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Nehammer wird Kanzler

03.12.2021 • 15:07 Uhr
Nehammer
Nehammer APA/ROLAND SCHLAGER

Die ÖVP stellt sich nach Abgang von Kurz und Blümel neu auf.

Mit dem Ende der Ära Sebastian Kurz werden in der ÖVP die Karten neu gemischt. Seit neun Uhr früh tagte der ÖVP-Vorstand, dem alle Landeshauptleute wie auch Bündechefs angehören, in der politischen Akademie der ÖVP im Springer Schlössl unweit von Schönbrunn.

Sowohl Bundeskanzler Alexander Schallenberg als auch Finanzminister Gernot Blümel stellten noch am Donnerstagabend ihre Ämter zur Verfügung. Die Wiener ÖVP wird Ex-Polizeichef Karl Mahrer übernehmen. In den Vormittagsstunden wurden dann die weiteren personellen Veränderungen in der ÖVP bekannt.

Das Wichtigste in aller Kürze:

Der bisherige Innenminister Karl Nehammer wird Bundeskanzler und ÖVP-Chef.

Der bisherige Staatssekretär im Umweltministerium, Magnus Brunner, wird Finanzminister.

Der bisherige Rektor der Uni Graz, Martin Polaschek, wird Bildungs- und Wissenschaftsminister.

Die Chefin der Jungen ÖVP, Claudia Plakolm, wird Jugend-Staatssekretärin.

Der Niederösterreicher Gerhard Karner wird Innenminister.

Alexander Schallenberg wird wieder Außenminister.

Karoline Edstadler bleibt EU-Ministerin, Klaudia Tanner bleibt Verteidigungsministerin, Susanne Raab bleibt Familienministerin, Elisabeth Köstinger bleibt Landwirtschaftsministerin. Auch im Amt bleiben Arbeitsminister Martin Kocher und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck.

Vizekanzler Werner Kogler will weiterarbeiten: “Haben schon eine gewisse Routine bei Ministerwechsel.”

“Das ist für mich eine große Ehre”

Nach Abschluss der Beratungen wandte sich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an die Öffentlichkeit. “Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich heute einstimmig im Parteivorstand zum Parteichef und Vorsitzenden gewählt worden bin”, erklärte Nehammer gleich zu Beginn seines Statements. Ebenso werde er – nach Abstimmung mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen – das Kanzleramt übernehmen.

“Das ist für mich eine große Ehre, mit so einem Vertrauensvotum ausgestattet worden zu sein.” Er habe großen Respekt vor der Entscheidung von Kurz, der “den Weg für mich frei gemacht hat”. Er habe viel für die Partei geleistet, ebenso wie der nun bereits wieder abgelöste Kanzler Alexander Schallenberg. Es sei nun eine Ehre für ihn, “die neue Volkspartei anführen zu dürfen”.

Die Partei stehe für Werte, für die es auch einzustehen gelte, erklärte Nehammer. Für die Gesellschaft sei es nun vor allem angesichts der jüngsten Corona-Demos wichtig, “zusammenzustehen”. “Es ist Recht und Pflicht von uns als politisch Verantwortliche, dass wir das Virus verbannen, wo es hingehört – in eine Ecke der Republik, wo es uns nicht weiter einschränkt”. Die weitreichende Personalrochade bei der ÖVP (siehe unten) bestätigte Nehammer in seinem Statement. Diese Wechsel werde er den Bundespräsidenten vorschlagen, mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) habe man sich bereits abgestimmt. “Das ist mein Team.”

“Durchgriffsrecht bleibt”

Es sei in Zeiten einer Pandemie auch nicht die Zeit, “über Marketingfragen zu diskutieren”, antwortete Nehammer auf die Frage, ob die ÖVP türkis bleiben werde. Das von Kurz gesicherte “Durchgriffsrecht” in der Partei werde bleiben, “es gibt keine Statutenänderung”. Axel Melchior werde ihm als Generalsekretär ebenfalls erhalten bleiben.

In Sachen Pandemiebekämpfung kündigte Nehammer keine bereits absehbare Kursänderung an, man stimme sich weiterhin mit Expertinnen und Experten ab. Im Kabinett werde es “Veränderungen geben”, Näheres wollte Nehammer noch nicht sagen. “Planbar war das alles nicht, aber es ist eine großartige, taffe Herausforderung, auf die ich mich sehr freue.”

