Kogler: „Ich scheue nicht, eine Regierung zu verhandeln“

(C) GREGOR KUNTSCHER
Sollten die Neos abspringen, stünden die Grünen zur Verfügung – nicht unbedingt als Koalitionspartner, sondern um bei wichtigen Vorhaben eine stabile Mehrheit zu garantieren.
Ihr Vorvorvorgänger Van der Bellen hat bei der Angelobung des steirischen FPÖ-Landeshauptmanns gesagt, Kunasek sei „ein bisschen auch mein Landeshauptmann“, weil der zweite Amtssitz des Bundespräsidenten in der Steiermark ist. Sie sind ein echter Steirer. Ist Kunasek auch Ihr Landeshauptmann?
WERNER KOGLER: Die Wahl ist das Ergebnis eines demokratischen Vorgangs, insofern ist er auch mein Landeshauptmann. Das ist ein formaldemokratischer Standpunkt.
Und inhaltlich?
KOGLER: Es soll nicht zu ähnlichen Entwicklungen kommen wie im Bund, wo Nationalratspräsident Rosenkranz das Parlament gekapert hat und einen Orban-Empfang nur für die blaue Parteispitze organisiert hat. Ich hoffe, dass das nicht Platz greift.
Ist Kunasek nicht anders als Kickl?
KOGLER: Im Auftritt und in der Sprache ist er das mit Sicherheit, im Inhalt nicht.
Sehen Sie die Entwicklung mit Besorgnis?
KOGLER: Mit komischer Symbolpolitik wie in dem Arbeitsübereinkommen ist kein Staat zu machen. Da ist sehr viel retro mit Verboten garniert. Wenn ich mir anschaue, was beim Gendern geplant ist, dann sind die FPÖ und die ÖVP die moralisierenden Verbotsparteien. Mich treibt um, warum sich die ÖVP derart unterordnet. Mit der steirischen ÖVP, wie wir sie von früher in ihrer Modernität kennen, hat das nichts zu tun.
Die Grünen fuhren genauso ein Debakel ein …
KOGLER: Da gibt es einen gravierenden Unterschied. Der steirischen ÖVP ist in einem Punkt ein schwerer Vorwurf zu machen: Sie ist in den Wahlkampf gezogen mit der Parole: Wählt ÖVP, um einen blauen Landeshauptmann zu verhindern. Und jetzt hat sie sich devot der FPÖ unterworfen. Das ist eine echte Wählertäuschung.
Hätte die ÖVP nicht mit der FPÖ koalieren sollen?
KOGLER: Es geht nicht darum, dass die FPÖ nicht grundsätzlich regieren darf. Die 35 Prozent steirische FPÖ-Wähler verdienen denselben Respekt wie die 65 Prozent, die sie nicht gewählt haben. Wenn die ÖVP mit dem Versprechen, einen blauen Landeshauptmann zu verhindern, ausrückt und nach der Wahl alles über Bord wirft, rammt sie vielen eigenen Wählern den Dolch hinein.
Sie sagen, die Blauen dürfen sehr wohl regieren. Auch im Bund?
KOGLER: Ich bestimme nicht, wer was darf, aber ich bin überzeugt, dass es besser ist, wenn Hetzer, die unserem Miteinander nichts Gutes wollen, nicht auch regieren. Im Bund ist der Ton noch extremer, und sie können noch einmal mehr anrichten.
Jetzt zu den Grünen: Vor zehn Jahren saßen sie in sechs Regierungen, jetzt nur noch in Oberösterreich. Bei der EU-Wahl haben Sie ein Viertel, beim Nationalrat ein Drittel, in der Steiermark die Hälfte der Wähler verloren. Was ist schiefgelaufen?
KOGLER: Wir hatten vor fünf Jahren überall einen historischen Höchststand. Jetzt liegen wir wieder im Durchschnitt. Ist das gut? Nein. In den letzten Jahren haben in ganz Europa alle Regierungen deutlich an Stimmen verloren. Die zunehmend schweren Attacken auf die grünen Anliegen in den sozialen Medien setzen uns auch zu. Hier müssen wir besser werden, stärker dagegen vorgehen und selbst die Menschen besser erreichen
Wenn die Grünen im Aufwind sind, haben sie gut gearbeitet. Wenn sie verlieren, hat das externe Gründe. Machen Sie sich’s nicht zu leicht?
