“Die rechte Ecke ist ein grausamer Ort”

Nadine Dunst-Ender (44) ist eine Powerfrau. Mit ihrer „feministischen Comedy“, wie sie sie selbst nennt, bringt sie gesellschaftskritische Themen auf die Bühne.
“Ich tue mir ziemlich schwer damit, mich festzulegen, was genau ich mache. Ich bin alles und am liebsten alle zehn Sekunden, oder sagen wir alle vier Wochen wenigstens, möchte ich etwas anderes sein und tun“, lacht Nadine Dunst-Ender. Das trifft es ziemlich passend, sympathisches Chaos und Buntheit gehören quasi zu ihr dazu. Die quietschpinken Haare und das freche Grinsen unterstreichen das Wesen der Rankweilerin.

Die 44-Jährige steht seit Sommer letzten Jahres mit ihrer feministischen Comedy auf der Bühne und begeistert mit ihrem oftmals sehr provokanten Programm das Publikum. Doch die aktivistischen Wurzeln der Rankweilerin sind nicht die Bühne. „Vor ungefähr zwei Jahren habe ich angefangen, Reels auf TikTok zu posten“, erzählt sie. Als das Ganze mit der Zeit größer wurde, wollte sie es auf die Livebühne bringen. Mit ihrer Comedy will sie Frauen Mut machen, sich gegen gesellschaftliche Systeme zur Wehr zu setzen und zeigen, dass niemand mit Unterdrückung allein ist. „Was mir in Comedy oft begegnet, ist dieses: Wir machen uns über Frauen lustig, sie können nicht gut einparken, sie reden zu viel. Das kommt bei mir nicht vor. Es gibt bei mir keine Altherrenwitze, es gibt keine Herabwürdigung gegenüber Frauen“, sagt sie. Aber auch abseits der Bühne ist Dunst-Ender aktivistisch tätig. Gemeinsam mit ihrer Schwester rief sie „Pro Choice Vorarlberg“ ins Leben.

Viele Hasskommentare
Doch mit ihren oft provokant-spitzen Aussagen trifft sie nicht immer auf Zustimmung. Gerade in den sozialen Medien hat die 44-Jährige enorm mit Hasskommentaren zu kämpfen. „Man holt sich so viel Hate ab. Einmal hat sogar einer meine Adresse veröffentlicht“, schildert sie. Für viele der Attacken macht sie allerdings den Algorithmus auf TikTok, Instagram und Co. verantwortlich. „Manchmal erlaubt sich der Algorithmus, glaube ich, echt einen Scherz und spielt mich in einer rechten Ecke aus. Das ist ein grausamer Ort. Aber ich vermute eben, dass der Hate oft weder Blödheit noch Dummheit ist, sondern das ist Boshaftigkeit, was ich finde, das ist noch schlimmer.“ Immerhin vergeht ihr selbst bei diesem schwierigen Thema nicht der Humor. „Manchmal finde ich es zu unterhaltsam und kommentiere die ganze Nacht zurück“, schmunzelt sie. „Löschen, blockieren – das ist schon meine Lieblingsfunktion.“
„Wir haben einen so komischen Umgang mit dem Scheitern. Reden wir doch darüber.”
Nadine Dunst-Ender, Comedienne
Zuspruch
Doch was Dunst-Ender viel wichtiger zu betonen ist, ist die Unterstützung und der Zuspruch, den sie für ihre Videos und Botschaften erhält. „Es ist eine tolle Erfahrung, wenn plötzlich jemand dich schützt. Wenn dich User verteidigen, denke ich: Wow, wie cool ist das?“ Sie sieht Social Media als einen Ort der Chancen, sich zu vernetzen und zu stärken. „MeToo hätte es ohne Social Media nicht gegeben. Aber es ist natürlich auch eine Quelle für ganz viel Fehlinformationen und Hass.“

Ihr größtes Anliegen ist es, Frauen zu stärken und gesellschaftliche Strukturen in die Kritik zu nehmen. „Du brauchst keine eigenen Kinder, um in eine Mutterrolle gedrängt zu werden“, findet sie. Was von außen vielleicht wie Männerhass wirken mag, ist für sie nur das Aufzeigen von Fakten, wenn auch manchmal mit einem leicht sarkastischen Beigeschmack. „Frauen haben höhere Bildungsabschlüsse als Männer. Und die verschwinden dann daheim. Das ist ein wirtschaftlicher Schaden.“
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Mit Aussagen wie dieser polarisiert sie, doch es ist ihr wichtig, Missstände aufzuzeigen. „Die Zeit arbeitet gegen uns. Es braucht politische Entscheidungen. Es braucht Gesetze“, fordert sie. Gesetzte zur Gleichberechtigung und Gleichstellung sind laut ihr noch lange nicht genügend da. „Ich glaube, meine Energie ist diese unglaubliche Wut. Auf alles. Dieser Frauenhass, den man gelernt hat, den können wir verlernen. Das ist ein Unlearning-Prozess. Alles, was Frauen betrifft, wird so belächelt oder nicht richtig ernst genommen.“
Eine Herausforderung für die Beziehung
„Ich spreche Frauen an, ganz gezielt. Sogar in der Begrüßung meiner Auftritte: ‚Ladies… und Männer sind mitgemeint“, grinst Dunst-Ender. Männer werden oft abgeschreckt von ihrem Programm oder belächeln die Rankweilerin. Doch die 44-Jährige ist selbst verheiratet und Mutter. Ihr Mann hat mit der Leidenschaft der Comedienne mittlerweile kein Problem mehr. Das war aber nicht immer so, wie sie erzählt. „Am Anfang war das für ihn überhaupt nicht cool. Er bekam von seinen Kollegen sehr viel negatives Feedback, von wegen: Hast du kein Problem damit, wenn deine Frau im Internet so über dich abzieht?“ Mittlerweile habe sich dieser Kollegenkreis aber etwas geändert, im Hause Dunst-Ender ist Ruhe eingekehrt. Doch wirklich gestört haben sie die schiefen Blicke ihres Partners nie. „Ganz ehrlich, who cares?“

Auch einen Rat an junge Frauen hat sie. „Macht“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. Aber Macht im Sinne von Einfluss meint die 44-Jährige dabei keinesfalls. „Machen“ ist ihr Plädoyer. „Das worst-case-Sezenario ist meistens halb so schlimm, wie man gedacht hat. Man macht viel zu viele Dinge nicht, weil man Angst hat, etwas falsch zu machen“, sagt sie. „Wir haben einen so komischen Umgang mit dem Scheitern. Reden wir doch darüber, dann fühlt sich der oder die nächste, der oder dem das passiert, nicht mehr so klein.“ Sie hofft, vor allem jungen Frauen die Angst, verurteilt zu werden, nehmen zu können und ihnen Mut zu machen. „Ich kenne es selbst auch. Da ist diese Panik, etwas nicht zu können. Auf Social Media würde ich mir auch oft wünschen, dass nach einer Disskusion ein Schiedsrichter kommt und sagt: Du hast gewonnen.“