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Gefährliche Sensationsmeldung

24.04.2023 • 11:11 Uhr
Schwarze Löcher, wie hier auf einer Illustration, wirken bedrohlich, sind aber weit von uns entfernt. <span class="copyright">AFP PHOTO / LEAH HUSTAK</span>
Schwarze Löcher, wie hier auf einer Illustration, wirken bedrohlich, sind aber weit von uns entfernt. AFP PHOTO / LEAH HUSTAK

Schwarzes Loch rast auf die Erde zu. Diese Meldung war neulich zu lesen.

Es ist wohl der Schrecken eines jeden Menschen. Nämlich, dass die Erde einfach ausgelöscht wird. Wissenschaftler haben nun ein neues riesiges schwarzes Loch entdeckt.“ So stand es in der Online-Version von „oe24“ am 27. März 2023 zu lesen. Die Headline lautete: „Schwarzes Loch rast direkt auf Erde zu.“

Unangenehme Botschaften mussten wir in den letzten Jahren häufig lesen. Aber wenn das „oe24“-Szenario eintreten würde, müssten wir uns um die anderen Probleme nicht mehr kümmern. Die Meldung ist schlichtweg fachlicher Unsinn. Wir können uns in aller Ruhe den Sternenhimmel anschauen. In den nächsten Nächten ist der Mond ein Zeiger zu den Sternen. Das helle Objekt, das wir heute, Sonntag, am Abend knapp unterhalb der Mondsichel sehen, ist der Abendstern, der Planet Venus. Ewas später müsste man einige Sternschnuppen erhaschen, denn die Lyriden haben ihr Maximum. Am Dienstagabend steht der Mond neben dem rötlichen Mars. Einen Abend später zeigt er die Zwillingssterne an. Pollux steht rechts neben dem Mond und noch weiter rechts der ähnlich helle Castor. Am Samstag weist er uns den Weg zu Regulus, dem Hauptstern im Löwen.

Stille Post

Trotz des genannten schwarzen Lochs können wir, unsere Urenkel und mögliche Beobachter Millionen Jahre später die Schönheiten des Sternenhimmels genießen. Das Kinderspiel „Stille Post“ ist bekannt. In der Kommunikationswissenschaft steht der Stille-Post-Effekt für die Verfälschung von Nachrichten, wenn diese mehrfach weitergegeben werden.

Unsere Stille Post beginnt mit einem Forschungssatelliten der Nasa, der im Jahre 2004 gestartet wurde. Der „Swift Gamma Ray Explorer“ umrundet die Erde in 600 Kilometer Höhe und empfängt Strahlen, wie wir sie von medizinischen Röntgenuntersuchungen kennen und noch wesentlich härtere, also energiereiche Gamma-Strahlung. Bereits im September 2005 wurde ein extrem starker Gammastrahlenblitz von einer 13 Milliarden Lichtjahre entfernten Quelle detektiert. Über die Jahre erwuchsen aus der Mission mehrere Kataloge mit Röntgen und Gammaquellen. Einer dieser Kataloge listet die Quelle PBC J2333.9-2343, eine Radiogalaxie in 657 Millionen Lichtjahren Entfernung.

Aktive Galaxien

In vielen Galaxienzentren laufen energiereiche Prozesse ab, die zu Strahlenausbrüchen vom Radiobereich bis zum Gammabereich führen. Dafür verantwortlich sind massive schwarze Löcher. Je nach beobachtetem Phänomen heißen die Objekte Quasare, Blazare, Radiogalaxien und so weiter.

In einer angesehenen Zeitschrift der „Royal Astronomical Society“ berichtete Lorena Hernández-García gemeinsam mit Co-Autoren über Messungen in den Jahren 2018 und 2019 bei verschiedenen Wellenlängen. Sie zeigten, dass aus der genannten Radiogalaxie ein Blazar wurde. Das heißt, ein schmaler Strahl aus extrem schnellen geladenen Teilchen hat seine Richtung geändert und kann jetzt von uns aus detektiert werden. Das ist interessant und weitere Forschungen werden klären müssen, weshalb der Jet (Teilchenstrahl) seine Richtung geändert hat. Vorerst gibt es nur Vermutungen dazu. In der Kette der Stillen Post war der entscheidende Fehler, dass nicht das schwarze Loch seine Bewegungsrichtung geändert hat und auf uns zukommt, sondern, dass durch seine Drehung der Jet jetzt in unsere Richtung zeigt. Das ist übrigens bei allen Blazaren der Fall (so ist die Objektklasse definiert). Das schwarze Loch selbst entfernt sich wegen der Ausdehnung des Universums rasant von uns. In der Vergangenheit müssen uns geladene Teilchen von Jets aus schwarzen Löchern getroffen haben. Das ist ein Glück für uns, denn einige chemische Elemente wie Bor können nur so erzeugt werden. Kosmische Strahlung, deren Ursprung in Jets liegt, zertrümmert Kohlenstoff- und Sauerstoffatome in der irdischen Hochatmosphäre. Das Ergebnis ist das für Pflanzen, Tier und Mensch und notwenige chemische Element Bor.

Robert Seeberger