Ärztenachfolge: Es kann schnell gehen

Heuer sind im Bregenzerwald zwei Hausärzte in Pension gegangen. Beide Stellen konnten nahtlos nachbesetzt werden.
Wie in fast allen Berufszweigen herrscht bei Ärztinnen und Ärzten ebenfalls Personalmangel, gerade bei Hausarzt-Stellen ist es nicht immer einfach, sie nachzubesetzen. Mit Stand Ende Oktober gab es in Vorarlberg sechs freie Kassenstellen für Allgemeinmedizin: Röthis, Wolfurt, zwei Stellen im Kleinwalsertal und zwei in Feldkirch.
Auch im Bregenzerwald hat die Übernahme von Hausarztpraxen schon länger gedauert; so gab es vor einigen Jahren zum Beispiel in Mellau oder Schoppernau eine Zeit lang weder einen Hausarzt noch eine Hausärztin. Es kann aber auch anders laufen: Im heurigen Jahr verabschiedeten sich zwei Hausärzte der Talschaft in die Pension – Jodok Fink in Bezau sowie Rudolf Rüscher in Andelsbuch – und in beiden Fällen traten nahtlos Jungärzte an ihre Stelle. Stefan Elsässer ordiniert nun in Bezau, Johannes Marxgut in Andelsbuch.

Alexandra Rümmele-Waibel, die Kurienobfrau der Ärztekammer für Vorarlberg, sagt zu den geglückten Übernahmen im Bregenzerwald: „Natürlich sind wir, und vor allem auch die Österreichische Gesundheitskasse, froh, wenn Stellen so rasch nachbesetzt werden können und für Patientinnen und Patienten ein nahtloser Übergang möglich ist.“
Ein überzeugter Hausarzt
Stefan Elsässer, der neue von zwei Hausärzten in Bezau, erklärt: „Die Medizin ist heute hoch spezialisiert. Die Allgemeinmedizin ist aber breit gefächert. Man muss in allen Bereichen einen guten Überblick haben. Außerdem ist das Verhältnis zwischen den Patienten und einem Hausarzt viel persönlicher.“ Das sind für den 33-Jährigen die Gründe, warum er sich für die Allgemeinmedizin entschieden hat.

Stefan Elsässer absolvierte die Turnusausbildung zum Allgemeinmediziner großteils am Krankenhaus Dornbirn und sammelte als Sekundararzt an der Internen Abteilung sowie als Notarzt im LKH Bregenz Erfahrung. Am Ende seiner Turnusausbildung arbeitete er ein halbes Jahr bei der Mellauer Hausärztin Heidi Kaufmann. In dieser Zeit wurde ihm klar, dass eine Hausarztpraxis das Richtige für ihn wäre. Seit Anfang dieses Jahres führt er nun seine Praxis in den Räumen des pensionierten Hausarztes Jodok Fink in Bezau.
Ursprünglich ist Stefan Elsässer „ein Ländler“ aus Lauterach, wie er sagt. Aus privaten Gründen zog er jedoch in den Bregenzerwald und wollte deshalb hier als Allgemeinmediziner arbeiten. Da traf es sich gut, dass Jodok Fink kurz vor seiner Pensionierung stand. Im Jänner 2022 führte er die ersten Gespräche mit dem Arzt, ab Oktober praktizierte er drei Monate mit Jodok Fink, der 38 Jahre lang Gemeindearzt von Bezau war. Seitdem ist Stefan Elsässer alleiniger Hausarzt in der Praxis. Er wohnt mit seiner Familie auch in der Hinterwälder Marktgemeinde.
Problemlose Übergabe
Die Übergabe sei problemlos verlaufen, sagt der Hausarzt. Mit der Übernahme der Praxis ist er jetzt auch Unternehmer. „Das ist etwas Neues, in das man erst hineinfinden muss. Mittlerweile hat es sich aber gut eingespielt.“ Stefan Elsässer hat einige neue Geräte gekauft, zum Beispiel ein digitales Röntgengerät, ein EKG- oder ein Laborgerät. Andere Geräte konnte er übernehmen, ebenso die Einrichtung. Auch das Personal ist das gleiche wie bei seinem Vorgänger. All das erleichterte den Einstieg.

