Meinung

Gemeindeaufsicht ohne Gleichgewicht

01.02.2023 • 13:09 Uhr
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Die Bezirkshauptmänner, die die Prüfung anordnen können, sind dabei dem Landeshauptmann weisungsgebunden. Das hinterlässt zumindest eine Anscheinsbefangenheit.

Die Gemeinden verfügen über eine große Autonomie, zu groß, meinen manche. Im sogenannten selbständigen Wirkungsbereich, dazu gehören Aufgaben wie die örtliche Raumplanung, kann ihnen nur der Gesetzgeber etwas anschaffen und auch das nur eingeschränkt. Das hat vor allem im Bauwesen immer wieder zu Problemen geführt. Die Länder und der Bund haben hier nur ein Aufsichtsrecht. Sie dürfen also kontrollieren, ob sich die Gemeinden an das Gesetz halten. Diese Gemeindeaufsicht ist laut Bundesverfassung „von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung auszuüben“ – also von der Landesregierung oder den Bezirkshauptmannschaften. Unabhängige Prüforgane dürfen die Länder daher nicht einrichten. Vermutlich würden sie es aber auch nicht wollen.

Die Gemeindeaufsicht ist ein vielgeliebtes Instrument der Regierungskontrolle über die Gemeinden. Wichtig ist dabei vor allem was und wen man nicht prüft.
Bürgermeister von Parteien, die nicht in der Landesregierung vertreten sind, haben immer wieder den Vorwurf erhoben, die Gemeindeaufsicht werde gegen sie nachdrücklicher ausgeübt, als gegen andere Kollegen. Daher verwundert der Vorwurf des Bregenzer Bürgermeisters Michael Ritsch (SPÖ) nicht, die Gemeindeaufsicht habe die Fußgängerzone in Bregenz, aber nicht jene in anderen Städten geprüft. Die Bezirkshauptmänner, die die Prüfung anordnen können, sind dabei dem Landeshauptmann weisungsgebunden. Das hinterlässt zumindest eine Anscheinsbefangenheit. Sehr rasch war die BH Feldkirch, als es darum ging, beim Rheinprojekt „Rhesi“ Befangenheiten in der Koblacher Gemeindevertretung aufzuspüren. Das Land wollte das Projekt unbedingt durchsetzen.

Freilich wird eine Gemeinde nicht nur geprüft, wenn der Landeshauptmann anruft. Jede Person, „die behauptet, dass Gemeindeorgane Gesetze oder Verordnungen verletzt haben, kann bei der Aufsichtsbehörde eine schriftliche Aufsichtsbeschwerde einbringen.“ Im Bregenzer Fall hat die Gemeindeaufsicht der BH aber amtswegig geprüft, also von sich aus. Die Gemeinden müssen ihre Verordnungen nämlich vorlegen. Das ist kein grundsätzlich schlechtes System. Gerade kleine Gemeinden haben oft nicht das juristische Know-How, um alle möglichen Stolpersteine zu erkennen.

Insofern ist es vor allem eine Auszeichnung für die Bregenzer Juristen, dass die BH bei der politisch umstrittenen Fußgängerzonenverordnung rechtlich nichts zu beanstanden fand. Und es spricht für die BH, dass nichts erfunden wurde, wo es nichts zu finden gab. Sicherlich gibt es auch Länder, in denen die Gemeindeaufsicht politischer wahrgenommen wird als in Vorarlberg. Das geht so weit, dass in der steirischen Landesregierung laut Geschäftsordnung ein SPÖ-Landesrat für die Aufsicht über „Gemeinden mit nicht SPÖ-Bürgermeistern“ zuständig ist. Die roten Bürgermeister werden dafür von den Schwarzen kontrolliert. Es ist zwar ein Gleichgewicht des Schreckens, aber es ist immerhin ein Gleichgewicht. In Vorarlberg fehlt das vielleicht ein bisschen.