Macht eine Verkürzung die Lehrerausbildung besser?

Die Regierung will die Ausbildung und ersten Arbeitsjahre von Lehrkräften „attraktiver“ machen.
Die Reform ist die Basis für ein Lehramtsstudium mit mehr Praxis bei gleichbleibender höchster Qualität, meint Martin Polaschek, Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung im ÖVP-Regierungsteam.
Österreich hat eines der längsten Lehramtsstudien der Welt. Dennoch sieht der Qualitätssicherungsrat für die Pädagogenbildung Verbesserungsmöglichkeiten im aktuellen System. Aus diesem Grund habe ich mich dazu entschieden eine umfassende Reform des Studiums durchzuführen, gerade auch um die Attraktivität des Studiums und in weiterer Folge des Lehrerinnen- und Lehrerberufs zu steigern.
Mit der Reform der Lehramtsstudien verfolge ich eine klare Vision: Die Schaffung eines attraktiven, qualitätsvollen Studiums, das den Erfordernissen in den Schulen des 21. Jahrhunderts gerecht wird. Konkret schaffen wir damit die Basis für ein Lehramtsstudium mit mehr Praxis, sowie die höchste Qualität im Studium trotz kürzerer Ausbildungsdauer. Diesem wirklich hervorragenden Ergebnis sind sehr intensive Vorarbeiten vorangegangen. Mit der vor einem Jahrzehnt etablierten Lehrerinnen- und Lehrerbildung neu wurde viele Entwicklungen bereits in Gang gesetzt. Wir konnten also bei der Erarbeitung der Reform auf einen umfassenden Erfahrungsschatz aufbauen und das Wissen zahlreicher Expertinnen und Experten nützen. Diese Expertinnen und Experten kamen sowohl aus der Praxis, aus den Universitäten und den Pädagogischen Hochschulen.
Alle Lehramts-Bachelorstudien werden nun auf 6 Semester –also auf 180 EC – gekürzt und so den allermeisten Studien nach dem Bologna-System gleichgestellt. Der akademische Erstabschluss wird somit früher erfolgen. Die Lehramtsstudien werden dadurch konkurrenzfähiger anderen Studien gegenüber. Die Masterstudien umfassen einheitlich 120 EC – also 4 Semester. Das heißt: Alle Lehramtsstudien – jene von Volkschulen, also auch jene der Sekundarstufe – schließen auch weiterhin mit einem Master ab. Die Mindeststudiendauer für alle beträgt nun 10 Semester – also 5 Jahre. Das heißt auch, dass die Lehramtsstudien für Sekundarstufenlehrer/innen um ein Jahr gekürzt werden. Die berufsbegleitenden Angebote – vor allem im Master – werden nun auch weiter ausgebaut. Eine Abstimmung zwischen Bildungsdirektionen als Arbeitgeber und den Ausbildungseinrichtungen – also den Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten – wird institutionalisiert. Damit wird die Vereinbarkeit von erster Berufstätigkeit in der Schule und Masterstudium verbessert. Wir kürzen somit eines der längsten Lehramtsstudien der Welt, bei gleichbleibender höchster Qualität. Wir attraktiveren dadurch das Studium und werden so in Zukunft mittel- und langfristig wieder genug bestens ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer für unsere Kinder in den Schulen haben.
Wer ernsthaft eine Verbesserung will, bringt mehr Zeit und Respekt für angehende Lehrer auf, meint Christian Heuer. Er leitet als Professor den Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik am Institut für Geschichte der Universität Graz und habilitierte sich 2021 mit einer Arbeit zur Professionalisierung von Geschichtelehrern.
Es scheint wieder an der Zeit zu sein. Der vorgelegte Gesetzesentwurf zur Reform des Lehramtsstudiums bestätigt einmal mehr, was bereits vor Jahrzehnten vom Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers beschrieben worden ist: „Lehrerbildung ist eine periodische Krisenerscheinung, die Kontinuität verrät, als Krise wie als Erscheinung.“ Einmal mehr wird der gegenwärtige Zustand der Lehrerbildung beklagt und Hoffnung hinsichtlich einer Verbesserung der Situation durch das enthusiastisch propagierte Reformprogramm geweckt. Es sind Hoffnungen auf den Weg aus der Krise, die im herrschenden Lehrermangel kulminiert.
Im Kern sieht dieser die Verkürzung des Lehramtsstudiums, eine Erhöhung der Praxisanteile und eine verstärkte Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Universität/Hochschule und Schule vor. Dies alles, um die Attraktivierung des Lehramtsstudiums zu betreiben. Wieder einmal scheint also genug Energie vorhanden zu sein, etwas, was bereits in der Vergangenheit mehrfach gescheitert ist, erneut zu versuchen. Nämlich bessere Lehrer für eine immer schwieriger werdende Schulpraxis „auszubilden“. Alter Wein in nicht mal neuen Schläuchen.
Dass diese Reform aber mehr die Deprofessionalisierung (angehender) Lehrer fördert als dem Gegenteil dieser dient, wird wider besseres Wissen übersehen. Der Entwurf fördert vielmehr das, was bereits seit vielen Jahren an Universitäten, Hochschulen und Schulen Standard ist. „Ausbildung“ in der Schulpraxis, statt Bildung in der und für die Praxis. Lehrerwerden aber ist eben kein Lehrberuf! Kürzer ist nicht gleich besser.
Spricht man mit angehenden Lehrern und nimmt man die Studien zur Professionalisierung von Lehrern zur Hand, dann werden die Rechnungen der Bildungspolitik nicht aufgehen. Mehr Schulpraxis produziert eben keine professionelleren Lehrer und weniger Fachwissen und fachdidaktisches Wissen führt nicht zu einem Mehr an praktischem Können, gerade weil erfahrungsbasierte etwas anderes sind als professionelle Entscheidungen.
Wer aber ernsthaft an der Verbesserung von Schule und der Attraktivierung dieses wunderbaren Berufs interessiert ist, sollte etwas anderes tun, als in die Kürzung des Lehramtsstudiums zu investieren. Nämlich in Anerkennung für das Lehrersein und in die Qualität der Praxis des Lehrerwerdens an Universität und Hochschule.
Und investieren hieße dann in erster Linie die Bereitstellung zweier Ressourcen, die im neoliberalen Kosmos der österreichischen Bildungspolitik anscheinend knapp geworden sind. Nämlich Zeit und Respekt. Zeit für die Bildung von Lehrern und Respekt dafür, dass diese Lehrerbildung nicht so leicht zu haben ist. Gut Ding muss nämlich genau das, nämlich Weile haben!