Wega: ein „staubiger“ Stern

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Ihre Nähe ließ sie zum Eichstern und Wanderer zwischen den Sternbildern werden.
Bald nach der Abenddämmerung ist die Wega einer der ersten sichtbaren Sterne hoch im Südwesten. Gegen Mitternacht steht der hellste Stern des Sommerdreiecks und Hauptstern des Sternbilds Leier fast im Zenit. Seine Farbe ist bläulich-weiß, ansonsten lassen sich auch durchs Fernglas keine Details ausmachen. Die Wega ist nicht nur hell, sondern mit 25 Lichtjahren Entfernung einer der Nachbarsterne der Sonne. Daher haben sich schon früh Astrophysiker mit ihr beschäftigt.
Polarstern und Eichstern
Die meisten Sterne ändern ihre Position im Vergleich zu den Umgebungssternen kaum. Über Jahrhunderte bleibt die Form der Sternbilder unverändert. Die Wega ist eine der Ausnahmen. Innerhalb der Dauer eines Menschlebens wandert sie um einen Vollmond-Durchmesser Richtung Nordosten. Während der nächsten 300.000 Jahre (ein Klacks im Vergleich zum Alter der Erde) wandert Wega durch die Sternbilder Kepheus und Kassiopeia. Die Kreiselbewegung (Präzession) der Erdachse tut ihr Übriges zur Änderung der Himmelserscheinungen über lange Zeiträume. Im 12. Jahrtausend vor Christus stand die Wega fast in der Verlängerung der Erdachse: sie war damals Polarstern und wird es in 12.000 Jahren wieder sein.
Trotz dieser Veränderungen zeichnet sich der Stern durch eine gleichmäßige Helligkeit aus. Zur Eichung der Skala wurde Wegas Helligkeit mit 0,0 Magnituden festgelegt. Hellere Objekte, wie einige wenige Sterne und manche Planeten in Erdnähe, haben negative Magnituden, die schwächsten von freiem Auge sichtbaren Himmelsobjekte sind Sterne sechster Magnitude. Erst später stellte sich heraus, dass die Wega innerhalb von einigen Stunden ihre Helligkeit etwas verändert. Dennoch bleibt sie ein guter Eichstern.
Jung- und drehfreudig
Wega war 1857 der erste Stern, den man fotografisch festhalten konnte. Daguerreotypie nannte man nach seinem Erfinder die frühe Fototechnik. Bald war klar, dass die Wega zwölfmal jünger als die Sonne ist. Ihre physikalischen Eigenschaften sind extremer als jene der Sonne. Ihr Zentrum ist um eine Million Grad heißer, ihre Oberflächentemperatur fast doppelt so hoch, sie ist doppelt so massiv und 37mal leuchtkräftiger als die Sonne. Ihre Kernenergiegewinnung läuft über einen Zyklus aus Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff und ist wesentlich effizienter als die solare Verschmelzung von Wasserstoff zu Helium. Der entscheidende Unterschied der beiden Sterne liegt in der Eigendrehung. Die Rotationsdauer der Sonne von gut 25 Tagen ist behäbig im Vergleich zum wilden Tanz der Wega. Eine Umdrehung in 12,4 Stunden bedeutet Geschwindigkeiten von 273 Kilometer pro Sekunde am Sternenäquator. Das System ist ausgereizt, einige Prozent mehr Drehung und die Gasmassen des Sterns würden ins Universum geschleudert.
Staubscheibe
Wieviel Energie ein Stern bei welcher Farbe abstrahlt, geben einfache Naturgesetze vor. Als in den 1980er Jahren ein Satellit das Infrarot-Licht der Wega vermaß, war die Überraschung groß. Von Infrarotexzess sprachen die Astrophysiker damals, d.h. es gibt mehr IR-Strahlung, als für die Wega vorherberechnet wurde. Ein großer Staubgürtel um den Stern ist dafür verantwortlich. Es herrschen um die Wega ähnliche Bedingungen wie sie vor 4.5 Milliarden Jahren in der Sonnenumgebung waren. Inzwischen deuten Schwankungen in der Stauverteilung auf die Existenz von Planeten hin.
Robert Seeberger