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„Könnte der türkische Obama werden“

15.05.2023 • 19:45 Uhr
Vahide Aydin ist in der Türkei geboren und im Volksschulalter nach Vorarlberg gekommen. <span class="copyright">Stiplovsek</span>
Vahide Aydin ist in der Türkei geboren und im Volksschulalter nach Vorarlberg gekommen. Stiplovsek

Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin über die Wahlen in der Türkei.

Nicht unbedingt intensiv, aber durchaus mit Interesse hat Grünen-Landtagsabgeordnete Vahide Aydin den Wahlkampf und den Ausgang der Wahlen in der Türkei verfolgt.

Sie wurde 1968 in dem Land geboren, ist aber bereits im Volkschulalter nach Vorarlberg gekommen und lebt seitdem hier. Im Kampf um das Präsidentenamt wird es Aydins Ansicht nach bei der Stichwahl am 28. Mai zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und Oppositionsführer Kemal Kiliçdaroglu darum gehen, wer seine Anhänger besser mobilisieren kann. Ebenso werde es wichtig sein, die Nichtwähler von sich zu überzeugen und jene, welche andere Parteien unterstützen. Dem im ersten Wahlgang ausgeschiedenen Sinan Ogan von der ultranationalistischen Ata-Allianz komme eine entscheidende Rolle zu. Schließlich könne er seinen Anhängern eine Wahlempfehlung für den zweiten Urnengang geben.

Minderheit

Sollte Kiliçdaroglu sich in der Stichwahl durchsetzen, wäre dies ein historisches Ereignis, betont Aydin. Der Oppositionsführer, der von insgesamt sechs Parteien unterstützt wird, könne zum „türkischen (Anm. Barack) Obama werden“, bringt sie es auf den Punkt. Obama habe es als erster Schwarzer zum US-Präsidenten geschafft. Kiliçdaroglu könnte zum ersten Aleviten an der Spitze des türkischen Staates werden. Die Glaubensgemeinschaft kämpft in der Türkei immer noch um Anerkennung und ihre Mitglieder beklagen bis heute Diskriminierung und Unterdrückung. Im Vorfeld der Wahl war dem Kandidaten sein alevitischer Glaube als möglicher Nachteil vorgehalten worden. „Wenn Kiliçdaroglu zum Präsidenten gewählt würde, hätte er es geschafft wie Obama die Menschen hinter sich zu vereinen“, zeigt sich die Landtagsabgeordnete überzeugt.

Die Anhänger von Kemal Kiliçdaroglu feierten das Wahlergebnis. <span class="copyright">REUTERS/Yves Herman</span>
Die Anhänger von Kemal Kiliçdaroglu feierten das Wahlergebnis. REUTERS/Yves Herman

Bis dahin sei es jedoch noch ein weiter Weg. Denn schon im Vorfeld der Wahl habe es so ausgesehen, als könnte Erdogan diese verlieren. Doch sei es dessen Partei erneut gelungen, die Menschen zu mobilisieren. „Sie haben 20 Jahre Erfahrung darin, wie man Wahlen gewinnt“, sagt Aydin. Dabei hätten auch Frauen eine wichtige Rolle gespielt, denn sie seien es vielfach gewesen, die für Erdogan und die Partei „Klinken geputzt“ und direkt mit den Menschen gesprochen hätten.

Auch die Anhänger von Recep Tayyip Erdogan freuten sich über den Ausgang des Urnengangs. <span class="copyright">AFP</span>
Auch die Anhänger von Recep Tayyip Erdogan freuten sich über den Ausgang des Urnengangs. AFP

Eine gewisse Überraschung war es für die Politikerin, dass der amtierende Präsident und seine Partei in den vom schweren Erdbeben im Februar betroffenen Regionen teilweise dennoch sehr gute Ergebnisse erzielt haben. Schließlich hatte es von dort viel Kritik für die schleppend verlaufenden Rettungs- und Hilfsmaßnahmen der eigenen Regierung gegeben. In der parallel zur Präsidentschaftswahl abgehaltenen Parlamentswahl dürfte Erdogans Regierungsbündnis die Mehrheit verteidigt haben, was auch bei einem möglichen Sieg des Oppositionskandidaten bei der Präsidentschaftswahl zu einem Problem werden könnte.

Gegenseitige Vorwürfe

Schon jetzt ein Problem sind für Aydin die gegenseitigen Vorwürfe von Wahlbetrug oder Unsauberkeiten. Denn dadurch werde vor allem das Bild der Türkei im Westen getrübt, was für alle ein Nachteil sei. Statt gegenseitiger Vorwürfe wäre es besser gewesen, Ungereimtheiten genau unter die Lupe zu nehmen und die Konsequenzen daraus zu ziehen.