Eine Wahl wie eine Krankheit

Wahlkämpfe sind immer auch eine Zeit der Abrechnung, in der sich die Giftschränke leeren.
Der Landtagswahlkampf in Niederösterreich wirkt wie ein nicht enden wollender grippaler Infekt. Als außenstehender Alemanne hofft man einfach, dass es bald vorbei ist, bis dann der nächste Schüttelfrost kommt. Als hätte es nicht gereicht, dass die Bundes-ÖVP in verzweifelter Schützenhilfe für die wichtigste aller Landesparteien den Schengen-Beitritt für Rumänien und Bulgarien verhindert.
Die weitere Befragung der Landeshauptfrau vor dem U-Ausschuss in Wien erfolgte natürlich ebenso ohne inneren Zusammenhang mit dem Landtagswahlkampf, wie deren früheren und jüngsten Lobpreisungen in „Niederösterreich Heute“. Man kann nur froh sein, dass St. Pölten keine größeren strategischen Ziele in der Ukraine verfolgt. Wer weiß, wozu sich die Bundesregierung sonst noch genötigt sähe.
So „platzte“ halt pünktlich vor der Wahl ein Skandal im ORF-Landesstudio Niederösterreich. Wahlkämpfe sind ja auch immer eine Zeit der Abrechnung, in der sich die Giftschränke leeren wie das reuige Gewissen der katholischen Sünden beim päpstlichen Fernsehsegen. Wenn man sich manche ORF-Landesstudios so besieht, kann man es den Mitarbeitern freilich kaum verübeln, dass sie einem Chef mit monochromer Farbwahrnehmung bei der Gelegenheit öffentlich heimleuchten. Das hätte anderen Landesstudios auch nicht schlecht getan. Wer einmal zuhören musste, wie der vormalige „Wien Heute“-Moderator Paul Tesarek den damaligen Bürgermeister Michael Häupl interviewte, hat auch alles erlebt, was an unkritischen Fragen möglich ist. Tesarek hat übrigens nach dessen Amtszeit eine Häupl-Biografie herausgebracht. Vielleicht wäre das auch was für den niederösterreichischen Landesdirektor Robert Ziegler: Eine Erwin Pröll Beweihräucherung würde sich vor Weihnachten sicher gut verkaufen.
Dass die Koalition im Bund bei nächster Gelegenheit den politischen Konstruktionsfehler bei der Besetzung der ORF-Landesdirektoren beheben wird, darf jedoch bezweifelt werden. Die kommende Rundfunkreform wird vermutlich mehr als nur ein hinkendes Bein haben. Früher oder später fährt dann der Verfassungsgerichtshof hinein, den die heimische Politik bei der Gelegenheit wie üblich als unvorhersehbare göttliche Gewalt darstellen wird: „Die parteipolitische Dominanz im Stiftungsrat war schon länger potenziell verfassungswidrig?! Wer hätte das gedacht?“
Das wird sich vor der Wahl in Niederösterreich freilich nicht mehr ausgehen und so darf man gespannt sein, was Johanna Mikl-Leitner, ihres Zeichens Verteidigerin der letzten absoluten Mehrheit auf Landesebene, und die illoyale Opposition Ihrer Majestät noch alles an bundespolitischen Spassetteln aus dem Hut zaubern werden. Vielleicht eine Aufhebung der Schaumweinsteuer vor Silvester? Was die Schengen-Bbeitritte betrifft wird man in Brüssel – sicher bald nach der Wahl in Niederösterreich – einen wunderbaren Kompromiss finden, der vermutlich darin besteht, dass Rumänien und Bulgarien in Zukunft nur noch ORF-Landesdirektoren Asyl gewähren dürfen.