“Jahrhundertwald” in Götzis fällt Bürokratie-Posse zum Opfer

Der „Jahrhundertwald“ des Lions Club muss aufgrund der unterschiedlichen Rechtsauffassung zweier Landesabteilungen in Teilen weichen.
Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen – oder vor lauter Bürokratie – nicht. Der “Jahrhundertwald” in Götzis ist Teil einer Posse, in der es um Bewilligungen, zwei uneinige Landesabteilungen, ein Gerichtsurteil und die Frage geht, welche Baumart denn nun in Vorarlberg gepflanzt werden darf.
Zur Vorgeschichte: Die Aufforstungsaktion “Jahrhundertwald” geht auf den Lions Club Vorarlberg zurück: 2017 wurde sie mit dem Ziel ins Leben gerufen, in allen Landesteilen, in denen der Verein aktiv ist, einen neuen Mischwald zu erschaffen. So wurden unter anderem auch im Montafon, im Bregenzerwald und im Großen Walsertal Berghänge mit neuen Bäumen aufgeforstet. Das Projekt basiert auf Spendengeld: Für 10 Euro können Spender einen Baum finanzieren, an dem dann ein Schild mit deren Namen aufgestellt wird.
Burghang bepflanzt
2021 kam die Aktion nach Götzis: Der Lions Club Rheintal/am Kumma und die Marktgemeinde Götzis bepflanzten einen halben Hektar Hang unterhalb der Burgruine Montfort mit verschiedenen Baumarten. An Prominenz mangelte es nicht: So packten unter anderem Landesrat Christian Gantner, sein Vorgänger Erich Schwärzler und der numehrige Bürgermeister Manfred Böhmwalder (alle ÖVP) tatkräftig an. In der zugehörigen Aussendung lobte Gantner damals: “Vor allem gezielt gepflanzte Mischwälder sind ein Gewinn für Umwelt und Mensch. Sie tragen zur landschaftlichen Schönheit, Sicherheit und Lebensqualität in unserem Land bei.”

Die Bäume für den “Jahrhundertwald” in Götzis stellte die Landesforstabteilung zur Verfügung. In der Naturschutzabteilung des Landes scheint es jedoch keine Freude über die Auswahl der Setzlinge gegeben zu haben. Es kam zu einem Verfahren am Landesverwaltungsgericht (LvwG). Dort wurde vor wenigen Wochen rechtskräftig entschieden, dass zwei der gewählten Baumarten – Roteiche und Schwarznuss – nicht heimisch sind und entfernt werden müssen.
Bürgermeister: “Kein guter Ablauf”
“Die Aktion fand vor meiner Zeit als Bürgermeister statt”, erklärt Bürgermeister Manfred Böhmwalder (ÖVP) auf NEUE-Anfrage. Dass hier offenbar zwei Landesabteilungen unterschiedliche Ansichten hatten, stößt dem Bürgermeister sauer auf: “Das war kein guter Ablauf. Die Situation war für die Gemeinde unbefriedigend und nicht verständlich.” Die beanstandeten Baumsorten würden auch in anderen Teilen des Landes für Aufforstungen verwendet werden, so Böhmwalder.

Auch beim Lions Club ist man nicht glücklich, dass ein Gerichtsurteil den Jahrhundertwald bedroht. “Es ist mehr als bedauerlich”, fasst Andrea Fritz-Pinggera, Regionsleiterin des Lions Club in Vorarlberg, die Posse zusammen. “Mir blutet das Herz bei jedem Baum, der gefällt werden muss”, erklärt sie weiter. “Gerade die letzte ‘Jahrhundertwald’-Aktion in Schuttannen hat wieder einmal gezeigt, wie die Kinder und Familien mit Begeisterung bei der Sache sind.” Dass junge Bäume aus dem Wald entfernt werden sollen, sei “für niemanden von Vorteil”. Fritz-Pinggera hofft auf eine “Lösung mit Augenmaß und Hausverstand”.

Auf Anfrage der NEUE schildert das Büro von Landesrat Christian Gantner den genauen Ablauf des bürokratischen Wildwuchses: “Den Proponenten der Baumpflanzung wurde vorab seitens der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch empfohlen zu prüfen, ob für die gewählten Baumarten eine Bewilligung der Landesregierung erforderlich sei. Nachdem die Marktgemeinde Götzis die Rechtsmeinung der Behörde nicht geteilt hat, erfolgte die Pflanzaktion vor Abschluss des Verfahrens, in welchem letztlich die Bewilligung für die Pflanzung der Arten Roteiche und Schwarznuss versagt wurde. Gegen den Bescheid hat die Marktgemeinde Götzis Beschwerde erhoben. Der weitere Instanzenzug führte schließlich zu einem Erkenntnis des LvwG im Jahr 2025.”

In der Anfragebeantwortung räumt man aber auch ein: “Es wurden mehrere verschiedene Baumarten für die Baumpflanzaktion beim Landesforstgarten bezogen. Bei zwei Baumarten (Roteiche, Schwarznuss) gab es eine unterschiedliche fachliche Einschätzung, was die spätere Verbreitung dieser Baumart betrifft.” Diese Baumarten seien “vereinzelt auch in anderen Landesteilen bereits gepflanzt” worden. Begründet wird das wie folgt: “Aufgrund der untergeordneten Stückzahl gibt es hier auch keine unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen. Eine vergleichbare Baumpflanzaktion wie in Götzis ist uns nicht bekannt.”
Einzelne Bäume werden entfernt
Inzwischen, so heißt es weiter in der Anfragebeantwortung, sei der Sachverhalt “durch alle involvierten Stellen nochmals geprüft und eine gangbare Lösung gefunden” worden. Um dem Urteil des LvwG Folge zu leisten, ist nun angedacht, “die Anzahl der beiden beiden angepflanzten Baumarten auf ein Maß zu reduzieren, dass dies naturschutzfachlich vertretbar ist. Ein entsprechender Bewilligungsantrag wird bei den zuständigen Behörden eingereicht.” Wird der Antrag bewilligt, bedeutet das so viel wie: Einige, aber nicht alle Bäume der beanstandeten Art müssen entfernt werden.
Damit ist auch Bürgermeister Böhmwalder zufrieden: “Die Lösung mit dem Land ist vom Aufwand her überschaubar. Am Ende geht es darum, dass wir einen klimafitten Wald in Götzis haben.”