„Wir rechnen mit einer weiteren Steigerung“

Die 2024 erhoffte Erholung auf dem Arbeitsmarkt hat nicht stattgefunden. Auch 2025 wird noch ein herausforderndes Jahr, sagt AMS-Landesgeschäftsführer Bernhard Bereuter.
Mit Ende November 2024 lag die Arbeitslosenquote in Vorarlberg bei 6,2 Prozent, wobei sie in den Monaten davor kontinuierlich gestiegen ist. Es war kein gutes Jahr für den Arbeitsmarkt, oder?
Bernhard Bereuter: Wir haben Anfang des Jahres noch damit gerechnet, dass sich die wirtschaftlichen Entwicklungen im zweiten Halbjahr verbessern. Das ist nicht eingetroffen. Die Prognosen wurden immer wieder nach unten revidiert und das war auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar.
Mit steigenden Arbeitslosenzahlen …
Bereuter: Die Unternehmen versuchen, das Personal so lange wie möglich zu halten. Man hat gelernt, dass es nach Krisenzeiten bei einem Aufschwung auch schwierig ist, Arbeitskräfte zu finden. Irgendwann kommen Unternehmen aber an den Punkt, wo sie entscheiden müssen, wie es weitergeht. Wenn da nicht eine positive Entwicklung in Sicht ist, sinkt die Personalnachfrage. Ein erster Schritt ist meistens, dass offene Stellen nicht mehr nachbesetzt werden. Wenn es prekärer wird, kommt es zu Freisetzungen.
In welchen Branchen ist die Arbeitslosigkeit am meisten gestiegen?
Bereuter: In Vorarlberg im Industriebereich und im Baubereich, vor allem im Hoch- und Wohnbau. Im Baunebengewerbe lief es noch recht gut. Eng verknüpft damit waren Personalvermittlung und -überlassung, wo es auch zu mehr Arbeitslosen kam.
Waren das Vorarlberg-Spezifika oder Teil eines Bundestrends?
Bereuter: Wir haben von der Branchenstruktur her relativ viele Beschäftigte im Industriebereich. Knapp über ein Viertel aller Vorarlberger Beschäftigten ist dort tätig. Darum trifft uns diese Schwäche in der Industrie auch tendenziell stärker als andere Bundesländer. Noch stärker trifft es allerdings jene Bundesländer, die nahe an der Automobilproduktion bzw. -zulieferung sind.

Zuletzt haben bundesweit große Industriebetriebe Konkurs angemeldet. Wie schaut die diesbezügliche Situation in Vorarlberg aus?
Bereuter: Verhalten, aber im Moment noch eher ruhig. Entscheidend wird aber sicher das nächste erste Halbjahr.
Gab es 2024 auch positive Aspekte?
Bereuter: Insgesamt ist die Beschäftigung ja nicht gesunken, sondern sogar leicht angestiegen. Es gab aber große Verschiebungen zwischen den Branchen. Wir haben im Baugewerbe und im Industriebereich einen Rückgang an Beschäftigten, im Gesundheits- und Sozialwesen sowie der öffentlichen Verwaltung aber einen Anstieg. Unterm Strich blieb die Zahl also fast gleich, aber ich kann die Beschäftigten, die in einer Branche freigesetzt werden, nicht direkt in eine andere vermitteln. Das ist die Herausforderung auch für uns.
zur Person
Bernhard Bereuter
Geboren am 17. Mai 1973 in Innsbruck, aufgewachsen in Alberschwende.
Matura am Borg Egg. Ab 1995 Berater beim AMS Dornbirn, ab 2001 in der AMS-Landesstelle in Bregenz, ab 2009 stellvertretender Geschäftsführer, seit 2016 Landesgeschäftsführer. Seit 1993 zahlreiche Weiterbildungen.
Lebt in Egg, verheiratet, drei Kinder.
2025 könnte das dritte Rezessionsjahr in Folge in Österreich sein. Was bedeutet das für den Vorarlberger Arbeitsmarkt?
Bereuter: 2024 sind die Arbeitslosenzahlen bisher im Vergleich zum Vorjahr um 9,5 Prozent oder 890 Personen auf 10.214 gestiegen. Für 2025 rechnen wir mit einer weiteren Steigerung. Momentan gehen die Prognosen davon aus, dass sich im zweiten Halbjahr 2025 die Wirtschaft leicht erholt. Der Arbeitsmarkt reagiert darauf aber immer zeitverzögert, sodass im Jahresschnitt die Arbeitslosenzahlen steigen werden.
Im europäischen Umfeld, besonders in Deutschland, ist die Wirtschaft ebenso in der Krise. Was bedeutet das für Vorarlberg?
Bereuter: Vorarlberg ist exportorientiert und wenn sich die deutsche Krise bei uns auswirkt, dann kann es durchaus sein, dass die bestehende Prognose wieder nach unten revidiert wird. Dann müssen wir mit einem noch höheren Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen und hier beim AMS unsere Schwerpunkte danach ausrichten.
Was heißt das konkret?
Bereuter: Wir haben mehrere Schwerpunkte gesetzt, darunter etwa mehr Vermittlungsunterstützung anzubieten. Weiters werden wir die Fachkräfteausbildung noch stärker fördern, vor allem bei Personen mit maximal Pflichtschulabschluss. Da hatten wir Ende Oktober eine Arbeitslosenquote von 17 Prozent. Der dritte Schwerpunkt liegt auf Personen, die sich am Arbeitsmarkt schwer tun. Bei den Langzeitbeschäftigungslosen hatten wir 2024 einen Anstieg gegenüber dem Jahr davor.

