Thoma im Interview: “Das muss man von Lehrern verlangen dürfen”

ÖVP-Mandatar und Wirtschaftsbund-Direktor Christoph Thoma spricht im ausführlichen NEUE-Interview über die – mittlerweile entkräfteten – Vorwürfe gegen ihn, seine Sicht der Dinge und warum es seiner Tochter jetzt viel besser geht.
Gegen Sie wurde im Zusammenhang mit schulischen Interventionen wegen des Verdachts der versuchten Bestimmung zum Amtsmissbrauch, schwerer Nötigung und gefährlicher Drohung ermittelt. Das Verfahren wurde jetzt eingestellt. Wie geht es Ihnen?
Christoph Thoma: Mir geht es viel besser. Die Sache hat meine Familie und mich in den letzten vier Monaten emotional sehr belastet. Ich bin teilweise nachts aufgewacht und habe darüber nachgedacht, wer mich da angezeigt haben könnte. Man muss sich vorstellen: Es ging hier um ein Kind in einer höchst privaten Angelegenheit, die erwiesenermaßen nichts mit meiner politischen Funktion zu tun gehabt hat. Ich vermute aber, dass das Ganze politisch gesteuert war.
Haben Sie eine Vermutung, aus welcher Ecke die anonyme Anzeige kommen könnte?
Thoma: Nein, ich werde keine Vermutungen anstellen. Aber der Verdacht liegt nahe, dass die Sache politisch motiviert war. Die Listennominierung für die Landtags- und Nationalratswahl passiert zwischen Jänner und März. In dieser Phase wurde die Causa publik – wohlgemerkt ein halbes Jahr nachdem die Sache schulintern erledigt war und wir unsere Tochter aus dem Gymnasium herausgenommen hatten.

Wie geht es Ihrer Tochter jetzt?
Thoma: Sie blüht richtig auf – auch leistungstechnisch. Sie schreibt Zweier in Fächern, in denen sie früher Fünfer geschrieben hat. Allein das ist Aussage genug. Kinder brauchen Wertschätzung und Unterstützung.
Wie schwer war die Entscheidung? Man reißt das Kind ja förmlich aus dem Lebensumfeld.
Thoma: Natürlich macht man sich Gedanken. Schlussendlich war es aber die beste Entscheidung für unser Kind.
Zurück zu Ihrem Vorgehen in der Sache: Was ist Ihre Sicht der Dinge?
Thoma: Ich habe als Vater für meine Tochter gekämpft, die im Stich gelassen wurde. Wenn ein Kind vier Fünfer schreibt und keine Unterstützung seitens der Schule bekommt, dann hinterfrage ich das. Das „Nicht Genügend“ im Zeugnis war gerechtfertigt und wurde auch nie beeinsprucht, das wurde permanent falsch kolportiert. Wir haben bei der Bildungsdirektion Widerspruch gegen die Entscheidung der Klassenkonferenz eingelegt, dass meine Tochter nicht in die nächste Schulstufe aufsteigen darf. Diesem wurde stattgegeben. Laut Bildungsdirektion entsprach die Entscheidung nicht den schulrechtlichen Bestimmungen. Es gab nämlich in keinem anderen Fach eine Vorwarnung.

Wer hat sich eigentlich an die Bildungsdirektion gewandt? Sie oder Ihre Frau?
Thoma: Das war meine Frau.
Weil Sie wussten, dass es Probleme geben könnte, wenn Sie das als Politiker machen?
Thoma: Nein, das hatte damit nichts zu tun. Meine Frau hat sich mit der Paragrafenregelung, sprich der Aufstiegsklausel im Vorfeld ausführlich auseinandergesetzt
Das eine Email, das ich von der Wirtschaftsbundadresse geschrieben habe, würde ich heute wahrscheinlich von meiner privaten Adresse schreiben.
Christoph Thoma, ÖVP-Landtagsabgeordneter und Wirtschaftsbund-Direktor
Neben der strafrechtlichen Komponente gibt es auch die moralische? Wie bewerten Sie Ihr Vorgehen aus heutiger Sicht?
Thoma: Da habe ich mir nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil. Wenn meine Tochter im Regen stehen gelassen wird, habe ich als Vater die Verpflichtung, mich vor sie hinzustellen. Ich habe aber die Lehrer nie darauf aufmerksam gemacht, dass ich Landtagsabgeordneter bin. Das steht halt in meiner Email-Signatur so wie bei Ihnen Stellvertretender Chefredakteur.
Ich benutze aber in privaten Angelegenheiten weder meine Signatur noch meine dienstliche Emailadresse.
Thoma: Ob die Signatur drunter stehen muss, darüber kann man sicherlich diskutieren. Das ist meines Erachtens aber nicht das Thema. Das eine Email, das ich von der Wirtschaftsbundadresse geschrieben habe, würde ich heute wahrscheinlich von meiner privaten Adresse verschicken.

