Sport

Der Vorarlberger Sport steht vor Zeitenwende

06.04.2025 • 08:00 Uhr
Der Vorarlberger Sport steht vor Zeitenwende
Ohne den Alpla HC Hard und Bregenz würde zum Beispiel die Nachwuchsförderung im Handball in Vorarlberg fast zum Erliegen kommen. Dietmar Stiplovsek

Der Vorarlberger Sportszene drohen einschneidende Förderungskürzungen durch das Land Vorarl­berg. Ein Meinungsbeitrag von NEUE-Sportchef Hannes Mayer.

In den vergangenen Tagen und Wochen meldeten sich ob der drohenden Förderungskürzung des Landes Vorarlberg zahlreiche Vertreter der heimischen Sportszene bei der NEUE. Der Tenor war einhellig und eindeutig: Sollten die Sportförderungen im geplanten Ausmaß gekürzt werden, wird das die heimische Spitzensportstruktur spätestens mittelfristig massiv verändern und auch erhebliche Auswirkungen auf den Breitensport haben. Freilich, im Spitzensport würde die Kürzung der Förderungen nicht alle gleich hart treffen, doch manche Profisport-Organisationen könnten die Kürzung nicht überstehen – auch solche Organisationen, die eigentlich gewachsene Strukturen aufweisen und wirtschaftlich auf soliden Beinen stehen.
Besonders sauer stieß vielen heimischen Sportvertretern auf, dass das Land Vorarlberg am 27. März in Feldkirch die Bühne der Vorarlberger Sportwelt dazu nutzte, um die umfassenden Förderungskürzungen öffentlich zu machen. Denn dieser Abend sollte eigentlich im Zeichen der Ehrungen von Vorarlbergs Sportlern des Jahres und somit für Zusammenhalt und Aufbruch stehen. Außerdem hatten viele Vorarlberger Sportfunktionäre den Eindruck, dass das Land um Sportlandesrätin Martina Rüscher mit dieser Verlautbarung die heimische Sportszene vor mehr oder weniger vollendete Tatsachen stellen wollte – um auch die sicherlich unangenehmen Einzelgespräche mit den Vereinen und Verbänden umgehen zu können.

Der Vorarlberger Sport steht vor Zeitenwende
Bei der Galaveranstaltung “Vorarlberger Sportwelt” wurden die Förderungskürzungen offiziell verkündet. Dietmar Stiplovsek

Wie ein Kahlschlag
Zumindest die Vorarlberger Spitzensportvereine wussten über drohende Spitzensportförderungskürzungen Bescheid, doch mit der Verkündung fühlte man sich überrumpelt. Zumal die Kürzungen im Spitzensport teils über 50 Prozent betragen. Außerdem werden auch die Richtlinien für die Strukturförderungen völlig verändert: Sanierungen an bestehenden Anlagen werden nicht mehr gefördert. Bei Neubauten werden nur mehr unmittelbare Sportflächen, nicht mehr Nebenbauten wie Klubheime gefördert, was freilich gerade auch den Breitensport massiv betrifft. Diese neuen Richtlinien kommen einem Kahlschlag gleich. Viele Funktionäre bemängeln zudem, dass Sportlandesrätin Rüscher kaum greifbar wäre, eine Rückmeldung, die ob ihrer vielen Ressorts keine Überraschung ist: Rüschers Aufgaben umfassen Gesundheit, Soziales, Pflege, Chancengleichheit und Behinderung, Sozialpsychiatrie und Sucht, Sanitätsangelegenheiten, Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz – und eben auch den Sport. Eine Mammutaufgabe, die von vornherein die Frage aufwarf, ob Rüscher bei so vielen komplexen Themenbereichen genügend Zeit für den Sport bleiben würde.
Natürlich gibt es Argumente, die für eine Kürzung der Sportförderungen sprechen, auch im Bundesbudget, siehe die Kolumne von ASVÖ-Vorarlberg-Präsident Josef Lampert, sind Kürzungen eingeplant. Die Zeiten sind schwierig, die Kassen sind leer. Und wenn man selbst im hochsensiblen Gesundheitsbereich sparen muss, dann kann und man auch vom Vorarlberger Sport und insbesondere vom heimischen Spitzensport verlangen, dass man Einsparungen schluckt. So ein bisschen nach dem populistischen Credo: Die Vereine sollen sich ihren Profibetrieb selbst finanzieren. Wer gegen Sturm Graz, KAC oder die Fivers spielen will, der muss selbst schauen, wo er bleibt.
Aber das ist viel zu kurz gedacht, zumal ja niemand fordert, dass Vereine gerettet werden sollen, die nicht überlebensfähig sind: Es war zum Beispiel wichtig und richtig vom Land und der Stadt Dornbirn, dass man die Profiabteilung des FC Dornbirn sich selbst überlassen hat. Wer so hoch pokert, Saunameister engagiert und zwischen Hotelbar und Strand vermeintliche Investorendeals abschließt, der muss selbst die Zeche zahlen. Aber: Es sind in Vorarlberg vor allem die Profivereine, die Nachwuchsförderung betreiben. Das gilt zwar nicht für alle Sportarten, aber der Handball zum Beispiel würde in Vorarlberg ohne Hard und Bregenz zusammenbrechen.

