Kommentar

Das unsaubere Ländle

02.05.2022 • 09:36 Uhr
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Wo ein Kadaver liegt, sind die Geier nicht fern.

Jahrzehntelang hat Vorarl­berg mit dem Nimbus der Sauberkeit und des Fleißes gelebt. Dieser Ländleethos, von uns selbst gerne gepflegt und im Osten oft bewundert, hat bereits durch die Testamentsaffäre 2009 deutliche Kratzer erlitten. Auch der später aufgehobene Kaufvertrag, mit dem ein ÖVP-Mandatar und Anwalt das Grundstück eines Demenzkranken unter Wert verkaufen ließ, sorgte für Furore.

Mit dem Wirtschaftsbundskandal ist der Ländlelack wohl endgültig abgeplatzt. Wer Parteispenden umdeklariert, um sie nicht dem Rechnungshof melden zu müssen, wer mit einem Magazin Hunderttausende Euro Gewinn macht, ohne auf die Idee zu kommen, dass dieser steuerpflichtig sein könnte, wer wie im tiefsten Feudalismus Handgelder an Regierungsmitglieder zur freien Verfügung verteilt oder Spenden vom Konto behebt, die nie ankommen, hat sich das Prädikat vom „subara Ländle“ nicht mehr verdient. Man wird froh sein können, wenn man jenseits des Arlbergs nicht irgendwann von „Vorarlberger Verhältnissen“ spricht.

Die Rechnung für ihr Fehlverhalten kassiert die ÖVP nun laufend. Wo ein Kadaver liegt, sind die Geier nicht fern. Die protokollierte, aber nie stattgefundene Betriebsratswahl in der Landesgeschäftsstelle, der tobende Anruf des Wirtschaftsbunddirektors bei der ÖGK: Das alles sind Schneeflocken in einer Lawine, deren Dimension man sich in der Volkspartei noch nicht ausrechnen kann. Wer 77 Jahre an der Macht ist, hat genug Feinde, die die Messer zücken, wenn man strauchelt. Nicht jeder Dolch wird zu Unrecht gezogen, und die Liste der offenen Rechnungen könnte noch lang werden.