Erstes Licht am Nachthimmel: die Venus

In der Abenddämmerung zieht der helle Abendstern als erster die Blicke auf sich. Betrachtet man ihn durchs Fernglas, erkennt man eine Sichelform.
Die Tage werden wieder merklich länger, auch wegen der Umstellung auf die Sommerzeit sinkt die Sonne erst nach 20.30 Uhr unter den Horizont. Das sind ideale Bedingungen für Grillfeste und ein gemütliches Zusammensein im Freien. Für Sternbeobachter wird die nutzbare Zeit knapper. Aber die Venus ist auch bei Beobachtungen in der Dämmerung höchst interessant.
Der Abendstern
Manche Astronomen beobachten helle Sterne und Planeten per Fernglas oder Teleskop sogar untertags. Wenn man das ausprobieren möchte, ist es entscheidend, die grelle Sonne zu meiden. Gerade die inneren Planeten Merkur und Venus sind oft nur wenige Winkelgrade von ihr entfernt. Klarerweise kann man niemals ungeschützt in die Sonne blicken, ohne dabei schwere Augenschäden zu riskieren. Was ist denn das für ein heller Stern? Die Frage stellt sich fast immer, wenn in der Abenddämmerung der erste Stern auftaucht. Auch für geübte Amateurastronomen ist die Beantwortung nicht immer leicht. Denn die Sterne bewegen sich ständig über den Himmel. Der sichtbare Sternenhimmel variiert abhängig von der Jahres- und Nachtzeit.
Vielleicht kennt man die aktuelle Situation genau, weil man die Nächte davor schon Beobachtungen angestellt hat, oder in einer Astronomie-App nachschaut oder eine drehbare Sternkarte dabei hat. Bei Sternführungen schlage ich vor, einige Minuten den Verlauf der fortschreitenden Dämmerung zu verfolgen, bis ganze Sternbilder erkennbar werden. Derzeit sieht man tief im Westen die Sternbilder Orion und den großen Hund mit dem hellen Stern Sirius. Das Gesamtbild ist jedem regelmäßigen Sternbeobachter vertraut. Etwas höher über dem Westhorizont steht das Sternbild Zwilling mit den hellen Sternen Castor und Pollux und weiter im Nordwesten der Fuhrmann mit dem Leitstern Capella. Im Grenzbereich Zwilling, Fuhrmann und Stier leuchtet das extrem helle Objekt, das schon kurz nach Sonnenuntergang erkennbar war. Jetzt wird es eindeutig, es ist die Venus, die auch als Abendstern bekannt ist. Astronomisch ist die Venus ein Planet, weil sie das Licht der Sonne reflektiert, Sterne leuchten alle aus eigener Kraft, ähnlich wie die Sonne.
Bis nach Mitternacht
Die Venus läuft innerhalb der Erdbahn um die Sonne. Die beiden Planeten können sich bis auf 38 Millionen Kilometer annähern. Fast 225 Tage braucht die Venus für einen Sonnenumlauf auf einer fast kreisförmigen Bahn. Deshalb überholt sie uns auf der Innenbahn. Sie ist manchmal links und manchmal rechts von der Sonne zu sehen. Mit anderen Worten wechselt sie vom Abend- zum Morgenstern. Dazwischen in den sogenannten Konjunktionen, das heißt Zusammenkünften, bleibt die Venus unsichtbar. Dann befindet sie sich vor- oder hinter der Sonne. Der Abendstern verbleibt derzeit bis nach Mitternacht (Sommerzeit) über dem Horizont. Am 18. Mai geht die Venus um 0:46 Uhr unter, so spät, wie seit über 50 Jahren nicht mehr.
So bleibt Zeit, die Venus im Fernglas bei unterschiedlichen Helligkeiten des Hintergrunds zu beobachten. Galilei richtete sein Fernrohr im Jahre 1610 auf die Venus und sah erstmals einen Phasenwechsel wie beim Mond. Diese Entdeckung lässt sich an den nächsten Abenden mit einem normalen Fernglas nachvollziehen. Knapp die Hälfte des Venusscheibchens ist von der Sonne erleuchtet, der Rest liegt im Dunkeln.
Robert Seeberger