Vorarlberg

Wie sich die Kriminalität verändert hat

19.08.2023 • 23:00 Uhr
Die Täter sind nicht nur in Vorarlberg meist jung und männlich. <span class="copyright">neue</span>
Die Täter sind nicht nur in Vorarlberg meist jung und männlich. neue

Die Zahl der Verurteilungen bei Gewaltverbrechen und -vergehen ist über die Jahrzehnte kontinuierlich gesunken. Ein Blick in die Statistik.

Wie gewalttätig ist unsere Gesellschaft? So einfach die Frage scheinen mag, so schwer ist zu beantworten. Die Probleme beginnen beim Gewaltbegriff und enden bei der Messbarkeit. Abseits der Kriminalitätsstatistik gibt es vor allem persönliche Empfindungen. Die Statistik bietet zumindest Einblicke in die Veränderung der Kriminalität und in regionale Unterschiede.

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Weniger Verurteilungen

Sieht man sich die Entwicklung der Verurteilungen wegen Straftaten gegen Leib und Leben an, zu denen von der Körperverletzung bis zum Mord viele Delikte zählen, überrascht der massive Rückgang (Grafik oben). Die Verurteilungen an den Vorarlberger Gerichten sind insbesondere ab dem Jahr 2000 stark eingebrochen. Das hat viel mit der Einführung der Diversion im Erwachsenenstrafrecht zu tun. Sie ermöglicht es, Straftaten ohne Verurteilung, aber unter Setzung einer Probezeit, durch gemeinnützige Arbeit, die Zahlung eines Geldbetrages oder einen Tatausgleich zu sühnen. Durch die Diversion ist insbesondere die Zahl der abgeurteilten einfachen Körperverletzungen stark zurückgegangen.

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Kommen nun brutale Schläger ohne Urteil davon? Nein. Sieht man sich die Verurteilungen bei Vorbestraften an, hatte die Einführung der Diversion darauf kaum Einfluss (Grafik oben). Diversionen werden Wiederholungstätern und Verbrechern auch seltener angeboten.

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Bei Verbrechen, das sind Straftaten mit mehr als dreijähriger Haftandrohung, erhalten Ersttäter in Österreich häufig Bewährungsstrafen. Das Landesgericht Feldkirch bildet hier aber eine gewisse Ausnahme. Das zeigt sich etwa beim einfachen Raub: Während dieser bundesweit in den letzten Jahrzehnten in 37 Prozent der Fälle mit einer bedingten Haftstrafe abgeurteilt wurde, waren es in Feldkirch nur 8,5 Prozent.

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Das dürfte vor allem an unbedingten Geldstrafen liegen, die in Feldkirch häufig in Kombination mit bedingten Haftstrafen verhängt werden. Diese regionale Abweichung bestätigt sich auch mit Blick auf den Oberlandesgerichtssprengel Innsbruck, zu dem auch Vorarlberg gehört. Hier werden insgesamt deutlich häufiger teilbedingte Strafen gegen gewalttätige Ersttäter verhängt werden, als anderswo.

Differenziertes Bild

Die Urteilspraxis hat auf die Zahl der Gewaltverbrechen aber keinen merklichen Einfluss. Bei den Gewaltverbrechen zeigt sich insgesamt eine differenzierte Entwicklung. Die Verurteilungen wegen schwerer Körperverletzung sind mit jährlich etwa 1000 Fällen bundesweit seit Jahrzehnten relativ stabil – trotz wachsender Gesamtbevölkerung. Einen deutlichen Anstieg gab es jedoch seit den 80ern bei der absichtlich schweren Körperverletzung. Hier handelt der Täter bereits mit dem Vorsatz, sein Opfer nicht nur zu verletzen, sondern schwer zu verletzen. Wenn jemand mit einem Messer auf sein gegenüber einsticht, muss er beispielsweise damit rechnen und sich damit abfinden, dass dieser schwer verletzt wird.

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Die Zahl der Anklagen hat sich hier ebenso erhöht wie die Zahl der Verurteilungen. Österreichweit verdoppelte sich die Zahl der Tatverdächtigen zwischen 2008 und 2017, wie eine Studie der Universität Wien (Untersuchung der Strafenpraxis bei Körperverletzungsdelikten, fahrlässiger Tötung und Sexualstraftaten für die Jahre 2008 bis 2017) zeigt. Die Verurteilungrate ging aber bundesweit nur leicht nach oben – in Vorarlberg dafür deutlicher (Grafik oben). Das spricht vor allem für die Arbeit der Polizei und Staatsanwaltschaft im Land.

Schwankungen im Strafrecht

Bei den Anzeigen gab es in den letzten Jahren nach früheren Zunahmen wieder Rückgänge, nicht nur bei den Gewaltdelikten: Die Zahl angezeigten Delikte ist demnach zwischen 1975 und 2004 zwar um 125 Prozent gestiegen, aber zwischen 2004 und 2017 wieder um 21 Prozent zurückgegangen.

Ein geändertes Verhältnis zwischen Anzeigen und Verurteilungen kann auch auf Änderungen des Strafrechts zurückzuführen sein. So sank etwa die Verurteilungsrate bei Sexualstrafdelikten zuletzt wegen der Einführung des sogenannten „Pograpschparafrafen“, der zwar eine Anzeigenwelle aber keine entsprechende Zahl an Verurteilungen nach sich zog.

Junge Täter

Die Täterschaft bei Gewaltverbrechen ist, wie bei Straftaten insgesamt, überwiegend männlich. Nur 14,9 Prozent der 2022 in Vorarlberg verurteilten Personen waren Frauen (bundesweit 14,8 Prozent). Der Frauenanteil ist durch die Einführung der Diversion im Erwachsenenstrafrecht noch einmal gesunken – Frauen werden also häufiger diversioniert.

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Über Jahre hinweg lag Vorarlberg unter dem Bundesschnitt bei den Straftäterinnen, mittlerweile liegt es leicht darüber. Interessant ist, dass Frauen verhältnismäßig früher straffällig werden. Die Alterskohorte der Bis-19-jährigen ist bei ihnen stärker vertreten als bei den Männern. Bei beiden Geschlechter fallen die allermeisten Straftäter aber in die Altersgruppe der 20- bis 24-Jährigen (Grafik S. 13 unten links). Vorarlberg weicht hier nicht wensentlich von der bundesweiten Statistik ab.