„Wichtig ist, dass wir schnell ins Tun kommen“ 

29.12.2024 • 12:00 Uhr
„Wichtig ist, dass wir schnell ins Tun kommen“ 
Markus Wallner im großen Interview mit der NEUE am Sonntag. Stiplovsek


Landeshauptmann Markus Wallner lässt im Gespräch mit der NEUE am Sonntag kurz vor Jahreswechsel ein ereignisreiches Jahr Revue passieren. Ausblick auf das neue Jahr unter neuer Regierung, eine herausfordernde Wirtschaftslage und seine Sicht auf die Causa Tschann.

NEUE am Sonntag: Herr Landeshauptmann, das vergangene Jahr war geprägt von politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Welche Themen haben Sie besonders gefordert?

Markus Wallner: Das Jahr war in der Tat intensiv, vor allem durch den Wahlkampf. Wir haben versucht, diesen zeitlich zu begrenzen, was uns dennoch einiges an Kraft gekostet hat. Gleichzeitig war es eine wertvolle Erfahrung, weil ich in vielen Gesprächen und Begegnungen erfahren habe, wo den Menschen der Schuh drückt. Die größten Themen waren Migration, Sicherheit, Wohnen und die wirtschaftliche Entwicklung. Gerade die Stimmungslage im Land war in diesem Jahr sehr klar: Die Menschen fordern Veränderungen, insbesondere in der Migrationspolitik, und eine verlässliche Stabilität bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

„Wichtig ist, dass wir schnell ins Tun kommen“ 
Wallner blickt auf ein herausforderndes Jahr zurück.Stiplovsek

NEUE am Sonntag: Was waren Ihrer Meinung nach die drängendsten Anliegen der Bevölkerung, die sich in diesen Gesprächen widerspiegelten?

Wallner: Migration war das dominante Thema, und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Menschen wollen, dass wir klare Werte definieren und diese auch einfordern: Akzeptanz unserer Strukturen, Integration in den Arbeitsmarkt und nicht nur ins Sozialsystem. Dazu kamen wirtschaftliche Sorgen. Die Anzeichen einer Konjunkturabschwächung sind spürbar – steigende Arbeitslosigkeit und ein Fachkräftemangel, der Betriebe belastet. Hinzu kommt die Frage nach leistbarem Wohnraum. Vor allem junge Menschen äußerten Unzufriedenheit über die hohen Kosten. Das war im Wahlkampf überall präsent.

NEUE am Sonntag: Großprojekte wie der Stadttunnel Feldkirch oder das Rhesi-Projekt zeigen, wie schwierig die Balance zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Umweltschutz ist. Wie lösen Sie diesen Zielkonflikt?

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Der Landeshauptmann pocht auf schnelle Reaktion.Stiplovsek

Wallner: Projekte wie Rhesi sind ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, Hochwasserschutz mit Klimaschutz und der Rückgewinnung von Naturraum zu verbinden. Hier sind wir gut vorangekommen, auch dank der Einigung mit der Schweiz. Beim Stadttunnel Feldkirch haben wir den Baustart geschafft, aber die jahrelangen Verzögerungen durch Einsprüche waren problematisch. Ich verstehe den Widerstand gegen solche Projekte nur bedingt, denn Klimaschutz ist auch Menschenschutz. Weniger Verkehr in Städten bedeutet bessere Luft und mehr Lebensqualität. Verzögerungen verursachen zudem enorme Kosten, die wir dann wieder alle zusammen zu tragen haben.

NEUE am Sonntag: Apropos Widerstand: Wie beurteilen Sie die Haltung der Grünen und damit des langjährigen Regierungspartners zu Groß-Projekten wie dem Stadttunnel Feldkirch oder der S18? Es gab teils heftige Kritik, auch aus den eigenen Reihen.

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Im neuen Jahr steht die neue Regierung vor vielen Herausforderungen.Stiplovsek

Wallner: Die Grünen haben sich bei diesen Themen unelegant verhalten, um es höflich auszudrücken. Es gab klare Vereinbarungen im Regierungsprogramm, die auch Teil der Zusammenarbeit waren, etwa die Akzeptanz höchstgerichtlicher Entscheidungen. Und das war bereits Teil des Regierungsprogramms bei der ersten Koalition, mit beidseitigem Einverständnis. Dennoch wurde von außen torpediert, zum Beispiel bei der S18. Das hat für Spannungen gesorgt und letztlich die Zusammenarbeit belastet. Es wäre anständig gewesen, offen zu sagen: Wir tragen das mit, auch wenn es nicht unserer Präferenz entspricht. Letztlich ist die Umsetzung solcher Projekte essenziell für die Infrastrukturentwicklung des Landes.

