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Ein Himmel voller Sterne

02.05.2023 • 10:42 Uhr
Die Sterne in der Milchstraße zu zählen ist kein einfaches Unterfangen. <span class="copyright">Rob Griffith/ap</span>
Die Sterne in der Milchstraße zu zählen ist kein einfaches Unterfangen. Rob Griffith/ap

Wir leben in einer Welteninsel, die sich aus zirka 200 Milliarden Sternen zusammensetzt. Die Gaia-Weltraummission hat bisher 1,8 Milliarden dieser Sterne genauer vermessen.

Blicken wir aus Ballungszentren zum Nachthimmel, sind noch etwa 400 Sterne zu erkennen. Bei völlig dunklem Nachthimmel würde man bis zu 3000 Sterne zählen. Doch der Großteil der Sternenpracht geht im Schein der künstlichen Lichter unter. Nicht jeder hat heutzutage die Milchstraße mit eigenen Augen gesehen. So kommt es, dass manchmal die verschwommene Struktur unserer Milchstraße mit Wolken verwechselt wird.

Um diese Jahreszeit erstreckt sich nach Einbruch der Dunkelheit das Band der Michstraße vom Südwest- zum Nordosthorizont. Im Westen steht das milchige Band fast halbhoch am Himmel.

Die Milchstraße

Der Sage nach soll die Göttin Hera ihre Muttermilch über den Himmel verspritzt haben. Auch im Fachbegriff Galaxis steht das griechische Wort für Milch. Mit freiem Auge lässt sich die Zusammensetzung der Milchstraße nicht erkennen. Der griechische Philosoph Demokrit, der um 400 vor Christus lebte, behauptete, dass die Milchstraße aus unzähligen Sternen bestehe. Der Beweis dafür gelang erst mit der Erfindung des Fernrohrs. Für Galileo Galilei löste sich ab 1610 der Nebel beim Blick durch seine einfache Linsenanordnung in einzelne Sterne auf.

Jeder kann dieses Phänomen mit einen einfachen Fernglas heute viel brillanter nachvollziehen. Die einfache Beobachtung vermittelt ein richtiges „Aha-Erlebnis“. Die Zahl der sichtbaren Sterne vervielfacht sich. Wie viele Sterne mag es geben, und wie sind sie räumlich angeordnet?

Friedrich Wilhelm Herschel war Musiker und Astronom. Er baute selber Spiegelteleskope und entdeckte den Planeten Uranus. Um 1785 gewann er aus Sternzählungen die Erkenntnis, dass die Milchstraße linsenförmig sein muss. Grundsätzlich könnten auch wir diese Messungen nachmachen.

Schwierige Zählung

Der zeitliche Aufwand ist aber beträchtlich. Herschel nutzte ein 15-Zentimeter-Fernrohr und zählte in 3400 Sternfeldern, die gleichmäßig über den Himmel verteilt waren, die Anzahl der sichtbaren Sterne. Wegen der falschen Annahme, dass alle Sterne dieselbe Leuchtkraft haben und weil das Licht weit entfernter Sterne durch interstellare Staubwolken geschwächt wird, stimmte das Ergebnis nur ungefähr. Erst im 20. Jahrhundert brachten Untersuchungen über die Verteilung von Kugelsternhaufen und insbesondere die Radioastronomie die wahre Struktur und Dimension der Galaxis ans Licht.

100.000 Lichtjahre misst die flache Struktur, 26.000 Lichtjahre vom Zentrum entfernt liegt die Sonne. Im Kern der Milchstraße saugt ein Schwarzes Loch mit 4,3 Millionen Sonnenmassen Materie auf. Von oben betrachtet würde man eine Struktur aus mehreren sich drehenden Spiral­armen erkennen.

Im letzten Jahrzehnt brachte die Gaia-Mission eine Wissensexplosion über die Milchstraße. Seit 2014 ist die Sonde 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt „geparkt“. Bisher sind die Positionen von 1,8 Milliarden Sternen mit extremer Genauigkeit vermessen worden. Ein Beispiel: 1838 bestimmte Wilhelm Bessel erstmals die Entfernung eines Sterns im Schwan mit der Parallaxen-Methode. Gaia kann das auch, aber 340 Mal genauer. Die Bewegungsmuster der Sterne verraten, dass sich die Milchstraße über Milliarden Jahre mehrere kleinere Galaxien einverleibt hat. Vor circa zehn Milliarden Jahren ist sogar eine größere Galaxie mit der Milchstraße verschmolzen. Bis 2025 soll Gaia weiter wertvolle Daten sammeln können.

Robert Seeberger