Frau würde sich ihre erste Juppe zur Sponsion leisten, erzählt die Trachtenschneiderin.
Für Irmgard Schwärzler ist die Juppe auch abseits ihrer Werkstatt ein Teil des Lebens: „Ich trage die Tracht häufig. Für mich bedeutet sie, verwurzelt zu sein. Wenn ich die Tracht trage, dann fühle ich mich einfach wohl und geerdet.“ Sie wünscht sich, dass die Bregenzerwälder Tracht auch in Zukunft getragen wird. Deshalb engagiert sie sich neben ihrer Arbeit in der Näherei im Verein „iNTRACHT“. Sie ist Vizeobfrau des Vereins, der rund 200 Mitglieder zählt. Einige der Frauen nähen, sticken oder knüpfen selbst. Der Verein setzt sich dafür ein, dass die Bregenzerwälder Tracht erhalten bleibt und auch getragen wird. Dazu gehört auch die Beratung junger Frauen, die sich erstmals eine Juppe anschaffen, gemeinsame Ausflüge in Tracht und die Veranstaltung des sogenannten „Juppomärtle“ – einer Plattform für den Kauf und Verkauf von Juppen und deren Zubehör.

Gefragt ist auch der Kindertrachtenverleih, denn „die Kinder ziehen die Tracht gerne an“, wie Irmgard Schwärzler von ihren eigenen Enkelkindern weiß. Der Verein veranstaltet Kurse rund um die Tracht, in denen altes Wissen weitergegeben wird. Irmgard Schwärzler unterrichtet das Nähen von Ärmeln und Unterröcken: „Wir müssen darauf achten, dass das Handwerk auch weitergeht. Das ist eine große Aufgabe.“ Dabei würde sie sich noch mehr Interessentinnen wünschen, die dann auch die Kleidungsstücke für andere nähen und deren Fortbestand sichern. Wissenswertes zur Bregenzerwälder Frauentracht erfahren Interessierte in der Broschüre „Die Juppe“, die der Verein herausgegeben hat. Erklärungen zu den einzelnen Kleidungsstücken und ihrer Kombination finden sich darin genauso wie passende Flechtfrisuren und praktische Tipps zur Pflege der empfindlichen Teile.

Wissen weitergeben
Nicht nur ihr Wissen, auch die Begeisterung für die Tracht, möchte die Lingenauerin weitergeben: „Bei der Tracht ist es nicht die Weitergabe der Asche, sondern die Weitergabe der Glut – nicht das Vergangene, sondern das Lebendige muss weitergegeben werden, damit man das Feuer weiter entfachen kann.“ Dafür, dass dieser Feuer im Bregenzerwald weiterhin brennt, setzt sie sich ein.