Eine Sprache sprechen, die (wieder) verbindet

Karin Mokrosch ist tief in das Thema Gewaltfreie Kommunikation eingetaucht. Mit Begeisterung vermittelt sie die von Marshall Rosenberg entwickelte Methode in Seminaren und Einzelberatungen.
Wie kamen Sie zur Gewaltfreien Kommunikation?
Karin Mokrosch: Ursprünglich als Betriebsökonomin tätig, habe ich mich immer schon für das menschliche Sein und deren Hintergründe interessiert. Ich wollte immer schon verstehen, was Menschen zu ihren Handlungen antreibt beziehungsweise motiviert. Im Rahmen einer Weiterbildung habe ich 2003 die Gewaltfreie Kommunikation erstmals kennengelernt und habe mich gleich damit wohlgefühlt.
Wie ging es weiter?
Mokrosch: Ich habe mich in das Thema vertieft und fand durch Recherchen heraus, dass Marshall Rosenberg damals im schweizerischen Reigoldswil lebte und arbeitete. Inspiriert von seinen Seminarangeboten habe ich im selben Jahr ein erstes fünftägiges Seminar besucht.
Ihr Eindruck?
Mokrosch: Die Begegnung mit der Arbeit von Rosenberg hat mich tief beeindruckt und berührt. Schon nach dem ersten Tag wusste ich, jetzt bin ich angekommen, hier ist mein Zuhause, wenn es um das geht, was uns Menschen verbindet.
Gab es weiteren Kontakt mit Marschall Rosenberg?
Mokrosch: 2004 habe ich ein weiteres zehntägiges Intensivseminar bei Rosenberg in Reigoldswil besucht und seit diesem Zeitpunkt biete ich eigene Seminar dazu an. Ich versuche auch, die Haltung hinter der Methode in mein Leben zu integrieren und bin sehr glücklich, noch eine Schülerin von Marshall Rosenberg, der 2015 verstarb, gewesen zu sein.
Wie kann man das Modell der GFK von Rosenberg beschreiben?
Mokrosch: Einander ernsthaft zuzuhören und sich ehrlich mitzuteilen. Heißt, sich selbst offen auszudrücken und andere Menschen einfühlsam aufzunehmen.
Wie darf man das verstehen?
Mokrosch: Das Modell hat erlernbare Schritte: Beobachten, anstatt zu verurteilen und zu bewerten, Gefühle wahrzunehmen und die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen und dies verbal auszudrücken. Der letzte Schritt beinhaltet eine klar formulierte Bitte an mein Gegenüber, mir ein Feedback über das Gehörte zu geben oder eine Handlung auszuführen.

Wofür braucht man das Modell?
Mokrosch: Gewaltfreie Kommunikation ist eine Aufforderung an unsere Sprache, die manchmal verletzend und trennend sein kann, zu reflektieren. Daher sollte man achtsam damit umgehen, die Sprache sollte uns verbinden und nicht trennen. Es gibt aber viele Menschen, die in Konfliktsituationen diesbezüglich an ihre Grenzen stoßen und sich verbal verbessern wollen. Dabei ist das Modell von Rosenberg eine große Hilfe.
Wer nimmt Ihre Dienste in Anspruch?
Mokrosch: Institutionen, die meist im Sozialbereich tätig sind und deren Mitarbeiter sich immer wieder in herausfordernden Situationen mit Kunden wiederfinden, sowie Unternehmen, die die Zusammenarbeit fördern, beziehungsweise interne Konflikte wertschätzend und achtsam lösen wollen. Natürlich gib es auch Privatpersonen, die ihre alltägliche Kommunikation mit ihren Mitmenschen verbessern möchten.
Die häufigsten Gebiete?
Mokrosch: : Konfliktsituationen in Unternehmen, zum Beispiel in Teams oder mit Kunden, in Beziehungen und Familien. Vor allem die Achtsamkeit und Wertschätzung im Umgang miteinander wird häufig im Alltag übersehen.
Und die Entwicklung?
Mokrosch: Im Moment wächst die Nachfrage bei allen Ziel- und Altersgruppen. Ich führe das darauf zurück, dass wir mehr und mehr mit uns selbst beschäftigt sind, die Verbindung mit anderen abnimmt und die Sprache damit ins „Abseits“ gerät.
Wie können Konflikte konstruktiv angesprochen werden?
Mokrosch: Auf Basis von Offenheit, Mitgefühl und Vertrauen. Ich kenne meine Bedürfnisse und Gefühle und bin fähig diese auszudrücken. Umgekehrt habe ich ausreichend Einfühlungsvermögen, um diese auch bei anderen wahrzunehmen und auch anzusprechen.
“Gewaltfreie Kommunikation wird auch eine Sprache des Friedens und der Verbindung genannt.”
Karin Mokrosch
Apropos Einfühlungsvermögen. Welche Rolle spielt das in einer Konfliktsituation?
Mokrosch: Empathie ist DAS Zauberwort jeder menschlichen Verbindung. Die Fähigkeit, uns in andere hineinzuversetzen, ist bei uns allen mehr oder weniger ausgeprägt und sie ist trainierbar. Für Einfühlungsvermögen braucht es drei Zutaten: Stille in mir, Präsenz und Achtsamkeit.
Sie haben sicher auch schon hitzige Situationen erlebt. Gibt es Strategien dabei ruhig zu bleiben?
Mokrosch: Ein Time out nehmen. Aus der Situation aussteigen, wenn ich merke, dass ich anfange zu werten und meine Emotionen hochkommen.
Ihre Erfahrungen und Erfolge mit der GFK-Methode?
Mokrosch: Die Methode eignet sich besonders für herausfordernde Gesprächssituationen und bestenfalls wird diese ins Leben integriert. Und das ist oft der Fall, viele kommen immer wieder, um ihr Wissen zu vertiefen und weiter zu üben. Das ist für mich der größte Erfolg.
Abschließend: Wie schmal ist der Grat zwischen verbaler und körperlicher Gewalt?
Mokrosch: Eine trennende, gewaltvolle Sprache führt meist nicht gleich zu physischer Gewalt. Langfristig jedoch können Bewertungen, Interpretationen oder Vorurteile, die in unserem Kopf, in unserem Weltbild verinnerlicht sind, auch zu körperlicher Gewalt führen. Dahinter verbirgt sich Angst, Ohnmacht und oftmals auch Hilflosigkeit, wenn Sprache nicht mehr ausreicht.
Haben Sie diesbezüglich schon Erfahrungen gemacht?
Mokrosch: Ich persönlich habe nie eine solche Erfahrung gehabt, jedoch begleite ich immer wieder Klienten, die körperliche Gewalt erleben. Hier braucht es viel Empathie, Einfühlung und Verständnis. Auch Zeit zu lernen, sich selbst zu schützen und sich verbal auszudrücken. Das betrifft übrigens nicht nur Frauen.

Zur person
Geboren und aufgewachsen ist Karin Mokrosch in Linz, wo sie die Ausbildung zur Lebens- und Sozialberaterin absolvierte. 1997 erfolgte der Umzug nach Vorarlberg, dort entschied sie sich für ein Studium der Betriebswirtschaft. Neben dem Studium tauchte die heute 65-Jährige auch ins selbstständige Berufsleben ein. Zuerst als Lebens- und Sozialberaterin, ab 2000 in der Unternehmungsberatung, wo sie als Coach, Trainerin und Supervisorin tätig ist. 2003 kam dann die Gewaltfreie Kommunikation dazu, ein Thema, bei dem die in Dornbirn lebende Karin Mokrosch immer mehr in die Tiefe ging – bis heute.