Der Vorarlberger Sport steht vor Zeitenwende
Robert Weber hat es von Hard aus in den Handball-Olymp geschafft. Der Mann ist der fünftbeste Torschütze aller Zeiten in der deutschen Bundesliga. APA

Vorbilder
Robert Weber erzählte unlängst in einem NEUE-Interview, dass er ohne den Alpla HC Hard kein Handballspieler geworden wäre. Zur Einordnung: Weber ist inzwischen in der deutschen Handballbundesliga der fünftbeste Torschütze aller Zeiten; und die deutsche Bundesliga ist die mit Abstand beste Handballliga der Welt. Weber erzählte weiter, dass ihn einst ein Schulfreund dazu animiert hat, mal bei einem Training dabei zu sein. Genau so kommen Kinder zum Sport, durch ihr Umfeld – und weil es in der unmittelbaren Umgebung ambitionierte Vereine gibt. Profisportler sind Vorbilder, gerade Kinder und Jugendliche eifern ihren Idolen nach.
Klarerweise wird nicht aus jedem jungen Handballer ein Welthandballer wie Robert Weber, und auch nicht jeder schafft es in Hard oder Bregenz in den HLA-Kader. Aber der Sport ist eine Lebensschule. Die Heranwachsenden lernen, dass die Welt nicht bei der eigenen Nasenspitze endet, sie lernen, sich in ein Kollektiv zu integrieren, sie lernen das Miteinander, das Füreinander, sie bekommen durch das Training vermittelt, dass Fleiß zu Entwicklung führt, sie lernen, sich Ziele zu setzen, sie bewegen sich in einem Umfeld, in dem klare Regeln herrschen und in dem sie tief verwurzelt in der realen Welt sind. Mit echten Weggefährten, echten Freunden, echten Reaktionen.
So müssen die Kinder und Jugendlichen beim Rheintal Future, dem gemeinsamen Eishockey-Nachwuchsprojekt von Dornbirn, Hard, Hohenems, Lustenau und dem Schweizer Klub SC Rheintal, ihre Handys beim Betreten der Eishalle abgeben. Erst war das Murren unter den Nachwuchs­cracks groß, dann lernten sie nach und nach eine Welt kennen und schätzen, in der nicht das nächste Video wichtig ist, nicht der Kopf zum Handy geneigt ist, man sich nicht Smileys und Textnachrichten schickt, sondern sich persönlich in die Augen sieht und echte Gespräche führt.
Darüber hinaus bringt Sport im wahrsten Sinne des Wortes den Nachwuchs in Bewegung, und das ist wohl das größte Gesundheitsförderprogramm überhaupt. Es heißt nicht umsonst: Wer rastet, der rostet. Diesbezüglich kann auch die Breitenwirkung des Spitzensports nicht hoch genug eingeschätzt werden: Gastiert die Österreich-Rundfahrt in Vorarlberg, bewegt das viele dazu, sich auch wieder selbst mal auf den Drahtesel zu schwingen.
Natürlich muss auch der Sport seinen Beitrag bei den Sparmaßnahmen leisten. Aber es gilt, intelligent zu sparen, damit die Einsparungen in gewissen Bereichen vertretbare Einschränkungen zur Folge haben und nicht das große Ganze ins Wanken bringen. Für ein solches intelligentes Sparen würde es aber intensive Gespräche brauchen, die auf Augenhöhe über Sachthemen geführt werden – um gemeinsame Lösungen zu finden. Die Sparmaßnahmen, die aktuell im Raum stehen, erinnern an das Rasenmäherprinzip: Es wird über alle drübergefahren, genau hingeschaut wird nirgends, was fast schon kommunistische Züge annimmt: So soll die Spitzensportförderung aller Profiorganisationen auf 100.000 Euro gekürzt werden, egal, wie viel sie vorher erhalten haben.

Der Vorarlberger Sport steht vor Zeitenwende
Da war was los in Dornbirn, als am 1. Juli 2023 am Marktplatz die neue Tour of Austria mit einer Teampräsentation eingeläutet wurde. Dietmar Stiplovsek

