“Einen Einschlag wie 2023 hatte ich zuvor noch nicht erlebt”

Immobilienmakler Ambros Hiller über fehlende Finanzierungen, den massiven Einbruch in der Branche im vergangenen Jahr, gestiegene Ansprüche und die Zukunft des Einfamilienhauses.
Wie groß ist derzeit die Nachfrage nach Immobilien?
Ambros Hiller: Nach wie vor ungebrochen. Allerdings kommen aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten viele Käufe nicht zustande.
Das heißt, die Leute können sich die Immobilien nicht mehr leisten?Hiller: Ob sie sie sich leisten können oder wollen, ist ein anderes Thema. Das größte Hemmnis stellen derzeit tatsächlich die Unsicherheit und die Finanzierung dar. Im vergangenen Jahr haben wir eine ganze Reihe von negativen Ereignissen gehabt, die sich diesbezüglich stark ausgewirkt haben: Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen, eine eklatante Zinserhöhung, hohe Inflation, hohe Baupreise und die KIM-Verordnung. Das Zusammenspiel dieser Faktoren hat einen massiven Einbruch im Immobilienmarkt verursacht.
In welcher Größenordnung ist dieser Einbruch erfolgt?
Hiller: Ich schätze, dass der Markt speziell im Bauträgersektor um 90 Prozent eingebrochen ist. Es gab nahezu einen Stillstand, weil es eine Reihe an Schockmomenten waren, an die sich die Kaufinteressenten erst gewöhnen mussten. Jetzt wird es langsam wieder besser – trotz nach wie vor hoher Zinsen und bestehender KIM-Verordnung. Zwar wird spekuliert, dass mit dem Einbruch auch eine Preisreduktion einhergehen müsste, aber das ist bis dato nicht wirklich feststellbar.

Das heißt, die Preise sinken Ihrer Erfahrung nach nicht?
Hiller: Gebrauchtimmobilien, die vorher schon mit Augenmaß und marktkonform bewertet wurden, sind nach wie vor um diesen Preis zu verkaufen. Allerdings ist es so, dass vorher die Immobilienpreise teilweise zu hoch angesetzt wurden, weil jeder gemeint hat, es geht noch mehr. Dieses System ist jahrelang gut gegangen und jetzt geht es eben nicht mehr so. Jetzt sind wir wieder in einer gewissen Realität angelangt.
Es konnten also jahrelang überteuerte Immobilien verkauft werden und jetzt geht das nicht mehr?
Hiller: Nicht überteuert, aber aus Mangel an Angebot und der niedrigen Zinsen hat man alles verkauft, was auf den Markt gekommen ist.
Und damit war dann im Vorjahr Schluss?
Hiller: Das Jahr 2023 war generell ein sehr spezielles Jahr, weil da eben viele Faktoren zusammengekommen sind. Das hat diese Verunsicherung ausgelöst. Die Politik hat auch nicht viel dazu beigetragen, das aufzulösen, und die Medien haben auch mitgewirkt, den Negativtrend ständig zu kommentieren.
Zur Person
Ambros Hiller
Geboren 1958 in Egg. Handelsschule in Bezau, diverse Ausbildungen. Ausgebildeter Bankkaufmann (Sparkasse Egg), dann I+R Schertler und Hypo Vorarlberg (Hypo-Immobilienservice). Seit 1995 selbstständig als Immobilienmakler und Sachverständiger, anfangs auch zusätzlich als Bauträger. Mehrere Funktionen. Lebt in Egg-Großdorf. Verheiratet, zwei Kinder, fünf Enkel.
Was hätte die Politik tun sollen?
Hiller: Sie hätte sich mit dieser KIM-Verordnung beschäftigen sollen, gerade in Hinblick auf die parallel erfolgte drastische Zinserhöhung. Es gab den Hype, zugleich hatten alle Angst vor dem Bruch und man hat nichts dagegen getan. Die KIM-Verordnung ist ja erst gekommen, als die anderen Faktoren schon da waren und das hat letztlich zu einem wirtschaftlichen Keulenschlag in der Bau- und Immobilienbranche geführt.
Was die Zinsen betrifft: Die waren vor Jahren schon auch mal zweistellig, oder?
Hiller: Ja, ich habe mein Haus mit über zehn Prozent Zinsen gebaut und es dann mit 7,75 Prozent am Ende zurückbezahlt. Das waren andere Zeiten. Heute sind die Ansprüche an das Wohnen und an das Leben eben andere und Prioritäten anders gesetzt.
Das heißt?
Hiller: Es ist heute Standard, dass man ein, zwei Mal in den Urlaub fährt und sich Dinge leistet, die man sich damals in der Hochzinsphase nicht leisten konnte. Damals war der Rückzahlanteil für eine Immobilie meistens höher als die 40 Prozent des Haushaltseinkommens, wie es die KIM-Verordnung jetzt vorschreibt.

