Den Merkur beobachten

Der innerste Planet ist auch der kleinste des Sonnensystems mit sehr speziellen Bahndaten. Jetzt besteht die beste Gelegenheit des Jahres, ihn mit freiem Auge in der Abenddämmerung aufzufinden.
M ein Vater erklärt mir jeden Sonntag unseren Nachthimmel.“ Es ist schön, wenn Eltern den Nachwuchs für die Naturvorgänge über unseren Köpfen begeistern. Die Anfangsbuchstaben der Wörter des Eingangssatzes gelten als Merkspruch für die Reihenfolge der Planeten, wenn man von innen nach außen geht: Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun. Merkur ist nur 57,9 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Seine Bahn um die Sonne weicht stark von der Kreisform ab. Wegen der Ellipsenbahn liegen zwischen 46 und knapp 70 Millionen Kilometer zwischen den beiden Himmelskörpern. Der sonnennächste Punkt der Bahn wandert so, dass die Bahn eine Rosettenform annimmt. Diese Perihel-Drehung in diesem Ausmaß ist mit den klassischen Bewegungsgesetzen nicht nachvollziehbar. Die Abweichung führte zu einer frühen Bestätigung von Einsteins Relativitätstheorie.
Merkur weicht ab
Die meisten Planeten drehen sich ziemlich genau in einer Ebene um die Sonne. Merkur weicht mit einer Bahnneigung von sieben Grad von diesem Grundsatz ab. Nur Pluto, der äußerste Planet, folgt einer noch stärker geneigten Bahn von 17 Grad. Das war einer der Gründe, weshalb Pluto im Jahr 2006 aus der Liste der Planeten gestrichen wurde und seither einer der unzähligen Zwergplaneten des Sonnensystems ist. Vor dem Jahr 2006 endete der Merkspruch mit „… jeden Sonntag unsere neun Planeten.“
Zurück zu den Bahnkuriositäten des Merkur: Ein Merkurjahr, also ein Umlauf um die Sonne, dauert 88 Tage, das ist weniger als ein Viertel eines Erdenjahres. Merkur dreht sich langsam in knapp 59 Tagen um die eigene Achse. Nach eine Merkurtag sind zwei Drittel eines Merkurjahres vergangen.
Unwirtliche Gegend
Merkur gehört zu den erdähnlichen Planeten. Das bezieht sich auf die chemische Zusammensetzung und die Tatsache, dass er wie die Erde ein Gesteinsplanet ist, also eine feste Oberfläche hat. Die Erde ist 2,5 Mal größer als Merkur. Es gibt praktisch keine Lufthülle, er hat auch keine Monde. Die Drehachse des Merkur steht fast senkrecht zur Umlaufbahn, daher gibt es keine Jahreszeiten in unserem Sinne. Die Intensität der Sonneneinstrahlung schwankt jedoch beträchtlich wegen der elliptischen Umlaufbahn um die Sonne. Die Temperaturen schwanken zwischen plus 430 und minus 170 Grad. Die Oberfläche ist ähnlich wie beim Mond von Kratern übersät. Bisher haben erst drei Raumsonden den Planeten erreicht und untersucht.
Der sonnennahe Planet kann nur im Morgengrauen oder kurz nach Sonnenuntergang beobachtet werden. Die Herausforderung ist es, einen Zeitpunkt zu finden, zu dem es schon dunkel genug ist, der Planet aber nicht zu tief am Himmel steht. Merkur entfernt sich nie mehr als 28 Grad von der Sonne. In den kommenden Tagen ist seine beste Abend-Sichtbarkeit des Jahres zu erwarten.
Merkur auffinden
Die Ekliptik, also die gedachte Linie, auf der sich die Planeten befinden, verläuft derzeit fast senkrecht zum Horizont, was das Auffinden des Merkur leichter macht. Am heutigen Sonntag ist er heller als alle Sterne und steht sehr knapp über dem Westhorizont. Bis zum 25. März nimmt seine Helligkeit deutlich ab, aber er steht dann 18 Grad über dem Horizont, das entspricht einer Handspanne (vom Daumen zum kleinen Finger) bei ausgestreckter Hand. Mein Tipp: gleich nach Sonnenuntergang mit der Suche beginnen und zur Unterstützung ein Fernglas verwenden.
von Robert Seeberger