Bisher gefällt dem Arzt seine Arbeit sehr gut. Dass seine Praxis im Bregenzerwald liegt, sieht er als Vorteil: „Hier ist der Arbeitsalltag sehr vielseitig, zum Beispiel gehören dazu all die unfallchirurgischen Tätigkeiten vom Gipsen, Wundversorgung bis zum Einrenken einer Schulter.“ Weitere Aufgabengebiete sind Notarzteinsätze, Hausbesuche, Vorsorgeuntersuchungen, schulärztliche Tätigkeiten oder die Begleitung sterbender Menschen.
Empfehlung
Anderen kann er empfehlen, Hausarzt zu werden: „Die Allgemeinmedizin, die den Menschen als Gesamtes betrachtet, ist sehr spannend und schön“, sagt er.
Abschließend appelliert Stefan Elsässer, das Gesundheitssystem bewusst zu nutzen, also nicht wegen jeder Kleinigkeit ins Krankenhaus oder zum Arzt zu gehen. „Die Versorgung bei uns ist einzigartig, aber man sollte sie nicht überstrapazieren.“
Vom Neurochirurg zum Hausarzt
Johannes Marxgut (41) ist in Sibratsgfäll aufgewachsen, hat eine Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin absolviert und anschließend neun Jahre in der Neurochirurgie des LKH Feldkirch gearbeitet. Schließlich wollte er nicht mehr in einem Spital tätig sein und in seine Heimat, den Bregenzerwald, zurückkehren. Zu Letzterem erklärt er: „Hier sind die Möglichkeiten, Diagnostik und Medizin zu machen, größer.“
Als der Neurochirurg erfuhr, dass der Andelsbucher Hausarzt Rudolf Rüscher in Pension geht, wusste er: „Ich musste handeln. Denn alle anderen Stellen waren schon besetzt, und wenn keine unerwarteten Abgänge kommen, wird im Bregenzerwald erst in 15 Jahren wieder eine Hausarztpraxis frei.“
Zuerst gemeinsam ordiniert
Ab 1. Jänner 2023 ordinierte Johannes Marxgut gemeinsam mit Rudolf Rüscher, der 38 Jahre lang Hausarzt von Andelsbuch war und auch in der Mittelwälder Gemeinde aufgewachsen ist. Seit 1. Juli führt der 41-Jährige die Praxis allein. Mittwochs, wenn er geschlossen hat, bietet der ehemalige Gemeindearzt seine Dienste als Wahlarzt an. Außerdem steht er seinem jüngeren Kollegen beratend zur Seite: „Er nimmt weiterhin am medizinischen Alltag teil und hilft mir bei allen Fragen. Das ist ein sehr großer Vorteil. Von anderen, die eine Praxis übernommen haben, habe ich gehört, dass sie den Schlüssel in die Hand gedrückt bekamen, und das war’s“, erzählt Johannes Marxgut.

Ein weiterer Pluspunkt war für ihn, in eine voll ausgestattete Praxis zu kommen und nur ein neues Ultraschallgerät kaufen zu müssen. An die Hausarztpraxis ist räumlich die Physiotherapeutenpraxis „Reha Med“ angeschlossen. „Das ist ein großer Vorteil, weil die Wege kurz sind und wir uns gut austauschen können.“ Als „großes Glück“ bezeichnet Johannes Marxgut, dass er einen Teil des Personals übernehmen konnte und den anderen schnell gefunden hat. Zu seinen Mitarbeitenden gehört auch Stephanie Rüscher, die Tochter mit Behinderung des ehemaligen Gemeindearztes Rudolf Rüscher. Im Rahmen eines Projektes von Integration Vorarlberg kann sie begleitet in der Praxis mitarbeiten.
Zuspruch
Auf die Frage, wie es bisher war, die Hausarztpraxis zu führen, antwortet Johannes Marxgut: „Ich habe viel Neues gelernt, und das ist schön. Von den Patienten bekomme ich sehr viel Zuspruch, und sie sind sehr dankbar.“
Wenn er seine jetzige Arbeit mit derjenigen im Krankenhaus vergleicht, sieht er: „Hier habe ich eine stärkere Bindung zum Patienten und kenne die gesellschaftlichen Umstände.“ Anderen Medizinern und Medizinerinnen kann er die Tätigkeit als Hausarzt empfehlen, wenn „es nicht als störend und belastend empfunden wird, dass die Menschen auch mal außerhalb der Arbeitszeit auf einen zukommen“.