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Evangeliumkommentar: Zeichen der Zeit erkennen

20.12.2025 • 09:00 Uhr
Evangeliumkommentar: Zeichen der Zeit erkennen
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In unseren wöchentlichen Evangelienkommentaren geben Geistliche, Religionslehrerinnen, Theologinnen und andere ihre Gedanken zum Sonntagsevangelium weiter. Heute mit Katharina Weiss, Schriftleitung „Dein Wort – Mein Weg“.

Sonntasgevangelium

Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, dass sie ein Kind erwartete – durch das Wirken des Heiligen Geistes. Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen. Während er noch darüber nachdachte, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen. Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben – das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Matthäus 1,18–24

Zeichen der Zeit erkennen

Die Worte des Engels, der Josef erscheint, machen eines deutlich: Der Gott des Alten und Neuen Testaments ist ein und derselbe. Der gleiche Gott der Hinwendung zu den notleidenden Menschen, der gleiche Gott, der eingreift und Chancen eröffnet, Menschen beisteht und unebene Wege gerade macht. Es ist jener Gott, der Abraham und Sara durch die Geburt eines Sohnes ein sicheres Altern ermöglicht und die kinderlose Sara aus der gesellschaftlichen Verbannung erlöst. Jesus hätte als Kind ohne Vater als Mamser – als Schandfleck – gegolten. Diese Bezeichnung galt unter anderem für Kinder aus ehebrecherischen Beziehungen, aus Vergewaltigung oder Inzest. Dieser Status war erblich. Wessen Vater oder Mutter Mamser war, galt ebenfalls als solcher. Sie führten damals ein schändliches Leben, waren Ausgestoßene, durften nur andere „Schandflecke“ heiraten. „Denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ hieß damals übersetzt: leiblicher Vater unbekannt.

Gott spricht mit Josef einen Menschen an, der Leid ersparen kann. Josef entscheidet über die Lebensqualität dieses ungeborenen Kindes. Das bedeutet aber für ihn, das Gesetz weit – wenn nicht über seine Grenzen hinaus – auszulegen, Barmherzigkeit walten zu lassen, die eigene Verletzlichkeit hintanzustellen und Hilfestellung zu geben, einen Ausweg zu bieten. Es geht um das Leben eines Menschen, der die Welt in ganz besonderer Weise verändern wird. Eltern, Großeltern, Tanten und Paten kennen diese Erfahrung: Jedes Kind verändert die Welt – wenn auch nur die ganz kleine Welt einer Familie. Sorgen sind damit verbunden, aber auch Freude und Lachen.

Josef ist das Kontrastprogramm zu „Wir haben es immer schon so gemacht“. Er macht etwas Unvorstellbares und wächst über sich hinaus. Er nimmt Maria als Frau zu sich. Josef macht das Unmögliche möglich. Er geht ein Wagnis ein – wie all jene Eltern, die zu einem behinderten Kind Ja sagen, die in schwierigen Lebenssituationen trotzdem Kindern Leben schenken. Die Erzählung zeigt, dass es nicht nur die Entscheidung der Mutter braucht, sondern auch das Umfeld eine wichtige Rolle spielt: Etwa die Zusage einer Gesellschaft an Eltern mit kranken Kindern oder an Eltern pflegender Kinder: Wir sind für euch da. Diese Zusage darf nicht ins Wanken geraten. Bei allen Sparerfordernissen muss sie spürbar bleiben. Der Heilige Josef ist der Landespatron von Vorarlberg. Seit 1955 wird er in der römisch-katholischen Kirche auch als Patron der Arbeiter verehrt. Papst Pius IX. erklärte Josef 1870 zum Schutzpatron der katholischen Kirche. Sein Gedenktag ist der 19. März – ein Tag, der – vielleicht bezeichnenderweise – immer in die Fastenzeit fällt. Was bedeutet es als Land, als Kirche, so einen Ermöglicher zum Patron zu haben? Einen, der Grenzen dehnt, wenn es die Lebensqualität eines Menschen erfordert. Einen, der Gesetze weit auslegt, wenn es um Barmherzigkeit und Mitmenschlichkeit geht.

Maurice Shourot
Katharina Weiss, Schriftleitung „Dein Wort – Mein Weg“