Die Suche nach der nächsten Generation

Betriebsnachfolgen sind in Österreich schwach beackertes Feld.
Sein Sohn habe ein Recht auf ein selbstbestimmtes Leben und wolle nicht in das Familienunternehmen wechseln, gab Ernst Prost, Chef des deutschen Mineralölspezialisten Liqui Moly unlängst in der „Wirtschaftswoche“ zu Protokoll. Es mache nämlich „wenig Sinn, wenn ein Kind aufgrund erbhistorischer Zufälle gezwungenermaßen Chef spielen soll in einem Laden mit tausend Mitarbeitern und einer dreiviertel Milliarde Euro Umsatz – das kann nicht gut gehen“. Und weil er „seinen Sohn zu sehr liebe, als ihn in diese Mühle zu zwingen“, habe er die Nachfolge schon frühzeitig anders geregelt. Prost hat sein Unternehmen verkauft.
Was der 65-Jährige im großen Stil praktiziert hat, passiert auch in Österreich. Aber zu selten, wie die Statistik belegt, Institutionen wie die Wirtschaftskammer beklagen und Experten wie Helmuth Antonu bestätigen. Antonu betreibt in Neusiedl seine „Nachfolge Agentur“, die sich auf Betriebsübergaben spezialisiert hat.
Der Bedarf an diesem Service ist gesichert. 2018 gab es in Österreich rund 6500 Betriebsnachfolgen. Und bis 2027 stehen noch rund 41.700 kleine und mittlere Betriebe zur Übergabe an, 900 Betriebe sind es, die allein in der Steiermark jährlich an die nächste Generation übergeben werden.
Vorbereitung wird vielfach unterschätzt
Nicht immer findet der Topf aber gleich den richtigen Deckel: So sind auf der Online-Plattform „Nachfolgebörse“ der Wirtschaftskammer aktuell bundesweit 885 Unternehmen eingetragen, die neue Eigentümer suchen: 62 davon sind es in Kärnten, 323 in der Steiermark – vom Friseursalon über Modellbauunternehmen bis zum Kaffeemaschinenvertrieb.
Und während es für Start-ups hell ausgeleuchtete Förderprogramme gibt und ein trendiges, hippes Image poliert wird, kriecht das Thema Betriebsübergaben in Sachen staatlicher Unterstützungen weiterhin im Halbschatten dahin, beklagt Antonu. Er bietet von der frühzeitigen Käufersuche über die Firmenbewertung und Aufbereitung der entsprechenden Übergabedokumente bis zur Finanzierungssicherung. Eine Vorbereitung, die von den betroffenen Unternehmen selbst vielfach unterschätzt wird.
Nicht jedem Nachfolger wird das Feld so aufbereitet wie Heiner Oberrauch, dem heutigen Chef der Oberalp-Gruppe (Dynafit, Salewa). Dem damals 19-Jährigen wurde zusammen mit seinem Bruder von deren Vater ein Sportartikel-Geschäft in Bozen übergeben. Der Senior ließ den Nachwuchs autark arbeiten – und mit dem Angebot „Wenn ihr eine Frage habt, kommt zu mir“ Fehler machen. Sie kamen selten. „Wir haben unsere Mutter später gefragt, ob er sich daheim über unsere Fehler nie aufgeregt hat. Ja freilich, hat sie gesagt und ihn aufgefordert, es ,den Buben’ auch zu sagen. Aber er hat nur gemeint: ,Da müssen sie selbst draufkommen!’“ Und wie praktiziert er selbst heute die Übergabe des Unternehmens an seine Tochter? „Ratschläge sind auch Schläge, ich halte mich da zurück. Aber ganz so wie mein Vater werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen, das muss ich zugeben.“
Worauf Übergeber achten müssen
Vorausdenken. Viele beginnen sich zu spät mit dem Thema Übergabe zu befassen, warnt Helmuth Antonu. Erst kurz vor Pensionsantritt sich darüber Gedanken zu machen, erzeugt Zeitdruck, der Fehler provoziert und den erzielbaren Erlös schmälern kann.
Investitionen. Im Geiste schon abgeschlossen zu haben und auf notwendige Investitionen wegen der bevorstehenden Übergabe zu verzichten, senkt den Preis und die Attraktivität des Betriebs.
Expertenmeinung. Man dürfe, so Antonu, die Komplexität einer Übergabe nicht unterschätzen und sollte daher Experten zuziehen. Ansonsten können irreparable Schäden am Lebenswerk entstehen.
Preis. Emotionale Bindung zum selbst gegründeten Betrieb ist zwar ein Wert, treibt aber den Verkaufspreis nicht in die Höhe.
Worauf Übernehmer achten müssen
Vor einer Übernahme ist eine genaue Betriebs- und Marktanalyse unablässig.
Es braucht Antworten auf folgende Fragen:
- Welche Gründe hat der derzeitige Eigentümer für die Abgabe des Unternehmens?
- Wie ist das unternehmerische Umfeld (Lieferanten, Kunden, Standortentwicklungen) zu beurteilen?
- Wie haben sich zuletzt Umsatz, Gewinn, Investitionen, Kosten usw. entwickelt?
- Welche Perspektiven gibt es in der Branche und für das Übergabeprojekt im Besonderen?
- Vor welchen innerbetrieblichen Herausforderungen steht das Unternehmen?
- Welche rechtlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel bestehende Verträge und Genehmigungen, sind zu bedenken?
- Passt die Mitarbeiterstruktur?
Wege zum Betriebsnachfolger
Der Kauf ist die wohl üblichste Form einer Betriebsübernahme.
Im Vorfeld gilt es, neben steuerrechtlichen auch haftungsrechtliche Fragen zu klären. Abgesehen von einem vertraglich fixierten Kaufpreis zu einem bestimmten Zeitpunkt bieten sich auch verschiedene Varianten einer Renten-Zahlung an den Vorbesitzer an. Neben dem Kaufpreis sind aber jedenfalls auch erforderliche Neuinvestitionen oder Umbauten vorab zu kalkulieren.
Der Anteilskauf ist dagegen keine klassische Betriebsnachfolge. Es werden lediglich Anteile an einem Unternehmen weitergegeben. Aufträge und Verträge laufen weiter, auch bei Schulden und anderen Verbindlichkeiten gibt es keine Veränderung.
Die Schenkung als Art der Betriebsübergabe kommt oft in Familienbetrieben vor.
Die Erbschaft sollte als Form der Übergabe im Idealfall schon vorab genau geregelt sein, da sonst unter Umständen die Gefahr einer Aufsplittung des Unternehmens besteht und damit der Fortbestand gefährdet sein kann.
Die Pacht ist eine Form der Übergabe, bei der der Pächter für die Dauer des Pachtvertrags zwar das Unternehmen nutzen kann, es gehört ihm aber nicht.
Die Umgründung in eine andere Rechtsform muss aus steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht nicht immer von Vorteil sein. Eine professionelle Beratung lohnt sich.