Mit der Vizepräsidentin ins „Aber-Land“

Eine große Blamage ist es aus Sicht von Landtagsvizepräsidentin Sandra Schoch, dass Frauen noch immer nicht fair bezahlt werden.
Um das Thema Lohngerechtigkeit ging es im Landtag diese Woche im Vorfeld des Weltfrauentags. Die Grünen hatten ihre diesbezügliche Anfrage als dringlich nominiert. Im ersten Redebeitrag rief Landtagsvizepräsidentin und Grünen-Gleichstellungssprecherin Sandra Schoch mehrfach in Erinnerung: „Es ist 2024!“ Immer noch darüber sprechen zu müssen, ob es Lohngerechtigkeit für Frauen geben soll, sei „eine große Blamage für diese Gesellschaft“.
Bei Diskussionen zum Thema lande man oft im „Aber-Land“, sagte Schoch. Dort wird zwar anerkannt, dass es Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen gibt. Allerdings werden mit einem „aber“ vermeintliche Argumente gefunden, warum dies gerechtfertigt ist. Diese seien allerdings schon längst widerlegt. Was schlussendlich übrig bleibe, sei die Tatsache, dass es einen unerklärbaren Unterschied bei der Bezahlung zwischen den Geschlechtern gibt.
Auf dem letzten Platz
Schoch hob hervor, dass Österreich in Sachen Gender-Pay-Gap auf dem vorletzten Platz in der EU liegt. Nur noch in Estland ist der Gehaltsunterschied zwischen den Geschlechtern größer als in Österreich. Im Bundesländer-Vergleich schneide Vorarlberg am schlechtesten ab. Man müsse sich in diesem Zusammenhang auch die Frage stellen, ob es der Landesregierung – deren Teil auch Schochs eigene Fraktion ist – überhaupt ein Anliegen sei, dass Frauen gerecht bezahlt werden.
Zertifikat
Es gebe Lösungen für das Problem, betonte Schoch. In der Schweiz schreibe beispielsweise ein Gesetz den Unternehmen vor, dass sie Frauen fair bezahlen und sich diesbezüglich zertifizieren lassen müssen, wenn sie Aufträge der öffentlichen Hand erhalten möchten. Das internationale Beratungsunternehmen Deloitte biete ein Programm an, um Unternehmen dabei zu unterstützen, dem Gender Pay Gap entgegenzuwirken.

Genutzt werde dieses auch in Vorarlberg. Hintergrund sei, dass seit Juni des Vorjahres die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz gelte und in den kommenden drei Jahren umgesetzt werden müsse. Schoch appellierte in diesem Zusammenhang auch an die Frauen, sich an der Europawahl im kommenden Juni zu beteiligen. „Die EU ist die Institution, die sich für Frauenrechte einsetzt. Nur durch die EU kommen wir in diesem Bereich vorwärts, so traurig das ist“, sagte die Landtagsvizepräsidentin.Um im Jahre 2024 Frauen fair zu bezahlen, brauche es nur eines, betonte Schoch: „Da geht es nur ums Machen.“

Neos-Gleichstellungssprecher Johannes Gasser wies darauf hin, dass Studien zeigen, dass der Gender-Pay-Gap in Österreich vor allem ein „Motherhood-Gap“ ist. Denn die Gehaltsunterschiede würden sich vor allem dann auftun, wenn eine Frau sich dazu entscheide, Mutter zu werden. „Das Problem ist, dieser Gap schließt sich danach kaum. Diese Schere bleibt dann ein Leben lang bestehen.“ In Vorarlberg habe sich in den vergangenen Jahren auf politischer Ebene einiges getan, um die Situation zu verbessern. Allerdings brauche es noch mehr Bemühungen – auch auf Bundesebene –, um dafür zu sorgen, dass Frauen fair bezahlt werden. Wichtig sei auch, dass sich die Einstellung der Menschen ändere. So sei in fast keiner europäischen Region die Einstellung gegenüber arbeitenden Müttern so negativ wie in Vorarlberg. Daher brauche es auch Bewusstseinsbildung.
Lob für Kampagne
Mit einem Beispiel aus seinem Bekanntenkreis verdeutlichte Gasser die Situation. So habe sich ein mit ihm bekanntes Paar die Karenzzeit teilen wollen. Bei der Antragstellung sei der Mann jedoch gefragt worden, warum er dies denn tue, wenn er eigentlich nur zwei Monate übernehmen müsse. Politische Maßnahmen könnten nur dann Wirkung zeigen, wenn sich auch die Einstellungen und die Rollenzuschreibung entsprechend ändern würden. Umso wichtiger ist aus Sicht von Gasser eine diesbezügliche Kampagne, die seitens des Landes gestartet worden ist.

Deutlich kritischer gegenüber den Regierungsparteien äußerte sich FPÖ-Gleichstellungssprecherin Nicole Feurstein-Hosp. Auch zehn Jahre einer grünen Regierungsbeteiligung hätten in der Frage der Lohngerechtigkeit keine Fortschritte gebracht. Die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ziehe zahlreiche Konsequenzen nach sich. So steige nämlich die Unzufriedenheit. Ebenso komme es zu einem Ungleichgewicht in der Kaufkraft, was das Wirtschaftswachstum hemme. Politik und Wirtschaft müssten dafür sorgen, dass Frauen fair bezahlt werden.

Frauenlandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) äußerte Verständnis für die Frustration im Zusammenhang mit der Lohngerechtigkeit. Sie räumte auch ein, dass die Landesregierung und die Politik gefordert sind, Abhilfe zu schaffen. Allerdings müssten auch die Wirtschaft – etwa mit Lohntransparenz – und die Gesellschaft gesamthaft ihren Teil zur Lösung beitragen.
Wien-Vergleich
Gerade Transparenz bei den Löhnen zeige eine Wirkung. Dies lasse sich im öffentlichen Dienst feststellen, wo es stärker gelungen sei, Einkommensgerechtigkeit herzustellen. Einer Expertin des Momentum Instituts – einem wirtschaftspolitischen Think Tank – zufolge sei der Gender Pay Gap in Wien im Vergleich zu Vorarlberg unter anderem deshalb niedriger, weil in der Bundeshauptstadt zahlreiche Menschen im öffentlichen Dienst beschäftigt seien.

Wirtschaftslandesrat Marco Tittler (ÖVP) betonte, dass auch in der Wirtschaftsabteilung des Landes Maßnahmen ergriffen würden. So sei etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Anliegen. Auch flexible Arbeitszeitmodelle seien ein Thema, bei dem die Wirtschaft künftig noch gefordert sein werde. Schließlich gehe es darum, die vorhandenen Talente bestmöglich einzusetzen, wobei die Frauen eine maßgebliche Zielgruppe seien.
Rollenbilder aufbrechen
Ebenso gehe es darum, Mädchen und Frauen für technische Berufe zu gewinnen. „Nicht, weil wir so tun, als wären das keine Frauenberufe, sondern weil wir irgendwo vergessen haben, Frauen und junge Mädchen dafür zu begeistern. Da muss mehr passieren“, meinte Tittler. Das größte Thema sei aber, die gesellschaftliche Sichtweise zu drehen und Rollenbilder aufzubrechen.