Politik

Straches Freispruch und seine Folgen

10.01.2023 • 19:42 Uhr
WIEN: FORTSETZUNG DER NEUAUFLAGE DES PRIKRAF-VERFAHRENS: STRACHE
Der ehemalige FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Dienstag am Wiener Landesgericht für Strafsachen. APA/EVA MANHART

Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wurde in der Prikraf-Affäre freigesprochen.

Sichtlich gelöst treten Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Privatklinik-Betreiber Walter Grubmüller aus dem Verhandlungssaal im Wiener Straflandesgericht. Eineinhalb Jahre, nachdem Strache hier zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt worden war, erhielt er (wie Grubmüller) in derselben Causa nun einen Freispruch. Er nehme diesen “dankbar entgegen”, erklärte er nach Prozessende.

Seinen Ausgang nahm das Justizdrama im Sommer 2021. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) warf Strache mutmaßlichen Gesetzeskauf vor. Strache habe sich außergewöhnlich stark dafür eingesetzt, dass die Privatklinik seines Freundes Grubmüller in den Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) aufgenommen wird – unter anderem mittels Initiativantrag.

Als Gegenleistung soll Grubmüller insgesamt 12.000 Euro an die FPÖ gespendet haben. Beide beteuerten ihre Unschuld, Strache meldete umgehend Berufung gegen das “Fehlurteil” an. Auch das daraufhin zuständige Oberlandesgericht Wien hegte Zweifel am Prozess und ließ diesen wegen “Widersprüchlichkeiten” wiederholen.

Freispruch, weil “Tatbestand nicht erfüllt ist”

Am Ende der Neuauflage verkündete die Richterin die Freisprüche. Zwar hätte sie die Angeklagten “ohne mit der Wimper zu zucken” verurteilt, sagte sie in der Urteilsbegründung. Die vorgelegten Beweise würden aber “bei Weitem nicht ausreichen”. Es handle sich um keinen Freispruch im Zweifel, “sondern im Großen und Ganzen, weil der Tatbestand nicht erfüllt ist”. Es gehöre schlicht zum Job von Politikerinnen und Politikern, “dass sie das Ohr bei der Bevölkerung haben”. Die WKStA prüft nun weitere Rechtsmittel.

“Ein Freispruch ist keine Niederlage für die Staatsanwaltschaft”, sagt der Strafrechtsexperte Michael Rami, der Strache bis 2019 selbst vertreten hatte. Immerhin ist ihre Aufgabe nicht, möglichst viele Menschen hinter Gitter zu bringen, sondern verdächtige Sachverhalte aufzuklären. Anklage erheben muss die Staatsanwaltschaft bereits, wenn eine Verurteilung aus ihrer Sicht wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch.

“Das Gericht darf aber nur verurteilen, wenn es davon überzeugt ist, dass der Angeklagte die Tat begangen hat”, erklärt Rami. “Dass es Freisprüche gibt, ist daher keine Besonderheit.” Auch einen Präzedenzfall sieht er im Urteil nicht: “Jeder Fall ist für sich zu betrachten und der nächste Fall kann anders entschieden werden.”

Lange Dauer und hohe Kosten

Problematischer sieht Rami, der auch Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ist, die langen Verfahrensdauern: Im Prinzip sei die österreichische Justiz auch im internationalen Vergleich “sehr schnell”, doch gerade bei komplexeren Fällen wie Korruptionsermittlungen würden sich die Ermittlungen ziehen. Insbesondere für die Beschuldigten, “die jahrelang mit dem Makel herumlaufen” sei das problematisch, findet der Strafverteidiger. Denn viele Menschen außerhalb der Justiz würden sie spätestens bei einer Anklage als schuldig abstempeln.

Den Großteil ihrer Tätigkeit führen die Staatsanwaltschaften aber ohnehin abseits der Öffentlichkeit. Die besonders im Rampenlicht stehende WKStA führte Ende 2022 etwa rund 200 Ermittlungsverfahren gegen rund 2180 Beschuldigte. Viele davon sind im Bereich der Wirtschaftskriminalität, Verbrechen im Internet nehmen dabei eine immer größere Rolle ein. Eine Auswertung nach Verurteilungen ist laut der Behörde im Register der Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht vorgesehen. Auch eine durchschnittliche Verfahrensdauer wird von der WKStA nicht erhoben.

Ziehen sich die Ermittlungen, gibt es für die Beschuldigten mitunter schwere finanzielle Folgen: Strache betont etwa selbst, durch die hohen Verfahrenskosten an den Rande des Ruins getrieben worden zu sein. Im Herbst gab der frühere Vizekanzler bekannt, sich nicht einmal mehr den eigenen Anwalt leisten zu können. ÖVP und Grüne verhandeln daher schon länger über eine Stärkung der Beschuldigtenrechte und einen Kostenersatz bei der Einstellung von Ermittlungen. Beides ist vor allem eine Frage der Mittel der Justiz. Auch die Dauer von Verfahren ließe sich wohl nur durch mehr Ressourcen verkürzen, meint Rami.

Korruptionslücke vor dem Amt

Bei ihrer Klausur in Mauerbach steht für die zuständigen Ministerinnen Alma Zadić (Grüne) und Karoline Edtstadler (ÖVP) aber zunächst eine Verschärfung des Korruptionsstrafrechts im Fokus. Auf die Lücke, dass nur Amtsträger bestochen werden können, wies heute auch die Richterin in ihrer Urteilserklärung hin: “Wenn Sie einem Nationalratsabgeordneten Geld geben, weil Sie hoffen, dass er Minister wird und er dann eine Handlung in Ihrem Sinne setzt, dann ist das nicht strafbar nach heutiger Gesetzeslage.”

Diese Lücke wollen die Regierungsparteien eigentlich seit Ibiza schließen. Auch der Strafverteidiger Rami würde das begrüßen. Er rechnet zwar nicht damit, dass dies zu vielen neuen Korruptionsfällen führen würde. Die präventive Funktion des Strafrechts wäre seiner Meinung nach aber gestärkt. Dass aktuell das Rechtsempfinden in Korruptionsfällen nicht immer im Einklang mit dem Strafrecht steht, zeigen aber auch andere Fälle.