„Wir schauen mit gewisser Sorge auf den Herbst“

Den Trend zu billigen Lebensmitteln spüren die Biobauern im Land derzeit noch kaum.
Das Leben ist teuer geworden: Die Preise sind bei nahezu allen Produkten des täglichen Bedarfs gestiegen. Ein Ende der Spirale ist nicht wirklich in Sicht. Die daraus resultierende hohe Inflation wirkt sich auch auf das Einkaufsverhalten aus. So wird etwa bei Lebensmitteln vermehrt zu günstigeren Produkten gegriffen, wie kürzlich veröffentlichte Studien und Umfragen zeigen.
Biologische Lebensmittel können schon aufgrund ihrer Produktionsbedingungen nicht im Niedrigpreissegment angesiedelt werden. Daher ist das geänderte Einkaufsverhalten in diesem Bereich derzeit auch „ein bisschen“ spürbar, sagt Kaspar Kohler. Kohler bewirtschaftet mit seiner Familie den Felsenhof in Sulzberg und produziert Bio-Milchprodukte, vor allem Joghurt. Der Sulzberger ist zudem langjähriger Obmann von Bio Vorarlberg.
Boom während Corona
Die Nachfrage sei aber vor allem bei hochpreisigen Lebensmitteln aus konventioneller Produktion zurückgegangen, so Kohlers Eindruck. Spürbar seien die Rückgänge bzw. Stagnation aber gerade auch in Hinblick auf die vergangenen zwei Jahre, in denen Regionalität und auch Bio boomten. „Da hat man mit der Wertigkeit profitiert.“ Teilweise konnten in dieser Zeit die Mengen, die nachgefragt wurden, gar nicht zur Verfügung gestellt werden, erzählt er. Was wiederum zur Folge hatte, dass mit dem Aufbau weiterer Kapazitäten begonnen wurde bzw. einige auf Bioproduktion umgestellt hätten – ob das nun abgesetzt werden kann, sei aber die Frage.

Im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit sei die Situation aber nicht schlecht, so der Bio-Vorarlberg-Obmann. Der Ausschlag, den es während Corona gegeben habe, sei allerdings nicht fortgesetzt worden, so seine Erfahrung. Über die genauen Gründe dafür kann Kohler nur spekulieren. Eine Rolle spiele vermutlich eine psychologische Komponente, sagt er. Nachdem von allen Seiten die Teuerung thematisiert werde, würden viele eben auch bei Lebensmitteln sparen. Zudem werde vielleicht auch wieder Geld für andere Dinge ausgegeben, etwa Reisen oder Fortgehen. Weiters seien während der Lockdowns viele im Homeoffice gewesen, hätten selber gekocht und dafür auch hochpreisigere und Bio-Lebensmittel gekauft, so eine weitere These. Das sei jetzt in vielen Fällen weggefallen.
Preiserhöhungen
Preiserhöhungen gab es auch im Biobereich, aber eher leichte, informiert Kohler. Allerdings sei man mit der Preisgestaltung vorher schon recht knapp gewesen. Jetzt habe man die Situation, dass man eventuell das bekomme, was man schon lange gebraucht hätte, sagt der Bio-Landwirt. Die hohen Energiepreise machen natürlich auch vor Biobauern nicht Halt, Futtermittel würden in diesem Bereich aber grundsätzlich weniger zugekauft als im konventionellen.
„Wir versuchen, mit der Natur zu arbeiten und die Natur ist nicht teurer geworden“, so der Bio-Vorarlberg-Obmann. Andere Dinge wie Verpackung, Diesel und einiges weitere aber schon. Beim Joghurt sei er derzeit mit dem Preis noch nicht hinaufgegangen, erzählt der Landwirt, auch weil man noch einige Gläser im Lager habe. Wenn die fertig sind, werde man um eine leichte Erhöhung nicht herumkommen, weil auch das Glas teurer geworden sei.

Beim Vetterhof in Lustenau, der auf den Bio-Gemüseanbau spezialisiert ist, ist derzeit von einer sinkenden Nachfrage noch nichts zu bemerken. „Aber wir nehmen das Thema sehr ernst“, sagt Simon Vetter. Dementsprechend schaue man mit einer gewissen Sorge auf den Herbst. „Bei einer Inflation von über acht Prozent kann wohl keiner davon ausgehen, dass alles happy peppy bleibt“, merkt er dazu an.
In den vergangenen zwei Jahren sei die Nachfrage stark gestiegen, so auch die Erfahrungen des Lustenauers: „Corona hat diese massiv in die Höhe getrieben.“ Von Einbrüchen sei man momentan noch verschont geblieben. Das habe vielleicht auch damit zu tun, dass die Preise im Handel zum Teil um einiges mehr angezogen hätten als das bei seinen Produkten der Fall sei, sagt Vetter. Auch er habe allerdings die Preise erhöhen müssen – „Diesel brauchen auch wir“.

Auch beim Martinshof in Buch ist laut Eigentümer Bertram Martin derzeit noch kein Umsatzrückgang zu bemerken. Der Martinshof hat unter anderem Freiland- und Bio-Freilandeier, Produkte aus Vorarlberger Dinkel und Bio-Rind- und -Hühnerfleisch in seinem Sortiment und stellt die Waren auch zu. Allerdings seien aktuell sehr viele Stammkunden im Urlaub, wodurch Lieferpausen entstehen, erzählt Martin. Aufgefallen ist ihm, dass viele Kunden Mehl und Nudeln auf Vorrat kaufen. Andere hätten gefragt, ob sie das machen sollen.
Zurückgegangen sind allerdings die Lieferungen an Bioläden, berichtet der Landwirt. Die hätten in den vergangen zwei Jahren eine enorme Nachfrage erfahren, die nun in dem Umfang nicht mehr vorhanden sei. „Bei der hohen Inflation werden die Leute teilweise halt auch eher sparen.“

Bertram Martin rechnet damit, dass im Herbst das „böse Erwachen“ für die Gesellschaft komme, wenn die Energie wirklich knapp werde. „Dann werden wir uns einschränken müssen.“
Preiserhöhungen hat es auch beim Martinshof gegeben, aber sehr moderate, erzählt der Landwirt noch, wobei die Preise von Eiern und Fleisch schon im Frühjahr erhöht worden seien. Teilweise war das den gestiegenen Verpackungskosten geschuldet. Derzeit ist Bertram Martin mit der Getreideernte beschäftigt. Er spricht von einer „Superernte“ und einem „Superertrag“. „Das Getreidelager ist komplett voll“ – Mehl und Nudeln müssen somit also nicht auf Vorrat gekauft werden.