KOGLER: Ich sage ja nicht, dass wir in den letzten Jahren keine Fehler gemacht haben, ich habe auch selbst manchmal daneben gehaut – keine Frage. Das große Comeback 2019 war dank der externen Themenlage einfacher, damals war der Klimaschutz in aller Munde, die Frage von Migration war weit weg.
Das heißt, Sie sind bei der Migration am falschen Dampfer?
KOGLER: Seit ich die Grünen übernommen habe, haben wir eine andere Linie eingeschlagen. Es gilt nicht nur Humanität, sondern auch Ordnung. Ich sage Ja zu Kontrolle und Schutz der Außengrenzen. Deshalb haben wir uns ja so dafür eingesetzt, dass Rumänien und Bulgarien in den Schengenraum kommen, die machen das offenbar besser als Ungarn.
Weil Sie sich darüber empören, dass die Grünen als Verbotspartei wahrgenommen werden. Für die Autofahrer sind Sie schon die Verbotspartei?
KOGLER: Wir verbieten niemandem das Auto, wir sind sogar für Straßenbauten, allerdings nicht für sechsspurige, sondern für kleinräumige Projekte – sie führen schneller und kostengünstiger zur Entlastung der Bevölkerung. Dass wir die Elektromobilität vorantreiben, ist der schlagende Beweis, dass wir den Individualverkehr fördern. Die Retro-Haltung der Konservativen und Liberalen zum Verbrenner führt dazu, dass unsere Autoindustrie den Bach runtergeht. Wir eröffnen mit der E-Mobilität eine Perspektive und tun damit mehr für die deutsche Autoindustrie und den Auto-Standort Österreich als die ÖVP, die diesen Industriezweig mit ihrem alten Denken versenkt. Wir müssen gegen die falschen grünen Klischees offensiver werden, vielleicht hilft auch Ironie. Weil die Grünen an allem schuld sind, stelle ich mich noch hin und sage: „Die Grünen sind daran schuld, dass das Christkind nicht wirklich die Geschenke bringt.“
Wird noch was aus den Regierungsverhandlungen?
KOGLER: Es wäre gut, wenn Österreich eine stabile Regierung bekommt. Wenn ÖVP, SPÖ und Neos miteinander verhandeln, soll was Tragfähiges rauskommen. Wenn ich nicht der Meinung wär, dass es mit den Grünen besser wär, wär ich falsch in meiner Verantwortung. Wir werden eine konstruktive Opposition mit Zuversicht für die Zukunft sein – auch jetzt schon, wenn wir die Verhandler mit Informationen aus unseren Ministerien unterstützen.
Stünden die Grünen zur Verfügung, wenn die Neos abspringen?
KOGLER: Wir sind sicherlich nicht auf der Flucht. Will man sinnvollerweise echte Reformen, braucht man nicht nur die Landeshauptleute, sondern gerade auch uns für notwendige Zweidrittelmehrheiten.
Noch einmal: Stünden Sie zur Verfügung?
KOGLER: Ich scheue nicht, eine Regierung zu verhandeln. Es ist aber sehr unwahrscheinlich. Wir drängen uns sicher nicht ins Frühstück. Möglich ist, dass Schwarz-Rot allein überbleibt, die beiden brauchen dann für zentrale Projekte stabile Mehrheiten, also jemanden dritten. Wir sind vor keiner Variante auf der Flucht, kämpfen an jeder Stelle für Verbesserungen und sind viel besser aufgestellt, als viele meinen.
Sollte es Neuwahlen im Frühjahr geben, wären Sie da noch Spitzenkandidat?
KOGLER: Ich trete nicht nochmals als Spitzenkandidat an, selbst wenn die Wahl zu Ostern stattfindet?
Sie wollen aber im Parlament bleiben?
KOGLER: Ja.
Sie würden dann mit 68 in Pension gehen?
KOGLER: Für die Pension fühle ich mich nicht geeignet.