Sie sollen sich auch sehr vehement in Unterrichtsmethoden eingemischt haben.
Thoma: Ich habe mich als Elternvertreter darüber beschwert, dass man zehnjährige Kinder dazu auffordert, sich zuhause im Internet über die richtige Anwendung von Kondomen zu erkundigen. Ich habe kein Problem mit dem Aufklärungsunterricht, aber ich hinterfragte die Methode. Ich wollte verhindern, dass die Kinder über das Internet möglicherweise zur Pornografie geführt werden. Das ist alles im Schriftverkehr nachzulesen. Und gut, dass die Lehrerin die Methode geändert hat.
Die Lehrer fühlten sich teilweise unter Druck gesetzt. Waren Sie aus heutiger Sicht zu schroff im Ton?
Thoma: Alle Zeugen haben gesagt, dass ich sie weder bedroht noch genötigt habe, darum kam es auch zur Einstellung des Verfahrens. Ich war aber sehr klar und bestimmt. Ich fordere Dinge ein. Von einer Lehrperson muss man verlangen dürfen, dass sie ihre Schüler unterstützt. Wenn ich das nicht mehr artikulieren darf oder einen Direktor nicht mehr bitten darf, sich um die Sache zu kümmern, dann frage ich mich schon, in welcher Gesellschaft wir leben.

Haben Sie in gewisser Weise Verständnis dafür, dass sich Lehrer unter Druck gesetzt fühlten.
Thoma: Ja, schon. Aber ich habe wochenlang gekämpft und wurde nicht gehört. Irgendwann kommt dann halt der Punkt, an dem man die Dinge sehr klar und deutlich artikuliert. Die Mehrzahl der Lehrer kann mit sowas sicherlich umgehen und macht einen guten Job.
In einem Medienbericht sagte der Direktor des Gymnasiums, dass er Sie gebeten habe, einen Gang zurückzuschalten.
Thoma: Ich kann mich nicht erinnern, dass er das je zu mir gesagt hat.
Sie sind mit Sicherheit nicht der einzige Elternteil, der schulische Nachteile für seine Kinder befürchtet und deswegen bei Lehrern interveniert. Und da geht es öfters hart zur Sache, wie man hört. Wie Sie wissen, wird für Politiker da aber eine andere Messlatte angelegt.
Thoma: Wenn ich kein Politiker wäre, hätte es hundertprozentig nie eine Anzeige gegeben.
War Ihnen nicht klar, dass das einmal auf Sie zurückfallen könnte?
Thoma: Das ist natürlich immer möglich. Aber noch einmal: Wenn es um meine Kinder geht, bin ich Vater. Da habe ich meine Pflicht, zu reagieren. Ich werde aber sicher nicht mehr Obmann eines Elternvereins. Man muss sich vielleicht grundsätzlich die Frage stellen, ob ein Politiker ein Ehrenamt ausüben sollte.

Es gibt immer mehr anonyme Anzeigen gegen gewählte Volksvertreter. Was sagen Sie dazu?
Thoma: Man hat es beim Landeshauptmann probiert, ich habe es erlebt. Politische Karrieren können zerstört werden. Es hat zumindest dazu geführt, dass ich nicht mehr für den Landtag kandidiere. Da sollte man sich schon fragen, ob man sowas in Zukunft verfolgen muss. Als öffentliche Person ist man viel angreifbarer.
Wie sehr schmerzt es, dass Sie in der nächsten Periode fix nicht mehr im Landtag sein werden?
Thoma: Ich wäre natürlich gern im Landtag geblieben, keine Frage. Damals war das aber die richtige Entscheidung, vor allem für meine Frau und meine Kinder.
Zur person
Christoph Thoma ist seit 2019 ÖVP-Kultursprecher im Landtag. Anfang 2023 wurde er zum Direktor des Wirtschaftsbunds Vorarlberg bestellt, nachdem sein Vorgänger wegen Vorwürfen der Steuerhinterziehung und Inseratenkorruption den Posten hatte verlassen müssen. Für die Landtagswahl 2024 kandidierte Thoma nicht mehr. Als Grund nannte er die anonyme Anzeige gegen ihn.