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Weihnachtsessen: Wenn vegane Enkel kommen

23.12.2022 • 22:00 Uhr
Damit das Weihnachtsessen friedlich abläuft, sollte vorab kommuniziert werden. <span class="copyright">Symbolbild/Shutterstock</span>
Damit das Weihnachtsessen friedlich abläuft, sollte vorab kommuniziert werden. Symbolbild/Shutterstock

Damit das Essen an Weihnachten vereint statt spaltet, sollten schon vorab alternative Ernährungsformen thematisiert werden. So kann Debatten entgegengewirkt werden.

An Weihnachten wollen viele Familien etwas Besonderes auftischen. Diesen Erwartungen sei es mittlerweile schwer, gerecht zu werden, so Ernährungswissenschafterin und Diätologin Birgit Kubelka. Denn der Überfluss während des Jahres sei an Feiertagen nur mehr schwer zu toppen. An Weihnachten wird dann ein Braten serviert oder das Fonduegeschirr ausgepackt. Essen bringt schließlich Menschen zusammen. Doch was tun, wenn das Essen plötzlich spaltet, weil der Enkel sich vegan ernährt oder laktoseintolerant ist?

Überleben statt Moral.

Alternative Ernährungsweisen können für hitzige Debatten sorgen. Großeltern hätten teilweise Angst vor Mangelernährung oder könnten es als überheblich wahrnehmen, wenn die Enkel das teure Stück Fleisch verschmähen, so die Betreuerin der Ernährungsberatungsstelle Lustenau, Dornbirn und Höchst des aks.

Birgit Kubelka ist Ernährungswissenschafterin und Diätologin beim aks. <span class="copyright">Birgit Kubelka/Aks</span>
Birgit Kubelka ist Ernährungswissenschafterin und Diätologin beim aks. Birgit Kubelka/Aks

Denn erst seit einer Generation hätten wir den Luxus der Wahl, was wir essen, so Ernährungswissenschafter beim Olympiazentrum Martin Rinderer. Früher sei Ernährung eine Überlebensfrage und keine Moralfrage gewesen. „Man hat das essen müssen, was es gegeben hat. Man konnte nicht zwischen Ernährungsformen wählen“, berichtet der 38-Jährige von der Zeit seiner Großeltern. Dann habe es mal drei Tage lang nur Fleisch gegeben, wenn ein Rind geschlachtet worden sei und dann wieder länger keines. Auch sei die Tierhaltung damals anders gewesen, und es habe kaum minderwertige Lebensmittel und keine Fertigprodukte gegeben, sagt er. Wenn Personen mit dieser Geschichte mit der Generation Z feiern, welche sich fürs Klima an Gemälden festklebt, kann es Unverständnis geben.

Von Emotionen geprägt

Wie wird in so einer Situation bestenfalls aufeinander eingegangen, dass die Oma nicht enttäuscht ist, wenn der Enkel den mühevoll zubereiteten Braten nicht essen will, und der Enkel nicht in Bedrängnis kommt?

Kubelka rät dazu, dass in solchen Fällen nichts vom traditionellen Weihnachtsessen weggelassen, sondern dieses um mehrere Beilagen ergänzt wird. So geht die Familie dem Streitpotenzial aus dem Weg, dass ein Mitglied plötzlich auf eine für ihn wichtige emotional geprägte Komponente verzichten muss. „Das Weihnachts­essen ist stark traditionell belegt. Da schwingt immer auch Emotion mit“, erklärt sie, warum das kritisch sein könnte. „Es geht nicht um das Weglassen, sondern darum, noch etwas Buntes zusätzlich auf den Tisch zu bringen.“ Es würde sich dann ein Buffet anbieten, für das jeder etwas mitbringt. So liege die Verantwortung nicht bei einer einzelnen Person. Außerdem würde auch vermieden werden, dass Vegetarier nur Kartoffeln und Brot zu essen bekämen.

