„Es gibt keine Zweiklassen-Justiz in Österreich“

Die Schlussfolgerungen der Kreutner-Sonderkommission ernten nicht nur Applaus, sondern zunehmend auch lauten Widerspruch.
Die Gleichheit vor dem Gesetz ist der Grundpfeiler des liberalen Rechtsstaats, vor dem jede und jeder gleich zu sein hat. So gesehen wiegt kaum ein Vorwurf schwerer als jener der Zweiklassen-Justiz, wie ihn der mehr als 234 Seiten starke Bericht einer Sonderkommission unter dem Vorsitz des Anti-Korruptionsexperten Martin Kreutner erhebt. Indem sich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) diesen Befund selbst zu eigen gemacht hat, verleiht sie der Kritik einen quasi amtlichen Stempel. Georg Kodek, der neue Präsident des Obersten Gerichtshofs, hat den Bericht als „undifferenziert“ bezeichnet, während Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) die Forderung nach einer als Kollegialorgan organisierten Bundesstaatsanwaltschaft in der „Presse“ als verfassungswidrig bezeichnet.
Neuregelung in Aussicht
Trotzdem erklärte die Justizministerin am Mittwoch, sie könne sich eine Neuregelung des Umgangs mit clamorosen Fällen vorstellen, für die es eine erhöhte Berichtspflicht gibt. Zwar ist praktisch ausgeschlossen, dass die türkis-grüne Koalition auf ihren letzten Metern noch eine solche Gesetzesänderung zustande bringt, was im Übrigen auch für die lange angekündigte Neuordnung der Weisungskette durch die Einführung einer Bundesstaatsanwaltschaft gilt. Dennoch sollte zuvor einmal grundsätzlich geklärt werden, wie schwer die Kritik des Kreutner-Berichts tatsächlich wiegt.

Prominentenbonus oder Prominentenmalus?
Der Rechtsanwalt Manfred Ainedter, der seit Jahrzehnten Mandanten auch in clamorosen Fällen vertritt, weist die Behauptung einer Besserstellung prominenter Beschuldigter als „schlichtweg falsch“ zurück: Statt eines Prominentenbonus sei vielmehr ein Prominentenmalus bei Verfahren am Werk. Schwer wiegt für Ainedter insbesondere das Ausmaß an medialer Vorverurteilung öffentlich bekannter Persönlichkeiten, gegen die die Justiz wenig bis überhaupt nichts unternehme.
Die gesteigerte Berichtspflicht bei solchen Verfahren hält Ainedter für naheliegend, weil es eben zahlreiche Medienanfragen sowie Berichterstattung gebe. Gegen eine grundsätzliche Reduzierung der Berichtspflicht hat Ainedter allerdings nichts einzuwenden, da dies dem Beschleunigungsgebot bei Verfahren diene. Er plädiert dafür, die gesamte Kommunikation zwischen den Staatsanwaltschaften, den Oberstaatsanwaltschaften und dem Justizministerium zum Ermittlungsakt zu nehmen und damit transparent und nachvollziehbar zu machen.

Forderungen an die Justiz
Auch daran, dass Beschuldigte oder deren Rechtsvertreter ein Gespräch mit Verantwortlichen der Justiz suchen, kann Ainedter nichts Verwerfliches finden. Zumal es dabei meistens darum gehe, ein Verfahren zu beschleunigen oder sogenannte Schattenakte auch in den offiziellen Akt zu nehmen, damit Rechtsanwälte Einsicht nehmen können. Zudem seien unzulässige Interventionen ohnehin strafrechtlich verboten.