Wie die spanische Inflation gesunken ist

Auf der Iberischen Halbinsel ist die Inflation im Juni unter die magische Marke von 2 Prozent gefallen.
Vor allem die österreichische Bundesregierung dürfte ziemlich neidisch nach Spanien schielen, wo in weniger als zwei Wochen ein neues Parlament gewählt wird. Denn während sich in Österreich die Kanzler-Partei ÖVP schon über eine Juni-Inflationsrate von 8 Prozent lautstark freute, drückte die linke Regierung in Madrid die Teuerungsrate erstmals wieder unter die magische Marke von 2 Prozent: Die Inflation in der viertgrößten Volkswirtschaft des Währungsraums sank im Juni kräftig auf 1,9 Prozent, nach 3,2 Prozent im Mai.
Die für den europäischen Vergleich berechnete Inflationsrate (HVPI) schwächte sich ebenfalls spürbar auf 1,6 Prozent ab, nach 2,9 Prozent im Mai. Nur Belgien (1,6 Prozent) und Luxemburg (1 Prozent) sind ebenfalls EU-Musterschüler in Sachen Inflation.
Aber was sind die Gründe für die niedrige Inflation in Spanien, das sich an seiner niedrigen Teuerungsrate (im Vergleich zum Norden Europas) erfreut?
1. Wesentlichste Begründung sind die sinkenden Energiepreise. Diese sind nach Zahlen von Eurostat im Mai um 19,5 Prozent gesunken. In der restlichen Euro-Zone waren es lediglich 1,8 Prozent. Spanien ist nicht oder nur gering von Energie aus Russland abhängig, weniger als 7 Prozent aller Energie-Importe kommen aus Russland, EU-weit waren es 2019 fast ein Drittel. Die Spanier beziehen ihr Öl und Gas aus aller Welt und kaufen es deutlich günstiger ein als viele andere EU-Staaten.
2. Positiv wirkt auch die “iberische Ausnahme” auf Energiepreise. Die Länder der iberischen Halbinsel – Spanien und Portugal – stiegen faktisch aus dem gemeinsamen EU-Binnenmarkt für Strom aus und fixierten eine Deckelung der Gaspreise – eine ebenso umstrittene wie extrem teure Maßnahme. Beide Länder sind kaum an das restliche europäische Stromnetz angeschlossen.
3. Besonders im Juni sind auch statistische Effekte für den starken Rückgang der Inflation im Jahresvergleich verantwortlich, da die mittlerweile deutlich gesunkenen Energiepreise mit dem hohen Niveau aus dem Vorjahr verglichen werden.
Hohe Kernrate als Schattenseite
Ein ziemlich konträres Bild zeigt sich beim Blick auf die Kerninflation (in diese werden die schwankungsreichen Preise für Energie und Lebensmittel nicht einbezogen). Diese liegt in Spanien im Juni mit 5,9 Prozent deutlich über dem Stabilitätsziel und sogar über jener der Euro-Staatengemeinschaft (5,4 Prozent).
Kräftig steigende Lebensmittelpreise, die in Spanien aufgrund der anhaltenden Trockenheit besonders stark nach oben ausschlagen, belasten die Konsumentinnen und Konsumenten. Stärkste Treiber der Inflation in Spanien sind neben Lebensmittel die Ausgaben für Alkohol und Tabakwaren.
Eingriff in die Mehrwertsteuer
Und das, obwohl der spanische Staat für manche Grundnahrungsmittel in die Mehrwertsteuer eingegriffen hat, eine besonders teure Maßnahme der Inflationsbekämpfung. Die Steuer auf Brot, Milch, Käse, Obst, Gemüse und Getreide wurde überhaupt gestrichen, für Öl und Nudeln wurde der Mehrwertsteuersatz zu Jahresbeginn von zehn auf fünf Prozent gesenkt. Im Gegensatz zu Euro-Ländern wie Deutschland, Italien und Spanien gab es in Österreich keine Eingriffe in die Mehrwertsteuer. Die Mehrwertsteuer soll in Spanien erst wieder steigen, wenn die Kernrate unter 5,5 Prozent fällt.
Dass die allgemeine Inflationsrate unter 2 Prozent bleibt, erwarten Experten nicht – schuld daran sind zuvor erwähnte Tücken der Statistik. Das Zauberwort lautet: Basiseffekte. Zu Jahresende 2022 stiegen die Preise in Spanien deutlich weniger kräftig als zur Jahresmitte. Die Folge: die Inflationsrate ist jetzt niedriger. Sobald sich der Vergleichszeitraum verschiebt, endet wohl auch die schöne Zahl kleiner 2 Prozent.
USA: Von der Intenvstation in die Rekonvaleszenz
Sinkende Energiepreise haben die US-Inflationsrate im Juni auf den tiefsten Stand seit mehr als zwei Jahren gedrückt. Die Verbraucherpreise stiegen im Juni nur noch um 3,0 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat nach 4,0 Prozent im Vormonat. Das ist der kleinste Anstieg seit März 2021.
Von Mai auf Juni zogen die Preise um durchschnittlich 0,2 Prozent an und damit ebenfalls etwas schwächer als erwartet. “Die Inflationsrate hat die Intensivstation verlassen und befindet sich in der Rekonvaleszenz”, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Dass die Inflationsgefahren aber noch nicht gebannt sind, zeigt die Entwicklung der Kernrate, bei der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel außen vor bleiben. Diese Rate sank zwar ebenfalls stärker als erwartet auf 4,8 von 5,3 Prozent, bleibt aber deutlich erhöht.