Vergleich mit der Kulturszene
Erstaunliches ist wiederum aus der Kulturszene zu hören, wo es dem Vernehmen nach im Jahr 2025 keine Förderungskürzungen gibt. Das ist gut so, Kultur ist wichtig – und doch wirft diese Rückmeldung von Kulturschaffenden Fragen in Bezug auf die angestrebten radikalen Kürzungen im Sport auf. Hat Barbara Schöbi-Fink als Kulturlandesrätin mehr für ihr Ressort gekämpft als Sportlandesrätin Martina Rüscher? Haben die Kulturschaffenden bessere Lobbyisten, also Einflüsterer, die ob ihrer Positionen in der Gesellschaft respektive Wirtschaft mehr Einfluss haben? Oder ist es am Ende eben doch nicht so weit her mit dem wohlklingenden Etikett „Sportland Vorarlberg“?
Bemerkenswert ist, dass die Einsparungen im Sport trotz aller dramatischer Konsequenzen für die Vorarlberger Sportlandschaft das Landesbudget nur minimal entlasten. Klar, auch Kleinvieh macht Mist, und der Sport kommt wie gesagt nicht darum herum, einen Beitrag zu leisten, nur, so ein bisschen erinnert das alles an Showpolitik. Und überhaupt: Wenn man schon bei so kleinen Posten im Sport spart, dann sollte das Land Vorarlberg mit gutem Beispiel vorangehen und auch bei den eigenen Kosten ansetzen, wie der Gala im Rahmen der sogenannten „Vorarlberger Sportwelt“, die jährlich im Feldkircher Montforthaus stattfindet.
Die NEUE hat im Vorjahr eine Anfrage gestellt, wie hoch denn die Kosten für diesen von der Vorarlberger Landesregierung veranstaltete Abend sind. Antwort: Rund 75.000, siehe Aufstellung. Natürlich macht es mehr her, Vorarlbergs Sportler des Jahres im Rahmen einer Gala zu küren, und natürlich ist eine solche Hochglanzveranstaltung nicht zuletzt auch eine ideale Werbebühne für das Land Vorarlberg selbst. Aber wenn Sparen so sehr angesagt ist wie aktuell im Sportressort, dass sogar bereits zugesagte Förderungen infrage gestellt werden, dann kann man eine solche Preisübergabe fast zum Nullkostentarif auch im Vorarlberger Landhaus durchführen. Zumal weder der Sportler des Jahres 2024, Marco Rossi, noch die Sportlerin des Jahres 2024, Eva Pinkelnig, anwesend waren. Und auch Lukas Mähr, der zusammen mit der Kärntnerin Lara Vadlau als „Mannschaft des Jahres“ geehrt wurde, reiste ohne seine Steuerfrau an.
Es braucht für so eine Preisvergabe keine teuren Galadinners, keine DJs, keine Tischdekoration, keinen Showteil. Und nein, diese Feststellung beruht nicht darauf, dass die NEUE nicht gefragt ist bei dieser Veranstaltung, sondern auf der einfachen Formel: Wer von anderen Opfer fordert, muss auch selbst bereit sein, Opfer zu bringen.

Direkte Gespräche
In den kommenden Wochen werden wohl viele heimische Sportvertreter das direkte Gespräch mit Landeshauptmann Markus Wallner suchen. Der Vorarlberger Sportkommune möchte man zurufen, dass man bei diesen direkten Gesprächen mit Landeshauptmann Wallner nicht den Fehler begehen darf, die Bedeutung anderer Sportbereiche, die nicht zur eigenen Interessengruppe gehören, kleinzureden. Es braucht das Olympiazentrum Vorarlberg, es braucht starke Profiorganisationen, es braucht den Breitensport und natürlich die Nachwuchsförderung. Und so braucht es bei den sicherlich notwendigen Sparmaßnahmen letztendlich Lösungen und Kompromisse, mit denen alle leben können.
Das Land Vorarlberg hat jetzt die Chance, Flagge zu zeigen. Sport ist kein Luxusgut für gute Zeiten, Sport ist ein Rückgrat der Gesellschaft. Landesrätin Martina Rüscher sagte zuletzt im VN-Interview über geplante Kürzungen im Gesundheitswesen: „Das wird richtig viel Wirbel geben, aber wir werden das durchziehen.“
Ob man so einen Staat macht? Es gilt, die Menschen mitzunehmen. Richtig gemanagt, können Krisenzeiten nämlich sogar die Chance einer Erneuerung bieten. Diesen positiven Weg der Veränderung gilt es für die heimische Politik gemeinsam mit und für den Vorarlberger Sport zu finden. Ansonsten verliert die heimische Politik ihr Gesicht und der heimische Sport seine Schlagkraft. Verloren hätten dann alle.

Vorarlberger Sportwelt Kostenaufstellung:

Budgetierte Kosten 2024*:
– Montforthaus Feldkirch, Miete, Betriebskosten, Technik, Programmeinlagen, Filmsequenzen, Organisation, Ton, Licht, Sicherheitspersonal, DJ, Lizenzen, Moderation und Organisation 28.947 Euro
– ORF-Lizenzen sowie AKM-Gebühren 1500 Euro
– Produktion Trophäen 8000 Euro
– Speisen und Getränke inklusive Personal, Tischdekoration, Tischwäsche, Zubehör (für etwa 450 Personen) 28.620 Euro
– Show- und Quiz-Organisation 4300 Euro
– Unvorhergesehenes 3000 Euro
Summe Budget: 74.377 Euro
*Laut Auskunft 16.4.2024