Kogler: “Haben schon Routine bei Wechsel”

Vizekanzler Werner Kogler meldete sich nach Nehammers Verkündung ebenfalls zur Regierungsumbildung zu Wort. Er gratulierte diesem zum Wechsel ins Kanzleramt, man werde weiter zusammenarbeiten. Es gebe viele Projekte im Regierungsprogramm, die man nun “vorantreiben werde”, aus “Verantwortung gegenüber der Republik”. Die Regierung sei trotz mehrfacher Wechsel in der jüngsten Vergangenheit “immer handlungsfähig” gewesen. Man dürfe nun “keine Zeit verlieren”, das neue Kabinett solle zu Beginn der kommenden Woche bereitstehen. Neuwahlen wolle er nicht ausschließen, “ich erwarte das aber nicht, weil es wichtige Dinge zu tun gibt”.

Die Personalentscheidungen der ÖVP für die anderen Ministerien wollte er nicht kommentieren. Mit Kanzler Nehammer “sehen ich eine gute Arbeitsbasis”. Und der Vizekanzler fügte mit einem kleinen Lächeln hinzu: “Die Grünen haben jetzt schon eine gewisse Routine, was Ministerwechsel betrifft”. Er verstehe aber den Wunsch, dass in der Personalsituation eine gewisse Stabilität herrschen sollte. Kurz wünschte er “alles Gute für ihn und seine Familie”.

Wilde Gerüchte

In den Abendstunden des Donnerstags machten wildeste Gerüchte in Wiener Zirkeln die Runde, wobei sich eines gegen 22 Uhr bereits abzeichnete: Es würden nicht nur Kurz und Blümel ersetzt, fast alle türkisen Regierungsmitglieder kämpften um ihr Leiberl.

Fix ist nun, dass Innenminister Karl Nehammer ins Kanzleramt einzieht. Das bestätigte zuvor auch der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gegenüber der Kleine Zeitung. „Wir haben uns am Donnerstag Abend einstimmig auf Nehammer als neuen ÖVP-Chef geeinigt. Wir müssen als ÖVP mit einem realistischen Blick in die Zukunft gehen. Wir wissen, wie es um die ÖVP steht. Wir müssen eine realistische Strategie einschlagen, wo wir nicht nach den Sternen greifen. Ich glaube nicht an Neuwahlen, wir müssen den Grünen auch Luft zum Atmen geben.“

Der Vorarlberger Staatssekretär Magnus Brunner wird Finanzminister.

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Als frühere Direktorin des niederösterreichischen Bauernbundes könnte Klaudia Tanner Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, die als engste Vertraute des ehemaligen Kanzlers und Parteichef gilt, beerben, hieß es zunächst. Köstinger bleibt jedoch im Amt, ebenso Tanner. Familienministerin bleibt Susanne Raab, Margarete Schramböck Wirtschaftsministerin.

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Niederösterreicher als Innenminister

In Bezug auf das Innenministerium machte sich die niederösterreichische Partei für Gerhard Karner stark – der aktuelle zweite Landtagspräsident war dort Pressesprecher unter Ernst Strasser und später Landesgeschäftsführer in Niederösterreich, als Nehammer dort Parteimitarbeiter war.

Über eine Überraschung berichteten als Erste die Oberösterreichischen Nachrichten: Die Obfrau der Jungen ÖVP, Claudia Plakolm, wird Staatssekretärin für Jugend. Die 26-Jährige beginnt damit einen ähnlichen Weg wie Langzeit-JVP-Chef Sebastian Kurz.

Ein Steirer für Bildung und Forschung

Eine weitere Überraschung gibt es im Bereich Bildung und Forschung: Entgegen den ursprünglichen Vermutungen wird auch Heinz Faßmann abgelöst. Neuer Bildungsminister wird der Steirer Martin Polaschek, derzeit Rektor der Karl-Franzens-Universität in Graz. Am frühen Nachmittag gab Faßmann daher seinen Rücktritt bekannt.

Martin Polaschek
Neuer Bildungsminister: Martin PolaschekAP

Alexander Schallenberg bleibt der Regierung erhalten: Er übernimmt das Außenministerium des jüngst ernannten Michael Linhart, Linhart geht als Botschafter nach Paris. Von den Rochaden unberührt bleibt Arbeitsminister Martin Kocher.

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