Nehammers ÖVP als Partei der Kommunen

11.07.2024 • 18:26 Uhr
Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
Bundeskanzler Karl Nehammer äußerte sich umfassend zu vielen Themen. Rhomberg

Der Bundeskanzler besucht österreichweit Regionalkonferenzen mit Gemeindefunktionären.  Die NEUE sprach mit ihm in Dornbirn über Renaturierung, Putins Gas, Asyl, Nato  und den Bruch mit Leonore Gewessler.

Im Rahmen seiner Tour durch die ganze Republik bringt Bundeskanzler Karl Nehammer seinen im Jänner medial groß inszenierten „Plan für Österreich“ unters Volk.

Oder besser gesagt unter die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, als ÖVP stelle man ja rund 1500 der knapp 2000 Gemeindeoberhäupter. Besonders betonte er im Gespräch mit der NEUE die Bedeutung der Regionalkonferenzen, die in ganz Österreich abgehalten werden, um direkt mit Bürgermeistern und Gemeinderäten in Kontakt zu treten. 

Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
Der Kanzler im Gespräch mit der NEUE. Rhomberg

„Diese Konferenzen zielen darauf ab, die Bedürfnisse der Gemeinden zu erfassen und maßgeschneiderte Lösungen zu bieten.„Unsere Regionalkonferenzen sind entscheidend, um ein unmittelbares Gefühl dafür zu bekommen, was die Menschen bewegt“, erklärte Nehammer. „Die Bürgermeister sind oft die ersten Ansprechpartner und kennen die lokalen Herausforderungen am besten.“

Finanzielle Unterstützung. Ein zentrales Thema des Gesprächs war das kommunale Investitionspaket, das die Gemeinden finanziell unterstützt. „Die Gemeinden haben durch die Pandemie, die Energiekrise und die Inflation erheblich gelitten“, so Nehammer. „Deshalb haben wir ein neues Unterstützungssystem eingeführt, das direkt vom Bund finanziert wird.“ Das dritte Paket sieht vor, dass nur noch 20 Prozent der Kosten von den Gemeinden selbst getragen werden müssen, während der Bund 80 Prozent übernimmt. Zusätzlich wurden 300 Millionen Euro zur Liquiditätssicherung bereitgestellt.

Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
Die Gemeinden stehen beim Kanzler hoch im Kurs. Rhomberg

„Dieses Paket ist wichtig, damit die Gemeinden weiterhin in die Infrastruktur investieren können, sei es in Kindergärten, Freizeiteinrichtungen oder klassische Infrastrukturprojekte“, erläutert Nehammer. Besonders die regionale Bauwirtschaft profitiere von diesen Maßnahmen, da sie eng mit den kommunalen Projekten verbunden sei.

Zwist mit Gewessler

Die EU-Renaturierungsverordnung, die in Österreich kontrovers diskutiert wird, sitzt immer als Stachel tief im Fleisch des Regierungsoberhaupts. „Die Energieministerin hat einen Rechtsbruch begangen, indem sie diese Verordnung ohne Rücksprache umgesetzt hat“, kritisierte Nehammer. Er erklärte, dass die Verordnung in ihrer jetzigen Form die spezifischen Gegebenheiten Österreichs nicht ausreichend berücksichtigt und eine Überbürokratisierung darstelle. „Österreich hat bereits sehr hohe Umweltstandards, und die Verordnung aus Brüssel belastet unsere kleinstrukturierten bäuerlichen Betriebe und die Forstwirtschaft massiv.“

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Umweltministerin Gewessler und der Kanzler werden wohl keine Freunde mehr. Rhomberg

Österreich und die Nato

Im Kontext internationaler Beziehungen und Sicherheitspolitik wurde auch die Nato angesprochen. Kritiker hatten bemängelt, dass Österreich beim Nato-Gipfel abwesend war. Nehammer erklärte dazu: „Österreich ist nicht Teil der Nato, sondern in der Partnerschaft für den Frieden und beteiligt sich nur an Friedensmissionen. Es gibt in der Friedenssicherung eine militärische Kooperation und unsere Systeme sind sofort einsatzbereit.“

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Die Absenz beim Nato-Gipfel sorgte für Kritik. Rhomberg

Nehammer unterstrich die Neutralität Österreichs als wichtige Rolle in der Außenpolitik. „Österreich ist militärisch neutral, aber Teil der Europäischen Union. Wir haben ein hohes Interesse daran, friedensfördernde Maßnahmen zu unterstützen.“ Ein Beispiel dafür sei der Besuch des indischen Premierministers Modi in Österreich. „Indien spielt eine wichtige Rolle in der internationalen Diplomatie und kann Einfluss auf den russischen Präsidenten nehmen, um Frieden in der Ukraine zu fördern“, führte Nehammer weiter aus.

