Politik

“Wohnen550”-Projekt in Feldkirch beschäftigt Verwaltungsgerichtshof in Wien

26.11.2025 • 16:55 Uhr
"Wohnen550"-Projekt in Feldkirch beschäftigt Verwaltungsgerichtshof in Wien
Schwieriger Start für das Sonderwohnbauprogramm “Wohnen550”. canva/vlk/forte/stiplovsek

Nachbar legte Rechtsmittel gegen Baubescheid ein. Die Argumentation seines Anwalts schafft einen nie dagewesenen Präzedenzfall.

Stolz präsentierten Landeshauptmann Markus Wallner, Landesrat Marco Tittler, Bürgermeister Manfred Rädler (alle ÖVP) und Vogewosi-Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz im September 2024 im Pressefoyer den Start von “Wohnen550”: Ein viergeschossiges Mehrparteienhaus in Feldkirch-Nofels mit 30 standardisierten Zweizimmerwohnungen zum günstigen Mietpreis von 550 Euro im Monat soll besonders jungen Menschen eine leistbare Starterwohnung ermöglichen.

PK wohen12785
24. September 2024: Lorenz, Tittler, Wallner und Rädler (v.l.) präsentieren im Pressefoyer das erste Wohnen550-Projekt in Feldkirch-Nofels. vlk/serra

Das von der Vogewosi initiierte und vom Land geförderte Sonderwohnbauprogramm wird auch in anderen Städten und Gemeinden ausgerollt, jener Baukörper in Feldkirch sollte nur der Auftakt sein. “Der Bauantrag wurde bereits eingereicht und der Baubescheid kann in Kürze erlassen werden”, erklärte Bürgermeister Rädler damals im Pressefoyer. Doch während sich ein zweites “Wohnen550”-Gebäude in Hohenems aktuell im Bau befindet, lässt das prominent präsentierte Erstprojekt in Feldkirch 14 Monate später noch auf sich warten.

Mehrparteienhaus entzieht Nachbarn die Sonnenstrahlen

Grund der Verzögerung ist ein Rechtsstreit zwischen der Stadt Feldkirch und einem Nachbar, der im Dezember 2024 vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) ein Rechtsmittel gegen den Baubescheid einlegte. Gerhard Scheidbach, der als Rechtsanwalt die Familie vertritt, führt aus: “Das Rechtsmittel wurde deshalb eingebracht, weil durch das hohe Bauwerk dem Haus des Nachbarn die Sonneneinstrahlung entzogen wird und er dadurch wirtschaftliche Einbußen hinnehmen muss.” Konkret geht es um den Schattenwurf des vierstöckigen Gebäudes auf Solar- und PV-Anlage des Anwohners. “Das eigentliche Problem ist die hohe Baunutzungszahl”, so Scheidbach. “Bei dem Projekt wurde die höchstzulässige Baunutzungszahl von 99 genehmigt. Doch dagegen kann man als Nachbar nichts tun, das ist eine politische Sache.”

"Wohnen550"-Projekt in Feldkirch beschäftigt Verwaltungsgerichtshof in Wien
Gerhard Scheidbach ist Rechtsanwalt der Familie, die rechtlich gegen den Baubescheid der Stadt vorgeht. forte

Deshalb habe man mit dem Entzug der Sonneneinstrahlung argumentiert, so der Rechtsanwalt weiter. Die Stadt Feldkirch begründet die hohe Baunutzungszahl wiederum mit dem sogenannten “Städtebau-Bonus”: Eine Ausnahme ist gegeben, sofern sich das Bauwerk aufgrund einer besonders qualitätsvollen Einbindung in die gegebene Situation oder einer überdurchschnittlich hohen Gestaltungsqualität des Projekts in die Umgebung einfügt oder auf eine andere Art der Umgebung gerecht wird.

Wohnen550
So sollte das Wohnen550-Gebäude in Nofels laut Visualisierung aussehen. vlk

Das sieht Scheidbach im Fall des “Wohnen550”-Projekts nicht gegeben: “Aus meiner Sicht ist das nicht richtig. Weder hat das Bauwerk eine besondere Gestaltungsqualität, noch fügt es sich in die Landschaft ein. Im Gegenteil: Nofels ist eine dörfliche Gegend, die umliegenden Gebäude sind hauptsächlich Einfamilienhäuser und nicht ansatzweise so hoch.” Es sei “Wahnsinn, dass man mitten in ländlichem Gebiet vier Stockwerke hinbaut”, verdeutlicht der Rechtsanwalt.

LVwG gibt der Stadt recht, ermöglicht aber Revision

Das LVwG gab der Beschwerde in erster Instanz keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. “Nachdem beim gegenständlichen Bauprojekt die Abstandsvorschriften gegenüber dem Grundstück des Beschwerdeführers eingehalten werden, ist davon auszugehen, dass sich die Beschattungswirkung gegenüber dem Grundstück des Beschwerdeführers in dem vom Gesetzgeber bestimmten Rahmen hält und folglich keine Verletzung der durch das Baugesetz geschützten subjektiv-öffentlichen Rechte des Nachbarn vorliegt”, so die Argumentation des Gerichts. Als “kleinen Erfolg” wertet Scheidbach jedoch die vom LVwG eingeräumte Möglichkeit, gegen die Entscheidung Revision am Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in Wien einzulegen. Das tat der Anwalt auch. Denn zum Fall des Schattenwurfes und dessen Auswirkungen gibt es keine vergleichbare Rechtssprechung. Wie hoch die Erfolgsaussichten für seinen Mandanten sind, kann Scheidbach daher nicht abschätzen. “In einem halben bis ganzen Jahr sollte eine Entscheidung aus Wien vorliegen”, mutmaßt er.

Situation für Vogewosi “nicht erfreulich”

Vogewosi-Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz erklärt der NEUE, die Situation sei “nicht erfreulich” und betont: “Klarerweise würden wir mit diesem öffentlichkeitswirksamen Projekt gerne anfangen, um bald ein Ergebnis präsentieren zu können. Aber wir leben im Rechtsstaat und müssen alle Möglichkeiten der Beteiligten abwarten.”

"Wohnen550"-Projekt in Feldkirch beschäftigt Verwaltungsgerichtshof in Wien
Vogewosi-Geschäftsführer Hans-Peter Lorenz würde gerne mit dem Projekt beginnen, wartet aber auf die Entscheidung aus Wien. stiplovsek

Die Stadt Feldkirch kann die Auswirkungen und allfällige Änderungen auf das “Wohnen550”-Projekt aktuell noch nicht abschätzen. “Über die Rechtskraft des Bescheids wird der VwGH entscheiden”, teilt sie der NEUE mit. Per se könnte mit dem Bau begonnen werden, da der VwGH laut Stadt gegen den Bescheid keine aufschiebende Wirkung zugesprochen hat. “Daher ist der Bescheid bereits vollstreckbar und mit dem Bau könnte sofort begonnen werden”, heißt es aus dem Rathaus. Die Vogewosi sieht ob der noch ausständigen Entscheidung des Wiener Gerichts aber noch vom Baustart ab, wie Lorenz bestätigt. Somit bleibt offen, wann und in welcher Form die Starterwohnungen in Feldkirch entstehen werden.