Kommentar

Österreich gräbt sein Loch tiefer

18.01.2023 • 12:48 Uhr
Sergej Lawrow und Außenminister Alexander Schallenberg trafen sich 2021 noch in Wien. <span class="copyright">APA/GEORG HOCHMUTH</span>
Sergej Lawrow und Außenminister Alexander Schallenberg trafen sich 2021 noch in Wien. APA/GEORG HOCHMUTH

Österreich ist dabei, sein Loch der internationalen Bedeutungslosigkeit noch tiefer zu graben.

Die österreichische Außenpolitik hat sich in den vergangenen Jahren mehr oder minder darauf beschränkt, einzelne Politiker im Inland gut dastehen zu lassen. Da gab es 2017 etwa einen Ausflug des damaligen Außenministers Sebastian Kurz nach Malta. Sein Ziel war ein Fototermin auf einem Schiff der europäischen Grenzssicherungsagentur Frontex. Da störte es auch nicht, dass deren Schiffe zu diesem Zeitpunkt alle auf See waren und auch nicht für Kurz umdrehen wollten. Kurzerhand wurden Fotos auf einem Schiff der maltesischen Küstenwache gemacht, das man den heimischen Medien als Frontex-Gefährt verkaufte.
Damit richtete Kurz wenigstens nur Schaden an der Wahrheit an, aktuellere Auswüchse österreichischer Außendarstellung hinterlassen hingegen ganz andere Krater in der Reputation der Republik.

Da ist etwa die Aussage des ehemaligen Bundeskanzlers und nun erneuten Außenministers Alexander Schallenberg, der kürzlich meinte, man solle im Umgang mit Russland nicht das Augenmaß verlieren. Nun ist es freilich wichtig, in allen Dingen das richtige Maß zu wahren, allerdings drängt sich auch die Frage auf, welches Maß der Herr Bundesminister angesichts der Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Russland derzeit in der Ukraine verübt, als angebracht empfinden würde. Wo hat man bisher unangebracht auf einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, auf die Zerstörung ziviler Infrastruktur, auf die Bombardierung von Wohnhäusern, die Folter an gefangengenommenen Soldaten, die Vergewaltigung von Frauen und Kindern oder die Deportation abertausender Ukrainer nach Russland reagiert?

Tatsächlich vermittelt die Aussage Schallenbergs den Eindruck, als läge Österreich viel daran, zu den guten alten Zeiten zurückzukehren, in denen man Vladimir Putin mit Applaus in der Wirtschaftskammer empfing, während seine Agenten Offiziere des Bundesheeres zum Landesverrat anstifteten. Vielleicht wünscht man sich auch die Oligarchen zurück, die sich mit ihren ergaunerten Milliarden schicke Villen in den Wiener Vororten oder in Lech gekauft haben?
Dass man in Österreich die weitreichenden Verwerfungen ignoriert oder nicht versteht, die der Krieg Russlands gegen die Ukraine mit sich gebracht hat und weiter mit sich bringen wird, ist fatal. Während Raiffeisen immer noch fleißig Geschäfte beim Aggressor macht, organisiert die Außenhandelsdelegation in Moskau Skiausflüge für österreichische Investoren.

Wenn es Österreichs Außenpolitik der Zweiten Republik an etwas nicht gemangelt hat, ist es Opportunismus. Aber sogar dieser Instinkt scheint nun zu versagen. Dass man sich vor einem sterbenden Regime auf den Boden wirft, schadet nicht nur dem Ruf des Landes, sondern auch dessen Beziehungen zu den vielen Nachbarstaaten Russlands, die diesem aus guten Gründen kritisch gegenüberstehen. Österreich ist derzeit dabei, sein Loch der internationalen Bedeutungslosigkeit noch tiefer zu graben. Mit etwas Glück führt das zumindest dazu, dass die Geschichte kein allzu helles Schlaglicht auf unser Verhalten in diesem Krieg wirft.