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Immer mehr Licht

12.06.2023 • 08:34 Uhr
Ein Modell des ELT, das sich derzeit im Bau befindet. <span class="copyright">AFP</span>
Ein Modell des ELT, das sich derzeit im Bau befindet. AFP

Teleskope werden immer leistungsfähiger und lichtstärker. Mit 39 Metern Durchmesser übertrifft das ELT alles.

Nach mehr Licht soll sich Johann Wolfgang Goethe 1832 am Sterbebett gesehnt haben. Die Diskussionen darüber, ob er das im philosophischen Sinne gemeint haben mag, ob er akustisch missinterpretiert wurde und er „mehr nicht“ sagte, wollen wir nicht vertiefen. Seine „Farbenlehre“, die Goethe 1810 veröffentlicht hat, betrachtete er selbst als bedeutender als seine poetischen Verdienste.

Revolutionäre Entdeckung

Der Wunsch nach mehr Licht liegt den Astrophysikern in den Genen, und das Verständnis der Farben von Sternen und Galaxien ist die Grundlage der modernen Astrophysik. Bis zum Jahre 1609 war die Sternenkunde reine Positionsastronomie. Planetenbahnen wurden immer genauer vermessen und interpretiert, Sterne hat man in Bezug auf ihre Lage am Himmel, die Helligkeit und den Farbton beschrieben. Das Linsenfernrohr, das vom Optiker Hans Lippershey entdeckt wurde, revolutionierte die Himmelskunde. Das Prinzip des Teleskops ist denkbar einfach. Man positioniert eine Sammellinse – wie eine Lesebrille – mit einer Zerstreuungslinse – wie eine Brille zur Korrektur von Kurzsichtigkeit – im richtigen Abstand hintereinander – fertig ist ein einfaches Linsenfernrohr. Die neuen Optiken zeigen lichtschwächere Objekte, und die Winkelauflösung wird besser.

Doppelsterne werden mit freiem Auge punktförmig wahrgenommen, erst im Fernrohr sind die zwei Komponenten zu sehen. Derzeit geht am späteren Abend im Nordosten das Sommersternbild Schwan auf. Der Kopf des Schwans, Albireo, ist ein Sternenpaar aus einem blauen und einem orangen Stern. Eine halbe Bogenminute (1/120tel Grad) trennen die Komponenten. Die Augen lösen ohne Hilfsmittel nur eine Bogenminute auf, daher bleibt Albireo ohne Fernrohr ein Einzelstern.

Je größer, desto besser

Große Öffnungen bei Teleskopen sind aus zwei Gründen wichtig. Das Auflösungsvermögen steigt linear mit dem Durchmesser der Linse. Zehnfacher Durchmesser bedeutet eine zehn Mal bessere Auflösung. Die Fähigkeit, schwaches Licht zu sammeln, steigt mit dem Quadrat des Linsen-Durchmessers. Dreifacher Durchmesser ergibt neun Mal mehr Licht.

Seit 1609 wurde das Teleskop entscheidend verbessert. Abbildungsfehler bei Linsen können korrigiert werden, Linsenteleskope erreichten Durchmesser bis knapp über einem Meter. Spiegelteleskope, mit denen sich weit größere Öffnungen erzielen lassen, sind der Stand der Technik. 1917 war das 2,5-Meter-Teleskop am Mount Wilson die Superlative. Mit diesem Gerät wurde die Expansion des Universums entdeckt. Ab 1948 war der Fünf-Meter-Palomar-Spiegel jahrzehntelang das Maß aller Dinge. Wegen der nahen Stadt Los Angeles und der Lichtverschmutzung wurde das Gerät zusehends ineffizienter. Ende der 90er-, Anfang der 2000er-Jahre begann die Ära der Acht-bis-Zehn-Meter-Teleskope an dunklen Standorten wie der chilenischen Wüste, Südafrika und auf Hawaii. Techniken zur Reduktion des Luftflimmerns machten die Geräte vergleichbar mit dem Hubble-Weltraumteleskop.

Ganze neue Dimensionen

Das ELT (Extremely Large Telescope), das einen Durchmesser von 39 Metern hat, eröffnet ein neues Zeitalter. Ab 2027 wird das Riesenteleskop am Cerro Armazones auf über 3000 Metern Höhe in der Atacamawüste in Betrieb gehen. Die Forschungsaufgaben umreißen die Topthemen der Astrophysik: die ersten Sterne und Galaxien, Dunkle Energie, Dunkle Materie, Zusammensetzung von Atmosphären von Exoplaneten, Entstehungsprozesse von massiven Schwarzen Löchern in Galaxienzentren.

Die Riesenteleskope erfüllten den Wunsch nach mehr Licht. Die Forderung nach weniger Umgebungslicht bleibt weiterhin dringlich.

Robert Seeberger