War es früher wirklich genau so schwierig war, Immobilien zu bauen bzw. zu erwerben oder sind nicht die Kosten relativ zu den Einkommen gestiegen?
Hiller: Es hat sich sicher verändert, aber es sind auch die Ansprüche nicht nur an die Größe der Wohnungen und speziell der Häuser wesentlich gestiegen. Dazu haben wir wesentlich mehr Singlehaushalte als früher und dadurch viel mehr Bedarf an Wohnraum, wodurch auch der Druck auf die Immobilien entstanden ist.
Sie sind seit über 30 Jahren im Immobiliengeschäft tätig. Gab es derart bewegte Jahre wie die vergangenen schon einmal?
Hiller: Es hat immer wieder Hochs und Tiefs gegeben und gewisse Dellen. Einen Einschlag wie 2023 hatte ich zuvor aber noch nicht erlebt.
Und die Hochphase vorher?
Hiller: Die war in diesen Dimensionen auch einmalig. In den Jahrzehnten zuvor hat es eine relativ kontinuierliche Steigerung gegeben, die wahrscheinlich auch gesünder war als dieser Hype. Da hätte die Politik wahrscheinlich im Zinsbereich früher eingreifen sollen. Das betrifft vor allem die EZB.

Wie werden sich die Immobilienpreise in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Hiller: Die Preise werden sicher nicht stark nach unten gehen, weil die hohen Kosten, die Ansprüche, die Gesetze, die Vorgaben der Behörden vorhanden sind. Und in Vorarlberg gibt es nicht genug Grund und Boden. Eine Lösung wäre, in die Höhe zu bauen.
Wird damit das Einfamilienhaus zum Auslaufmodell?
Hiller: Es wird weniger werden. Als Auslaufmodell sehe ich es nicht, weil der Wunsch vieler Leute, die es sich leisten können, nach wie vor im Einfamilienhaus sein wird. Es wird aber tendenziell so sein, dass die Grundstücke dazu kleiner werden.
Seit 1. Juli vergangenen Jahres gibt es das „Erstauftraggeberprinzip“ bei Mietwohnungen. Den Makler zahlen muss der, der den Auftrag gibt. Merken Sie diese Änderung in Ihrer Arbeit?
Hiller: Bei mir haben die Vermieter eigentlich schon vorher einen Teil bezahlt. Allerdings mache ich eher wenig Vermietungen.
Wissen Sie, wie das bei anderen Maklern ist, die mehr vermieten?
Hiller: Die haben schon rund 20 Prozent weniger, weil es die Vermieter zum Teil selber probieren. Wir haben in Vorarlberg viele Einzelinvestoren, Leute, die sich Geld erspart und damit eine Wohnung erworben haben, die sie vermieten. Die sagen eher, ich probiere es selber. Allerdings hatte ich gerade unlängst auch so einen Fall: Die sind wieder zu mir gekommen und haben gesagt, das mache ich nicht mit, machen Sie das wieder!

Wie werden sich die Mieten in den kommenden Jahren entwickeln?Hiller: Die Nachfrage nach Mietwohnungen wird bestehen bleiben. Ich glaube aber nicht, dass sie sich preislich in den Himmel bewegen werden. In Vorarlberg gibt es meinem Gefühl nach doch eine ausreichende Anzahl an privaten Mietwohnungen, die dem Markt zur Verfügung stehen. Zudem versucht man ja, mit dem diese Woche präsentierten Bauförderungspaket die Baubranche zu fördern.
Wie sehen Sie dieses Paket?
Hiller: Für mich ist es nicht greifbar. Da ist viel Geld, mit dem unter anderem die gemeinnützigen Bauträger praktisch gezwungen werden, um teures Geld billige Wohnungen für den Markt zu bauen. Ob das wirklich zielführend ist, ist ein anderes Thema.