Abschließend betonte Nehammer die Prioritäten der österreichischen Außenpolitik: „Es ist entscheidend, dass wir uns international gut vernetzen und gleichzeitig unsere Neutralität bewahren, um als Brückenbauer für den Frieden zu agieren.“

Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
In Sachen Asyl zeigte sich Nehammer gewohnt hart. Rhomberg

Russisches Gas

Im Zusammenhang mit der Energiepolitik und den Herausforderungen durch die Abhängigkeit von russischem Gas äußerte sich Nehammer zur Rolle der Gazprom und den Maßnahmen, die Österreich ergriffen hat, um die Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten. „Es war entscheidend, den Gasspeicher Haidach, der von Gazprom nicht genutzt wurde, unter österreichische Kontrolle zu bringen“, erklärt Nehammer. „Wir haben sichergestellt, dass Österreich nicht erpressbar ist und dass die Energieversorgung auch ohne russisches Gas stabil bleibt.“

Nehammer betont, dass die OMV, Österreichs größter Energiekonzern, bedeutende Schritte unternommen hat, um sich unabhängig von russischem Gas zu machen. „Die OMV hat sich strategisch neu aufgestellt und importiert nun auch Gas aus Norwegen. Zudem haben wir die Kapazitäten für den Gasaustausch mit Deutschland ausgebaut, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen.“

Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
Die Regierungskoalition hat ein Ablaufdatum, wie Nehammer unterstrich.Rhomberg

Die Herausforderungen, die durch die langjährigen Verträge mit Gazprom entstehen, sind komplex. „Es geht hier um privatrechtliche Vereinbarungen, und Eingriffe in diese Verträge könnten Österreich als Investitionsstandort schaden“, so Nehammer. „Unsere Priorität ist die Versorgungssicherheit, und wir haben Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass Österreich auch in Krisenzeiten ausreichend versorgt ist.“

Herausforderung Asylpolitik

Nehammer betonte die Notwendigkeit eines effektiven Systems zur Bewältigung der Migration. „Österreich ist eines der sichersten Länder der Welt, und jeder, der hierherkommt, tut dies freiwillig. Unser Ziel ist es, die illegale Migration zu reduzieren und gleichzeitig den Menschen zu helfen, die tatsächlich Schutz benötigen“, erklärt der Kanzler.

Ein zentrales Element der Asylpolitik ist die Kontrolle der EU-Außengrenzen. „Wir müssen das Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität zerstören, indem wir Asylverfahren in Drittstaaten durchführen“, so Nehammer. 

Bundeskanzler Karl Nehammer Pressegespräch, Hotel Flint Dornbirn
Kanzler Karl Nehammer mit Dietmar Wetz, ÖVP-Vorarlberg-Geschäftsführer. Rhomberg

Nehammer betont auch die Notwendigkeit, die Integration von Asylwerbern zu verbessern und ihnen sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. „Es ist wichtig, dass Menschen, die auf ihren Asylbescheid warten, ihre Zeit sinnvoll nutzen können. Gemeinnützige Arbeit ist eine Möglichkeit, dies zu erreichen“, erklärt er. Gleichzeitig betont er die Bedeutung der Einhaltung der Gesetze: „Wer in Österreich um Schutz ansucht, muss sich an unsere Regeln halten. Bei Verstößen muss es Konsequenzen geben.“ Und hier gehe Vorarlberg mit dem Codex einen Weg, der Vorbildcharakter habe.

Drei Fragen an Karl Nehammer

Wo sind die Vorarlberger Kommunen gefordert?

Karl Nehammer: Die Rückmeldungen der Bürgermeister zeigen, dass die Investitionspakete gut ankommen, aber es gibt noch viel zu tun. Die Themen reichen von der Kinderbetreuung und Infrastruktur bis hin zu Integration und Sozialleistungen. Planungssicherheit ist ein großes Thema. Das kommunale Investitionspaket sowie der Finanzausgleich bieten mehr Sicherheit.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Gemeinden?

Nehammer: Das dritte Investitionspaket, das eine Kostenaufteilung von 20 Prozent Eigenfinanzierung durch die Gemeinden und 80 Prozent Unterstützung durch den Bund vorsieht, hat für große Erleichterung gesorgt.

Wie wirkt sich die Renaturierungsverordnung auf kommunaler Ebene aus?

Nehammer: Wir bekennen uns klar zum Umweltschutz und Österreich ist hier federführend. Die EU-Renaturierungsverordnung stellt eine große Herausforderung dar. Die Verordnung berücksichtigt die spezifischen Gegebenheiten in Österreich nicht ausreichend und führt zu einer Überbürokratisierung. Unsere kleinstrukturierten bäuerlichen Betriebe und die Forstwirtschaft werden dadurch massiv belastet. Wir arbeiten daran, diese Bürokratiehürden abzubauen und auf die Besonderheiten unserer Regionen Rücksicht zu nehmen. Es ist wichtig, dass wir hier eine Balance finden und unsere hohen Umweltstandards beibehalten.

(NEUE)