Der blaue kostenlose Riese vor dem Umbruch

Die Regierung muss beantworten, wie es mit ORF.at weitergehen soll.
Nach der Finanzierungsfrage ist vor der Digitalnovelle. Noch bis zum Sommer dürfte die Regierung die neuen Bedingungen für den ORF im digitalen Raum präsentieren.
Einige Maßnahmen sind weitestgehend unumstritten. So gilt die aktuelle Regel, dass Videoinhalte nur sieben Tage online verfügbar bleiben dürfen, als überholt. Weniger einhellig wird die Forderung des ORF bewertet, künftig auch eigene Inhalte für den digitalen Raum und Social Media produzieren zu dürfen: „Online Only“ lautet das entsprechende Schlagwort. Kritik an diesen Plänen kam in der Vergangenheit unter anderem vom Verband österreichischer Privatsender (VÖP), der vor „einer noch stärkeren Marktverzerrung“ warnt.
Roland Weißmann hatte im Herbst, den Diskussionen vorbeugend, strengere Regeln für die eigenen Online-Inhalte in Aussicht gestellt – im Kuhhandel für eine Digitalnovelle. Konkret sprach der ORF-Chef von einer Halbierung des Textangebots und einem Fokus auf Videos.
Blick nach Deutschland
Ein Blick über die Grenzen belegt die enorme Marktmacht der „blauen Seite“: In Deutschland hat der öffentliche rechtliche Rundfunk (ÖRR) mit tagesschau.de oder deutschlandfunk.de zwar ebenfalls Nachrichtenportale, die Webseiten der mächtigen ARD und ZDF sind jedoch reine Rundfunkportale. Den deutsche Online-Nachrichtenmarkt führen mit „Bild“, „NTV“ oder „Spiegel“ private Medienanbieter an.
Der VÖZ wirft ORF.at gesetzeswidrige „Zeitungsähnlichkeit“ vor: „Das unterscheidet ORF.at etwa von anderen öffentlich-rechtlichen Angeboten wie jenes des ZDF in Deutschland oder jenes der BBC in Großbritannien, die unverkennbar mehr auf programmbegleitende Berichterstattung mit kurzen Texten sowie Videocontent ausgerichtet sind.“ Erheblich stärker beschränkt als der ORF ist auch die SRG in der Schweiz, der Onlinewerbung seit Jahren verboten ist.
Andere Beispiele finden sich im skandinavischen Raum: Yle, der finnische ÖRR, darf seit dem Vorjahr (mit Ausnahmen) nur noch Online-Textnachrichten veröffentlichen, die sich auf eigene Video- und Audioinhalte beziehen. Wenige Online-Einschränkungen findet hingegen NRK in Norwegen vor: Das Land, das traditionell die Liste der Länder mit der größten Pressefreiheit anführt, ist insofern mit Österreich wenig vergleichbar, da es seit Jahren auf eine umfassende Presseförderung setzt.
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) erwartet mit der Digitalnovelle ein Balanceakt: Dem ORF digitale Entfaltungsmöglichkeiten bieten, ohne den gesamten Medienstandort zu beschädigen.