Die Medien sind keine vierte Gewalt

Medien, die ein Machtfaktor sein wollen, haben ebenso ein Abgrenzungsproblem, wie staatliche Akteure, die glauben, Einfluss nehmen zu können.
Menschen neigen gerne zur Selbstüberzeichnung, Journalisten vielleicht noch etwas mehr. Gerne lässt man sich in der Branche als vierte Gewalt im Staate hofieren, die Regierungshandeln zu kontrollieren habe. Dieses Bild hat in den vergangenen Jahren durch diverse Skandale zunehmend gelitten und wird daher umso intensiver als Indeal heraufbeschworen – auch nun, da die Brache wieder einmal kriselt, die Wiener Zeitung eingestellt wird und sowohl der Kurier als auch die Kleine Zeitung Stellen abbauen. Tatsächlich war der Journalismus aber nie eine vierte Gewalt und er sollte es auch nicht sein. Der Begriff der Staatsgewalten kommt aus dem Absolutismus und es ist kein Zufall, dass die österreichische Bundesverfassung ihn meidet. Gewalt ist nur ein Mittel, um das durchzusetzen, worum es im modernen Staat geht: das Recht. Und daher geht auch dieses und nicht die Gewalt vom Volk aus.
Aber sogar dann, wenn man sich mit dem Begriff anfreunden kann, gehört der Journalismus dort nicht hin. Die Funktion, die er in der Gesellschaft erfüllt, ist zutiefst nicht-staatlich. Der Journalismus steht außerhalb. Das ist auch bitter notwendig, weil sich freie Medien weder im Wettbewerb mit Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Vollziehung befinden, noch Teil des inneren Machtausgleiches dieser drei Staatsaufgaben sind.
Medien haben dieses System von außen zu beobachten und beschreiben. Das Fehlen von staatlichem Druck, aber auch von eigenem Macht- und Anspruchsdenken sind das Fundament der Pressefreiheit.
Medien, die ein Machtfaktor sein wollen, haben ebenso ein Abgrenzungsproblem, wie staatliche Akteure, die glauben, abseits von Informationstätigkeiten und manchmal notwendigen Richtigstellungen Einfluss auf die Berichterstattung nehmen zu können. Einen Mangel an Verständnis für die Unabhängigkeit der Medien findet man aber nicht nur in der Politik. Es gibt Proponenten in allen Gesellschaftsbereichen, die glauben, Texte vorab oder gar nachträglich redigieren zu können. Am deutlichsten findet man das bei Interviewpartnern, die nach Interviews nicht nur die eigenen Antworten, sondern sogar noch die Fragen ändern möchten. Die Entrüstung, dass Medien die Dinge nicht so beschreiben, wie man sie selbst wahrnimmt, teilen sich leider einige. Frägt man nach konkreten Fehlern, fallen die Antworten dann meist dünn aus. Meinungen und Tatsachen sind heute für zu viele oft dasselbe.
Gerade deshalb würde es uns brauchen. Es gibt jedoch berechtigte Zweifel daran, dass es eine Renaissance der Tageszeitung geben wird. Aber wenn wir schon schrumpfen, dann bitte mit Würde. Den Medien würde es schon helfen, sich vom eigenen Anspruchsdenken zu verabschieden. Wir sind eben keine Beamten, sondern nur Journalisten, mit allen Fähigkeiten und Fehlern. Manchmal sind wir vielleicht etwas bissig, aber das zumindest völlig gewaltfrei.