NEUE am Sonntag: Nach schwierigen Monaten wurde die neue Landesregierung rasch gebildet. Wie sind Ihre Eindrücke von der Zusammenarbeit bisher?

Wallner: Die Stimmung ist sehr gut, und die Zusammenarbeit gestaltet sich bisher sehr konstruktiv. Wichtig ist, dass wir schnell ins Tun kommen. Das zeigt sich etwa in der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Energiebereich. Wir haben kürzlich eine Sammelnovelle verabschiedet, die dafür sorgt, dass Projekte wie Wärmepumpen oder Photovoltaikanlagen deutlich einfacher und schneller genehmigt werden. Das sind erste Schritte in Richtung Entbürokratisierung, denen weitere folgen müssen.

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An einem Sparprogramm wird der Bund nicht vorbeikommen.Stiplovsek

NEUE am Sonntag: Entbürokratisierung ist ein großes Thema. Was planen Sie konkret, um Prozesse einfacher zu machen?

Wallner: Wir wollen Bürokratie dort abbauen, wo sie den Menschen und Betrieben am meisten im Weg steht. Ein Beispiel ist das Raumplanungsgesetz, das vereinfacht werden muss. Gleichzeitig prüfen wir, ob eine eigene Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger geschaffen werden kann, um bürokratische Hürden zu identifizieren und effizienter abzubauen. Dabei handelt es sich oft um kleine Schritte, aber auch um größere Einschnitte, wie etwa die Einführung beschleunigter Genehmigungsverfahren in definierten Zonen für erneuerbare Energien. Wir müssen uns bewegen – gerade in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten.

NEUE am Sonntag: Blicken wir auf die Bundesebene: Der Bund steht vor einem finanziellen Kraftakt, um ein Milliardenloch zu stopfen. Wie sehen Sie das?

Wallner: Es wird entscheidend sein, bei den Einsparungen klug vorzugehen. Investitionen in die Infrastruktur oder in zukunftsorientierte Bereiche dürfen nicht gekürzt werden, da sie langfristig Wachstum sichern. Gleichzeitig muss die Entlastung der Wirtschaft oberste Priorität haben. Besonders in Vorarlberg, wo die Lebenshaltungskosten hoch sind, wäre es fatal, durch neue Steuern oder Abgaben die Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Und meines Erachtens gibt es viel Potenzial, um einzusparen, ohne an neue Steuern zu denken. Klimabonus, Bildungskarenz oder ausgesetzte Mehrwertssteuern für Photovoltaikanlagen gehören überdacht.

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Markus Wallner – der alte und neue Landeshauptmann.Stiplovsek

NEUE am Sonntag: Im neuen Jahr stehen Gemeindewahlen an. Was erwarten Sie für die ÖVP?

Wallner: Gemeindewahlen sind sehr individuell geprägt. Die Menschen entscheiden vor allem auf Basis der Kandidatinnen und Kandidaten vor Ort. Es gibt viele Bürgerlisten, und die ÖVP ist in den Gemeinden traditionell breit aufgestellt. Mit dem Ergebnis der Landtagswahl haben wir eine solide Grundlage geschaffen, um positiv in die Gemeindewahlen zu gehen. Aber ich denke, pauschale Prognosen sind schwierig.

NEUE am Sonntag: Vonseiten der ÖVP bekommt der Bludenzer Bürgermeister trotz erstinstanzlicher Verurteilung wegen Amtsmissbrauch Rückendeckung. Wie stehen sie als Parteiobmann und Landeshauptmann zur Causa?

Wallner: Ich war sehr überrascht über die Härte dieses Urteils und über den Ausgang insgesamt. Es ist aber noch nicht rechtskräftig. Simon Tschann ist ein engagierter Bürgermeister für seine Stadt. Ich habe ihm geraten, in Berufung zu gehen, um die Folgen für alle 96 Gemeinden zu kennen. Es muss jedenfalls möglich sein, verdichteten Wohnbau für junge Familien zu schaffen – wenn notwendig, auch gegen Einwände zum Ortsbild.

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NEUE am Sonntag: Zum Abschluss eine persönliche Frage: Wie verbringen Sie den Jahreswechsel?

Wallner: Ganz klassisch und ruhig. Nach einem intensiven Jahr genieße ich die Zeit mit der Familie. Silvester wird entspannt, mit einem guten Abendessen und einem Glas Wein. Es ist die Zeit, innezuhalten und Kraft für das kommende Jahr zu schöpfen. Ein Spaziergang in der Bergwelt darf dabei natürlich nicht fehlen.

(NEUE am Sonntag)