OGH: Dealer verkaufte straffrei 4,9 kg Kokain

Höchstgericht hob Haftstrafe von viereinhalb Jahren auf und sprach 50-Jährigen frei: Vorbestrafter hätte nicht noch einmal wegen Suchtgifthandels verurteilt werden dürfen.
Im Mai 2022 wurde der Angeklagte am Landesgericht Feldkirch rechtskräftig wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraf 28a Absatz 4 des Suchtmittelgesetzes (SMG) zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Demnach hat er in Vorarlberg zwischen 2018 und Jänner 2022 insgesamt 1,3 Kilogramm Kokain verkauft.
Im Juni 2022 wurde über den 50-Jährigen am Landesgericht, wieder nach Paragraf 28a Absatz 4 SMG, eine Zusatzstrafe von viereinhalb Jahren verhängt. Weil er nach den gerichtlichen Feststellungen zwischen August 2020 und Mai 2021 weitere 4,9 Kilo Kokain verkauft hat.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hob nun das zweite Urteil aus dem Jahr 2022 auf und sprach den Angeklagten rechtskräftig frei. Denn nach Ansicht der Wiener Höchstrichter liegt eine verbotene Doppelbestrafung vor. Demnach hätte der Angeklagte für dieselbe Tat nicht noch einmal verurteilt werden dürfen.
Suchtgifthandel
Der Dealer verkaufte Kokain in den sich überschneidenden Zeiträumen mehrfach und in verschiedenen Portionen. Die Gesamtzahl der Einzeltaten gilt seit einigen Jahren rechtlich nur noch als eine Tat, hier als das Verbrechen des Suchtgifthandels mit einer die Grenzmenge von reinem Kokain von 15 Gramm um das 25-Fache übersteigenden Gesamtmenge.
Die zusätzlich zu den 1,3 Kilogramm Kokain verkauften 4,9 kg Kokain wertete der zuständige OGH-Senat nur als weitere Ausführungshandlungen und Teilaspekt einer bereits verurteilten Tat. Für eine bereits abgeurteilte Tat darf aber niemand ein zweites Mal bestraft werden. Weil das Landesgericht nach Ansicht der Höchstrichter gegen das Doppelbestrafungsverbot verstieß und damit eine Gesetzesverletzung beging, wurde der Angeklagte in zweiter Instanz freigesprochen.
Die höchstgerichtliche Entscheidung hat weitreichende Folgen. Das täterfreundliche Urteil erschwert die Strafverfolgung von Dealern. Wenn Strafverfolgungsbehörden feststellen, dass ein Beschuldigter noch mehr Rauschgift verkauft hat, als das bisher bekannt war, wird das in vielen Fällen dennoch straffrei bleiben.
Das OGH-Urteil verdeutlicht den zuweilen vorhandenen Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit. Es kam nach einer Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes zustande und für alle Prozessbeteiligten überraschend. Zumal der Angeklagte den Schuldspruch gar nicht bekämpfte, sondern nur die Strafhöhe.