Wie wird sich 2025 Ihrer Ansicht nach die Situation in den verschiedenen Branchen entwickeln? Die KIM-Verordnung fällt ja …
Bereuter: Wir rechnen damit, dass es im Industriebereich schon noch schwierig wird, vor allem im ersten Halbjahr. Wenn die KIM-Verordnung fällt, wirkt sich das sicher auf den Baubereich aus, aber zeitverzögert. Wenn sie im Halbjahr fällt, hat das frühestens gegen Ende des Jahres einen Effekt.
Wie hoch könnte die Arbeitslosenquote 2025 noch steigen?
Bereuter: Das ist schwer zu sagen. Aber sie könnten 2025 schon noch um rund 0,3 Prozent ansteigen, auf knapp unter 5,9 Prozent. Für heuer rechnen wir mit einer Arbeitslosenquote von rund 5,6 Prozent.
Aber nicht auf sechs Prozent?
Bereuter: Das glaube ich nicht. Wir haben auch Branchen, in denen es gut läuft. Etwa der Tourismus, der in Vorarlberg doch stark ist.

Was kann oder muss die Politik gegen die Arbeitslosigkeit tun?
Bereuter: Wenn wir mit mehr Arbeitslosen rechnen müssen, muss das Budget auch entsprechend angepasst werden. Im Moment ist für 2025 eine leichte Budgetreduktion vorgesehen. Das heißt, wir können weniger Angebot zur Verfügung stellen und das bei steigenden Arbeitslosenzahlen. Es ist wichtig, bei steigenden Arbeitslosenzahlen mehr zu qualifizieren, damit, wenn es besser wird, auch das entsprechende Personal da ist. Aber dazu sind natürlich Mittel notwendig.
Die Kassen sind aber leer.
Bereuter: Ja, wir haben aber die Hoffnung, dass wenn sich die eine Bundesregierung gebildet hat, auch Schwerpunkte gesetzt werden. Aus meiner Sicht ist es ein falsches Signal, wenn man in einer Zeit steigender Arbeitslosenzahlen weniger Budget hat. Wenn die Wirtschaft wieder wächst, brauchen wir die Arbeitskräfte. Modelle für die Qualifizierung haben wir.

Ist der Fachkräftemangel derzeit noch ein größeres Thema?
Bereuter: Fachkräfte werden nach wie vor in beinahe allen Branchen gesucht. Beispielsweise haben wir einen Mangel an Arbeitskräften im Gesundheits- und Sozialbereich. Da bilden wir aktuell in einer Stiftung über 400 Personen aus.
Wann sehen Sie dann wirklich „Licht am Ende des Tunnels“?
Bereuter: Schwierig. Ich bin grundsätzlich ein positiver Mensch. Daher hoffe ich, dass es im zweiten Halbjahr 2025 spürbar anzieht. Bei dem, was man rundherum hört, habe ich aber Bedenken, dass sich das ausgeht. 2025 ist sicher noch ein herausforderndes Jahr.