Essen bringt Leute zusammen<span class="copyright">Shutterstock</span>
Essen bringt Leute zusammenShutterstock

Rinderer stimmt dem zu: „Ich rate zu einer Menüwahl, die eine Auswahl ohne Konfrontation zulässt.“ Etwa ein Buffet, bei dem neben Blattsalat auch ein Kichererbsensalat als Beilagen zum Fleisch vorhanden sind.
Er sieht aber auch durch Änderungen von „eingeschliffenen“ Familienabläufen Chancen. Ein Familienmitglied mit anderen Essgewohnheiten könnte das Auseinandersetzen mit dem Menüplan ins Rollen bringen. Wenn es dann nicht mehr das übliche fettige Menü gebe, würden andere Familienmitglieder womöglich merken, dass sie sich nicht mehr so erschöpft nach dem Essen fühlen würden.

Martin Rinderer ist Ernährungswissenschafter im Olympiazentrum. <span class="copyright">Shutterstock, Hartinger</span>
Martin Rinderer ist Ernährungswissenschafter im Olympiazentrum. Shutterstock, Hartinger

Kommunikation ist A und O

Wichtig ist es, Gastgeber nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen. „Wenn jemand eine absolute Unverträglichkeit mit Atemnot auf Nuss hat, dann gibt es eine Bringschuld“, so Rinderer. Durch Infos im Voraus sollten unangenehme Situationen verhindert werden. Wie etwa, dass der Gast am Abend am Tisch sitze und nichts essen könne.

Aber auch bei alternativen Lebensformen wie Veganismus sieht er die Pflicht der Vorab­information für ein positives Familienfest. Denn sobald Menschen zusammenkommen würden, müssten Kompromisse eingegangen werden. „Wenn ich aber dann trotzdem meinen Wunsch zu 100 Prozent durchsetzen will, dann müssen andere mehr abrücken“, so Rinderer. Darum sei es wichtig, dass dies vorab kommuniziert werde.

Vegan nicht automatisch gesund

Vegan nicht automatisch gesund. Aber so ist nicht garantiert, dass der Onkel dann doch nicht am Tisch Fragen zum Veganismus stellt. „Wenn ich mit der für mich optimalen Ernährung im Lot bin, kann ich Angriffe unter der Gürtellinie gut abwehren und auf seriöse Fragen adäquat antworten“, meint Rinderer. Zu einer gesunden Ernährung gehören laut ihm unter anderem die Abdeckung bestimmter Nährstoffe und Energiemengen, die Umsetzbarkeit im Alltag, der Geschmack und die Vereinbarkeit mit Moral und Ethik.

Auf Fleisch muss nicht komplett verzichtet werden. Jedoch soll ein buntes Beilagenangebot ergänzt werden. <span class="copyright">Shutterstock</span>
Auf Fleisch muss nicht komplett verzichtet werden. Jedoch soll ein buntes Beilagenangebot ergänzt werden. Shutterstock

Dies kann sich individuell unterscheiden. Denn es sei nicht belegbar, dass Ernährung mit oder ohne Fleisch gesünder sei. Dies hänge von vielen Faktoren ab. Gerade wenn die Ethik, aber nicht die Qualität bei Veganern im Vordergrund stehe, käme es zu Diskussionen, so Rinderer. Wenn etwa die Oma nicht verstehe, warum der Enkel die Eier aus dem Garten des Nachbarn verschmähe, aber Industrieweizennudeln esse. Dann geht es darum, Streit zu verhindern. „Es geht um Respekt gegenüber einander“, so Kubelka. Es ginge nicht darum, dass Fleischesser von Veganern erwarten würden, Braten zu essen oder umgekehrt.

Nicht entscheidend für Figur

Auch Menschen mit Gewichtsproblemen beschäftigen die Feiertage. Wenige Tage haben laut Kubelka aber keinen gravierenden Einfluss: „Die Gewichtszunahme passiert nicht an ein paar Tagen, sondern unterm Jahr dazwischen.“ Sie empfiehlt aber Bewegung an den freien Tagen.